Fisch und Schwanz

Monika Schau
Fischhütte. Foto: Monika Schau

Fischhütte. Foto: Monika Schau

Bevor ich mich mit unseren heutigen Gerichten befasse, möchte ich Ihnen noch erzählen, was meine Enkeltochter neulich beim Essen feststellte: „Oma, deine Klöße schmecken ganz anders als früher.“ Ich habe den gleichen Kloßteig genommen, der war aber tatsächlich anders. Die Klöße waren fester und nicht mehr so locker, wie ich es eigentlich gewöhnt war. Der Grund: Die Qualität der Kartoffeln war aufgrund des schlechten, regnerischen Sommers nicht so wie sonst. Das musste ich schon bei manchen Bamberger Hörnla feststellen, die streckenweise schmeckten wie ‚Säukartoffeln‘. Nicht zu gebrauchen. Nach einigem Nachfragen bei Fachleuten bekam ich die Erklärung: Die Kartoffeln haben durch das schlechte Wetter nicht genug Stärke entwickeln können und hielten beim Versuchskochen selbst bei der Firma nicht zusammen. So gab man mehr Stärkemehl dazu, vielleicht war das ein wenig zu viel. Manche Leute geben ja auch von Anfang an noch gekochte Kartoffeln dazu. Aber da können wir gleich wieder anfangen, die Klöße selbst zu machen. Was natürlich an dem Stärkegehalt der Kartoffel nichts ändert. Aber: So kann man die Teigkonsistenz besser steuern.

Thüringer Klöße

Einen großen Topf mit Wasser erhitzen.

Das Verhältnis der gekochten und rohen Kartoffeln variiert je nach Region. Echte Thüringer Klöße – und das ist die einzig nette Erinnerung, die ich an meine Schwiegermutter selig habe – bestehen aus zwei Dritteln rohen Kartoffeln und einem Drittel gekochten Kartoffeln. Erst die Kartoffeln kochen und im heißen Wasser liegen lassen. Dann die rohen Kartoffeln durch eine Fruchtpresse lassen, die eigentlich umgekehrt zu verwenden ist – also der Saft der Früchte wird aufgefangen, der Trester wird weggeworfen. Bei den Klößen ist der Trester das Wichtigste. Dieser Rückstand der ausgepressten Kartoffeln wird mit dem kochend heißen Wasser der gekochten Kartoffel übergossen und gut durchgemengt. Gegebenenfalls noch nachsalzen, denn ich den gekochten Kartoffeln ist ja schon genug Salz. Anschließend die gekochten Kartoffeln durch die Kartoffelpresse drücken und dazugegeben. Mir ist es am liebsten, wenn die Klöße fast auf dem großen Löffel zerlaufen, wenn ich sie ins Wasser gebe, denn dann sind sie aufnahmefähiger für die Sauce. Das kann man mit Zugabe von mehr Wasser steuern. Mit Bröckerla, die in Butter angebraten wurden, in der Mitte bestücken und im heißen Wasser gar ziehen lassen. Sollten Sie den Frieden nicht trauen, machen Sie einen Probekloß. Zerfließt der, kann man immer noch etwas Kartoffelstärke zugeben.

Kartoffeln. Foto: Monika Schau

Kartoffeln. Foto: Monika Schau

Früher wurden die Kartoffeln im Keller eingelagert. Das lohnt sich auch heute wieder. Seit man sie kiloweise im Plastiksack im Supermarkt kaufen kann, ist das zwar Schnee von gestern, aber die Kartoffeln dort sind zu warm gelagert und fangen zu schwitzen an. Das verdirbt die Qualität. Kartoffel müssen dunkel, kalt und trocken gelagert werden. Aber auch diese Weisheit stirbt langsam aus.

Alte Sorten

Mittlerweile werden von Biobauern wieder alte Sorten angebaut, die schon lange vergessen sind. Ich habe mich mit dem Ehepaar Schwinn aus Priesendorf unterhalten. Die haben Kartoffeln, die in den 80er Jahren noch von der Oma angebaut wurden. Für die Industrie waren die uninteressant, Bintje – also die Wasserkartoffeln – waren angesagt. Aber, wie auch bei anderen Nahrungsmitteln, wichtig ist der Grundstoff und wenn man sich schon die Mühe macht, etwas Ordentliches auf den Tisch zu bringen, muss auch bei der Kartoffel der Geschmack passen. Familie Schwinn hat in Priesendorf in der Schinnsgasse 2 noch wunderbare Kartoffeln: Ulla, eine vorwiegend festkochende Knolle, also für Kartoffelsalat ideal und dann eine Rarität, die man fast nirgendwo mehr findet – eine mehligkochende Rita – ein Traum für Kartoffelbrei. Da Familie Schwinn Direktvermarkter sind, sollte man schon 10 kg und mehr bei ihnen kaufen.

Im Wunderburger Obst- und Gemüselädla gibt es wunderbare Hallstadter Kartoffeln, eine vorwiegend festkochende Sorte: die Secura. Dann noch die Sieglinde, eine gelbe festkochende Sorte, also ideal für Kartoffelsalat.

Die Geschichte der Kartoffel reicht weit in die Vorzeit.

Die Solanum tuberosum begann ihren Siegeszug in den Anden, am Titicacasee. Dann brachten die Spanier sie im 16. Jahrhundert zusammen mit Mais, Tomaten und Kakao nach Spanien. Aber man wusste anfangs nicht, was man mit ihr anstellen sollte. So war nur ihr Kraut mit der schönen Blüte interessant, obwohl es ja als Nachtschattengewächs giftig war, wie auch das Kraut der Tomate. Die Knolle hatte man zunächst nicht beachtet. Dann aber entdeckte jemand, dass man die Knolle wunderbar essen kann. Und so begann ihr Siegeszug – freilich erst in den adeligen Höfen. Durch die Unfähigkeit, sie optimal anzubauen, reiften sie erst spät und wiesen einen sehr hohen Solaningehalt auf, was die Kartoffel bitter macht.

Das merkt man bei uns auch noch manchmal, wenn sie ‚im Abgang‘ leicht bitter schmeckt. Das kommt aber heute zumeist durch nichtsachgerechte Lagerung. Hat die Kartoffel grüne Stellen sollte man die wegschneiden, sie hat dann zu viel Solanin entwickelt und das ist erst einmal nicht absolut ungesund, aber der Geschmack leidet darunter.

Schon im 17./18. Jahrhundert erkannte man, dass mit der Kartoffel die grasierenden Hungersnöte eingedämpft werden konnten. So war dann bald in Irland die Hungersnot zu Ende, bis um 1845 die Kartoffelfäule auftrat (durch zu viel Regen) und viele Iren zwang, nach Amerika auszuwandern.

In Deutschland wurde zu Zeiten des Alten Fritz (Friedrich II.) Mitte des 18. Jahrhunderts die Kartoffel als Teufelzeug – vor allem von der Kirche – abgelehnt. Die Bauern aßen nur das Kraut und erlitten durch das Solanin Vergiftungen. Da griff er zur List, damit sein Volk und auch seine Soldaten genug zu essen bekamen: Er ließ Kartoffeln anbauen und das Feld von Soldaten bewachen. Das machte die Bauern neugierig. Denn – es musste wohl schon sehr wertvoll sein, was von der Soldaten im Auftrag des Königs bewacht wurde. Auch aß der Alte Fritz regelmäßig und demonstrativ bei den Inspektionsreisen durchs Land Kartoffeln, was schlussendlich den Bauern die Scheu vor der neuen Frucht nahm.

Der Erfolg der Hungerbekämpfung lag also nicht am kolonialen Handel – das konnten sich sowieso die Wenigsten leisten – sondern an der Einfuhr der Kartoffel.

Und nun zu meinen Rezepten aus der Region.

Fisch und Schwanz

Da wäre erst einmal der Fisch. Ich habe erneut den Saibling gewählt, da der ja aus heimischen Gewässern kommt – man kann aber durchaus auch einen Lachs oder einen Kabeljau dazu nehmen. Aber Filets von gleicher Dicke sollten es schon sein. Bei diesem Gericht dauern das Kartoffelnkochen am längsten. In einem Tiegel werden dünn geschnittene Streifen Lauch, Petersilienwurzeln, Sellerie und für die Optik mit dem Gurkenhobel Streifen der Karotte abgeschnitten, leicht in Öl angebraten und dann mit einem kräftigen Essigwassersud aufgegossen. Da reicht auch die Flüssigkeit aus einem Gurkenglas, die man sonst nur wegschütten würde oder eine helle Salatsauce, die man vielleicht in einem Schraubglas noch vorrätig hat. Man kann noch einige (frische) Lorbeerblätter dazu legen. Dieser Fond wird aufgekocht und ausgeschaltet. Sollte man kein Gas haben, den Tiegel von der Feuerstelle nehmen, denn die Platten heizen ja immer noch nach dem Abschalten nach. Dann den Fisch einlegen. Sollte die Flüssigkeit nicht reichen, den Fisch gänzlich zu bedecken, ihn immer wieder mit dem Sud benetzen. Das reicht und Sie bekommen so ein wunderbar saftiges Fischfilet, wie Sie es nur in den besten Restaurants essen können.

Saiblingfilet süßsauer. Foto: Monika Schau

Saiblingfilet süßsauer. Foto: Monika Schau

Ochsenschwanzsuppe

Da ich mir vorgenommen habe, solange nur auf leichte Art geänderte regionale Gerichte an Sie weiter zu geben, bis zum Frühjahr wieder neues Gemüse auf den Markt kommt und außerdem noch alles vom Rind, Kalb, Schwein und Lamm einbeziehen werde, hier ein alter Klassiker, den es früher auch mal in der Dose gab. Frisch zubereitet ist er aber unschlagbar im Geschmack. Man kann sich eigentlich gar nicht vorstellen, dass aus einem Ochsenschwanz solch ein kräftiger Geschmack kommen kann. Das Fleisch und demnach auch die Brühe hat einen wunderbaren Eigengeschmack, der gerne noch mit etwas Sherry verfeinert wird. Aber von Anfang an:

Bestellen Sie den Ochsenschwanz bei dem Metzger Ihres Vertrauens vor. Wenn Sie einen Ochsenschwanz von einem ausgewachsenen Tier bekommen, umso besser. Dann haben Sie am Knochen genügend Fleisch für ein Ochsenschwanzragout. Wenn er etwas kleiner ist, genügt die Fleischeinlage für eine Suppe.

Ochsenschwanzsuppe. Foto: Monika Schau

Ochsenschwanzsuppe. Foto: Monika Schau

Grundlage für eine Ochsenschwanzsuppe oder ein Ragout

In einem Tiegel werden die Ochsenschwanzstücke rundum gut in Öl angebraten. Man kann sie auch noch etwas mit Mehl bestäuben, dann wird von vorne herein die entstehende Sauce etwas gebunden. Dann kommen die üblichen Verdächtigen dazu: Lauch, Petersilienwurzeln, Sellerie, Karotten, Zwiebeln in nicht zu kleine Stücke geschnitten, mit Salz und Pfeffer gewürzt und mit Gemüsebrühe aufgießen. Deckel drauf und simmern lassen. Das dauert ca. eine Stunde. Öfter probieren, ob das Fleisch schon vom Knochen fällt, dann ist es gar. Die nimmt man aus dem Tiegel und lässt sie abgedeckt auskühlen.

Nun entscheidet sich, ob es Suppe oder Ragout gibt. Reicht das Fleisch nicht, um für die gewünschte Anzahl von Essern ein Ragout zu machen, kocht man die Reste im Tiegel auf und siebt sie ab. Ochsenschwanzsuppe sollte klar sein. Also nur leicht das Gemüse im Sieb ausdrücken. Die Suppe einreduzieren, bis der Geschmack rund ist und dann mit Sherry verfeinern. Die Fleischstückchen vom Fett befreien und darin wieder warm machen. In einem Suppenteller oder einer Cappuccinotasse servieren.

Sollte der Ochsenschwanz aber für ein Ragout reichen, wird das Gemüse wieder zum Fleisch gegeben. Der Fond wird mit Rotwein reduziert und dann zum Fleisch und Gemüse gegeben. Dazu gibt es breite Nudeln und genau den guten (!) Rotwein, den Sie in die Sauce gegeben haben. Mit einem Rotwein Marke „Pennerglück“ möglichst in der Zweiliterflasche lässt sich keine gute Sauce machen. Außerdem: Das Leben ist zu kurz um eine Plörre zu trinken.

Probieren Sie dieses Gericht, es ist geschmacksmäßig eine Offenbarung.

Acker. Foto: Monika Schau

Acker. Foto: Monika Schau

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Monika Schau schreibt jeden Monat für die Leser der Bamberger Online Zeitung. Jedes Mal ein Mix aus Orts- und/oder Volkskunde und ein Fest für die Sinne – Lebensart eben. Ende Dezember widmete sie sich den  Rauhnächten mit den vielerorts vergessenen Traditionen und den unvergessenen Gerichten. Erst im Mai stellte sie Junges Gemüse vor mit einer Grünen Frankfurter – nein! – Bamberger Sauce. Im April entführte sie uns nach Budapest und in die dortigen Markthallen, rezitierte das Revolutionsgedicht von Sandor Petőfi und reizte die Sinne nicht nur mit Mohnstrudel. Bereits im Februar wollte sie mit dem Winter ade-Menu und einem Vorwort zum Pferdefleisch ins Frühjahr starten und erzählte uns für die Nachspeise etwas über Cedri. Zuvor waren wir mit ihr in Venedigs Karneval und Leckereien. Das Jahr 2013 begann mit Gaumenschmaus und Seelenfutter – Die Küche im Wiener Kaiserreich, einem Januar-Menue aus Rinderbrühe, dem perfekten Wiener Schnitzel und Palatschinken. Das Jahr 2012 schloss mit einem typisch fränkischen Dezembermenü: A ganz a schööns Gänsla. Wobei natürlich das Gänseschlachten mit einem Schluck zur Stärkung zwischendurch zelebriert werden muss. Zuvor wurden unsere Leser schon mal vorbereitet Die Sau ist tot. Mit der Kochschule der Besseresser ist Monika Schau bekannt. Die Herbst/zeit/lose Gerichte sind ja nicht ganz so herbstzeitlos, wenn man Kürbis, Steinpilze und Spitzkraut bedenkt. Monika Schau gab bislang auch Tipps für Gerichte, bei denen es wohl nicht für Alle eine Freude ist, sie nachzukochen und vor allem zu essen. Es gibt nämlich nur wenige Kochbegeisterte, die sich an solche Gerichte überhaupt rantrauen: Das Unessbare auf den Tellern hat einen Namen: Innereien. Im vergangenen September zitierte sie Lea Linster, eine der besten Köchinnen Luxemburgs: Wenn Du das Huhn, das Du in die Röhre schiebst, nicht liebst — lässt es Dich im Stich. Im Sommer entführte sie uns in die Cuina Catálan: Unser Sommermenü: Mar y muntanya / Meer und Berge. Ihr Eingangsmenu bei der OnlineZeitung stammte ebenfalls aus der Kochschule für Besseresser: Die neue esS-KLASSE. Im Sommer empfahl sie als Sommermenue: Barbecue mit fried green tomatoes und Kritisches zum Junkfood, entführte unsere Leser in die  Kellerzeit und nach Ligurien – Das Land wo die Zitronen blühen.

Im September ging es in die Provence: Baguette, Bouillabaisse mit Rouille und danach Tarte tatin. Überall ist jetzt von Queller die Rede, im Oktober auch bei uns Gaumenkitzel. Herbstliches Seelenfutter Wissen Sie, dass Kartoffelbrei glücklich macht? Natürlich selbst gemacht und nicht aus der Packung. In “Gessn werd daham” eine Liebeserklärung an – was wohl? Das Menu zum Frühjahr In Cod We Trust(ed) bietet neben Rezepten für Fischklößchen, Kabeljau in Senfsauce sowie die Anleitung einer Court Bouillon und einer Aprikosensuppe mit Schokotörtchen wieder allerhand Wissenswertes über das Drumherum. Und natürlich geschmückt wieder mit eigenen wunderbaren Photos. Zu Beginn tangiert sie das Thema Überfischung vor Neufundland. In Normandie – das Schlaraffenland gibt sie einen Einblick in die Küche der Normandie  und ihre Bemühungen um die “Boulangerie tradition”. Außerdem erhält man endlich Antwort auf die Frage: “Warum sind Butter und Käse aus der Normandie so unglaublich lecker?”.In einem zweiten Beitrag zur Normandie / Meeresgetier – Charcuterie – Desserts widmet sich Monika Schau der Esskultur der Franzosen. Denn allein die Präsentation der Speisen zeugt von einer Hingabe der ganz besonderen Art: ein Wunder, das eigentlich hinter Saarbrücken bereits anfängt. Neulich erst entführte sie mit Le Crete Senesi – Eine Landschaft zum Seele baumeln lassen die Leser an einen ihrer Lieblingsorte: Siena und die umgebende zauberhafte Landschaft. Auch dank ihrer wunderbaren Photographien ein Genuss. Im Juni ging’d dann nochmal nach Frankreich, nach Roanne oder die Sache mit den Fröschen:  Andere Länder – andere Sitten, vor allem Esssitten. Anlässlich der Ausbildung für Französische Backkunst war Monika Schau zu einem Praktikum im oberen Loiretal, in Roanne. Dass Monika Schau weitgereist ist, ahnen unsere Leser längst. Im Juli geht’s nach Japan: Einblicke – Durchblicke – Rückblicke. Sie meint, die Kultur eines Landes erkennt man auch an den Schaufenstern seiner Geschäfte.

In ihrem Beitrag Von Riyadh nach Sanaa – die Weiterreise durch die Landschaften in der Wüste nahm Monika Schau ihre Leser mit auf dem Weg in den Jemen, vorbei an Wadis, und brachte diesen beeindruckende Menschen aus dem Asir-Gebirge, eine Dorfgemeinschaft nach einer wilden Übernachtung inmitten der Wüste und die Händler in Sanaa näher. In ihrem vorletzten Bericht Vulkangestein, Urgestein: Landschaften in der Wüste ging es Monika Schau nicht ums Essen: die Hitze! Die Hitze erinnerte sie allerdings an ihre Zeit in Saudi Arabien, wo sie mit Familie von 1988 bis 1993 lebte. Ihr Mann war für die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) im Ministerium für Post, Telefon und Telegraf beschäftigt. Wieder Zuhause angekommen, geht’s ans Eingemachte. Letzte Dezember stellte Monika Schau in von kopf bis fuß unsere Leser weder auf Liebe noch bekommen sie Modisches serviert. Natürlich geht es um’s Essen: regional, originell und unglaublich lecker.