Le Crete Senesi – Eine Landschaft zum Seele baumeln lassen

Monika Schau
Siena. Foto: Monika Schau

Siena. Foto: Monika Schau

Ich muss zu meiner Schande gestehen: Als Bambergerin kenne ich mich in Siena besser aus als in Erlangen … Die Region um Siena hat es mir einfach angetan und ich habe immer wieder das Gefühl nach Hause zu kommen.

Siena hatte seine glanzvollste Zeit zwischen 1150 und 1300, in der die meisten Palazzi und Herrenhäuser gebaut wurden und aus dieser Zeit stammen Dom, Palazzo Pubblico und Torre di Mangia am Campo. Die verschiedenen Museen, wie das Museo dell’Opera del Duomo mit einem der wichtigsten Tafelbild im Sala di Duccio, der Maestà, der Santa Maria della Scala, vor der Treppe zum Dom, einem ehemaligen Hospiz und Waisenhaus und heutigem Museum (achten Sie auf das Wappen mit der Treppe oder Leiter), das Stadtmuseum und die Pinacoteca sind immer einen Besuch wert. (Um lange Wartezeiten zu vermeiden, kann man sich in der Halle vor dem Museo dell’Opera eine Eintrittskarte mit der gewünschten Uhrzeit im Voraus bestellen).

Torre di mangia, Campo, Siena. Foto: Monika Schau

Torre di mangia, Campo, Siena. Foto: Monika Schau

Das Schöne an Siena ist die kompakte Altstadt, die man erkunden kann. Viele der Stadtviertel haben an den Häuserwänden ein Schild der dazu gehörigen Contrade, die sich jährlich nach einem Auswahlverfahren am Palio, dem berühmten Reiterwettkampf am Campo, beteiligen. Diese Stadtviertel wurden im Mittelalter gegründet und haben Truppen organisiert, die Sienas Unabhängigkeit von den Florentinern garantierte. Der Palio, der zwei Mal im Jahr stattfindet, ist ein Fest für die Bewohner. Fremde, die meinen, dabei sein zu müssen, sind da eigentlich fehl am Platz. Der Palio gehört den Sienesern.

Frühling in der Crete Senesi mit Biancane von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Frühling in der Crete Senesi mit Biancane von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Die Landschaft der Crete Senesi

Südlich von Siena beginnt die Landschaft, mit der man schlechthin die Toscana verbindet. Es ist eine durch Erosion geprägte Region, der durch Verwitterung des Tons, der hier Mattaione heißt, hervorgerufen wird. Die Landschaft wird unterbrochen von sogenannten Biancane, weiße ausgewaschene Hügel, aber auch durch die Calanche. Das sind hohe ausgewaschene Felsabbrüche, die man vor allem unterhalb des Klosters Monte Oliveto Maggiore findet. Die Gegend ist mit nur 600 mm Niederschlag im Jahr sehr regenarm, was sich allerdings in den letzten Jahren drastisch geändert hat. Mittlerweile sind oft nach einem starken Regenguss Straßen gesperrt.

Crete Senesi mit Biancane von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Crete Senesi mit Biancane von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Crete Senesi von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Crete Senesi von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Die Crete Senesi mit den typischen reduzierten Landschaftsbildern der Toscana ist auf vielen Postkarten zu finden. Der Boden ist reich an Tonmineralien, der – wenn es geregnet hat – sich nur mit kleinen Traktorraupen bearbeiten lässt. Kleine Dörfer oder einzelne Höfe sammeln sich auf den Hügeln, viele befestigt gegen die Florentiner. Die Gehöfte liegen gerne auch wegen der Moskitos oberhalb des Tales, denn früher gab es hier in den Sumpfgebieten noch Malaria. Dorthin führt meist ein Weg mit Zypressenalleen: drum herum Felder, soweit das Auge reicht. Das ist das Charakteristische dieser Landschaft, denn das Auge kann sich ausruhen an den großen Flächen mit sattem Grün im Frühling, an dem Gelb, wenn Sonnenblumen angebaut wurden, blühen oder wenn das Getreide reif ist. Oft hat man hier zwei Ernten: Im Frühling wird Gras und die rot blühende Futterluzerne angebaut. Später folgt das Getreide, meist Weizen (grano), bisweilen Gerste (orzo), die zu Graupen verarbeitet wird, Hirse (miglio) und im Val di Merse, wo es feucht ist, kann man auch schon mal ein Reisfeld sehen. Das Tal der Merse ist die Region, die mit ihren vielen Mühlen das Korn für Siena mahlte und immer noch mahlt.

Ist das Getreide abgeerntet, der Boden umgeackert für die Winterruhe, kann man erkennen, wie unterschiedlich die Bodenbeschaffung ist. Hier wird einem erst bewusst, was Terroir bedeutet. Der Boden ist ja nicht überall gleich mineralstoffhaltig. Durch diese verschiedenen Bodenbeschaffenheiten und die durchziehenden Wolken, die Schatten werfen, findet man fast im Minutentakt ein anderes Bild, das man mit der Kamera einfangen möchte.

Crete Senesi mit Zypressenallee von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Crete Senesi mit Zypressenallee von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Die Crete umfasst die Gebiete der Kommunen Asciano, Buonconvento, Monteroni d’Arbia, Rapolano Terme und San Giovanni d’Asso, welche alle in der Provinz Siena liegen.

Cuna

Wenn man auf der Staatsstraße #2 in Richtung Montalcino fährt, sieht man hinter Isola d’Arbia auf der rechten Seite auf einer kleinen Anhöhe ein monumentales Gebäude, das derzeit (2014) restauriert wird: Cuna

Foto: Monika Schau

Grancie di Santa Maria della Scala. Foto: Monika Schau

Das ist die ‚Grancie‘ di Santa Maria della Scala, dem Hospiz gegenüber des Doms von Siena. Die Scala (= Leiter) hat allerdings nichts mit den gegenüber liegenden Treppen zum Dom gemein. Die wurden erst später angelegt, als das Hospitz bereits für die Pilger der Via Frangigena (sprich: Franschiiigena) und als Krankenhaus bekannt war.

Grancie waren festungsartige Lagerhäuser, die wie unsere Zehntscheunen der Aufbewahrung von Lebensmitteln diente: vor allem Getreide, Olivenöl und Wein. Die südliche Toskana war schon damals die Kornkammer Sienas, die verfeindeten Florentiner nicht weit und so mussten die Lagerhäuser verteidigt werden, um die Eigenversorgung auch in unruhigen Zeiten zu sichern. Zum Areal gehörten auch Gutshöfe, Mühlen und Brennöfen zur Herstellung von Ziegel, denn der Ton kam ja direkt aus der Erde.

Cuna, an der Via Francigena, bestand bereits 1152 als Grancie und auch als selbständiges Hospital. Foto: Monika Schau

Cuna, an der Via Francigena, bestand bereits 1152 als Grancie und auch als selbständiges Hospital. Foto: Monika Schau

Entlang der Via Frangigena kommt man durch einen kleinen mit einer Stadtmauer umgebenen Ort: Buonconvento

Der Ort stammt von dem lateinische Bonus conventus und wird schon 1191 urkundlich erwähnt. Nördlich von Buonconvento bei Serravalle starb 1313 der römisch-deutsche Kaiser Heinrich VII. nach erfolgreicher Einnahme des Ortes an einer fiebrigen Erkrankung. Er wollte seine kaiserliche Autorität gegen Robert von Anjou wieder herstellen. 1371 wurde mit dem Bau der Stadtmauern begonnen. Das nördliche Tor Porta Senese steht heute noch, das südliche Haupttor wurde 1944 von deutschen Truppen zerstört.

Foto: Monika Schau

Foto: Monika Schau

Buonconvento wurde wichtigstes Zentrum im Arbiatal. 1480 wurde den Einwohnern die seneser Staatzugehörigkeit zugestanden. Mit dem Untergang der seneser Republik 1555 fiel Buonconvento dem Großherzogtum Toskana, also den Medici, zu.

Vor der Stadtmauer liegt ein interessantes Museum, das über das Leben der Mezzadri erzählt: Das Museo etnographico della mezzadria. Das Museum dokumentiert die Geschichte der Mezzadri auf dem seneser Land bis Ende des 19. bzw. Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellungsstücke zeigen die verschiedensten Gegenstände der Bauern (der Contatini) von Werkzeugen für die Feldarbeit und Gegenstände im Haushalt dieser Zeit auf. Auf Schautafeln ist die komplexe Geschichte des Sozial- und Ökonomiesystems der Toskana dargestellt, der die Contatini unterlagen.

Die Mezzadria (lat. vulgare: ,colui che divide a metà‘) ist ein Agrarvertrag, der zwischen dem Grundbesitzer und dem Kultivierer (Bauer) der Äcker (Mezzadro) beschlossen wird. Man teilt sich normalerweise je zur Hälfte die Produkte und den erwirtschafteten Gewinn des Bauernhofs (Podere). Die Richtung gibt der Grundbesitzer vor. Normalerweise schließt das auch die Familie des Mezzadro mit ein (famiglia colonica). Eine Unterspezies ist die Colonia parziaria, eine Teilpacht, bei der die Familie nicht mit einbezogen wird.

Die Altstadt stammt weitgehend aus dem 14. Jahrhundert und ist gut erhalten. Sehenswert sind auch die Palazzi der Stadt, sowie das beeindruckende Stadttor Porta Senese innerhalb der Stadtmauer, das in den letzten Jahren renoviert wurde.

Ein weiteres Museum, das man in einem so kleinen Ort gar nicht vermutet, ist das Museo di arte sacra della Val d’Arbia, das Museum für sakrale Kunst. Es befindet sich in einem im Jugendstil umgebauten Palazzo, dem Palazzo Ricci Soccini, an der Hauptstraße des Ortes, wo vor allem Werke aus den Kirchen des Arbiatales ausgestellt werden. Unter diesen befinden sich Werke von Andrea di Bartolo, Duccio di Buoninsegna und vielen anderen.

Um den Bericht über die Grancie zu vervollständigen – von diesen Lagerhäusern gibt es noch viel mehr – sollte ich noch auf Serre di Rapolano hinweisen, einem Ort in der Nähe von Rapolano Terme, wo im 13. Jahrhundert ebenfalls eine Grancie entstand, um die Lebensmittel der Crete Senesi zu sichern. Anfang des 15. Jahrhunderts wurde sie zur Festung ausgebaut, 1555 von der Florentinern zerstört, aber kurz danach wieder aufgebaut. Hier findet man das Museo dell’Antica Grancia.

Foto: Monika Schau

Mezzavia – ein Lieblingsort. Foto: Monika Schau

Mezzavia – ein Lieblingsort

Was mir aber besonders am Herzen liegt, ist der Hinweis auf dieses Gebäude auf einem Hügel in der Crete Senesi: Mezzavia. Dazu gibt es eine besondere Geschichte – zumindest für mich. Es muss vor ungefähr 30 Jahren gewesen sein, als wir die erste Malexkursion in die Toscana nach Siena machten. Wir fuhren durch die Crete und fanden einen wunderschönen Platz zum Malen. Das Gebäude, an dem wir uns niederließen, war verfallen. Keine Fenster mehr, keine Türen, eine Ruine. In den mit meterhohen Brennnesseln bewachsenen Hof mit Brunnen traute sich niemand, denn man hätte ja auf eine Schlange treten können. Der Blick war einzigartig und wir kamen jedes Mal wieder. Vor ungefähr vier Jahren suchte ich für uns und unsere Freunde ein Haus in der Nähe von Siena. Anhand der wenigen Fotos in dem Katalog meinte ich, dass ich den Blick irgendwie kennen würde: Mezzavia, was auf dem halben Weg zwischen Taverne d’Arbia und Asciano steht. Als wir immer näher kamen, traute ich meinen Augen kaum. Ein gepflegtes Anwesen, liebevoll mit altem Baumaterial restauriert. Der mit Unkraut bewachsene Hof war als riesige Terrasse umgebaut mit einem Blick, der einen wortlos machte. Ich hatte das wieder gefunden, was ich verloren geglaubt. Als die alte Signora aus dem Fenster schaute und das Tor öffnete, rief ich ihr als Erstes zu: „Signora, aus diesem Fenster habe ich schon ein Lied gesungen.“ Seither kehre ich gerne und oft hierher zurück. Und noch heute fragt sie mich jedes Mal: „Du bist die, die das Haus schon länger kennt als ich …“ Ein wunderbares Anwesen, das von ihrer Tochter gehegt und gepflegt wird. Ein Schmuckstück.

Die nachfolgenden Bilder wurden alle von der Terrasse von Mezzavia aus fotografiert. Ein wunderbarer Ort, um die Seele baumeln zu lassen.

Monika Schau. Foto: Christiane Hartleitner

Monika Schau. Foto: Christiane Hartleitner

Frühling in der Crete Senesi von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Frühling in der Crete Senesi von Mezzavia aus fotografiert. Foto: Monika Schau

Foto: Monika Schau

Foto: Monika Schau

Foto: Monika Schau

Foto: Monika Schau

Foto: Monika Schau

Foto: Monika Schau

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Foto: Monika Schau

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Foto: Monika Schau

Foto: Monika Schau

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Monika Schau schreibt jeden Monat für die Leser der Bamberger Online Zeitung. Jedes Mal ein Mix aus Orts- und/oder Volkskunde und ein Fest für die Sinne – Lebensart eben. Ende Dezember widmete sie sich den  Rauhnächten mit den vielerorts vergessenen Traditionen und den unvergessenen Gerichten. Erst im Mai stellte sie Junges Gemüse vor mit einer Grünen Frankfurter – nein! – Bamberger Sauce. Im April entführte sie uns nach Budapest und in die dortigen Markthallen, rezitierte das Revolutionsgedicht von Sandor Petőfi und reizte die Sinne nicht nur mit Mohnstrudel. Bereits im Februar wollte sie mit dem Winter ade-Menu und einem Vorwort zum Pferdefleisch ins Frühjahr starten und erzählte uns für die Nachspeise etwas über Cedri. Zuvor waren wir mit ihr in Venedigs Karneval und Leckereien. Das Jahr 2013 begann mit Gaumenschmaus und Seelenfutter – Die Küche im Wiener Kaiserreich, einem Januar-Menue aus Rinderbrühe, dem perfekten Wiener Schnitzel und Palatschinken. Das Jahr 2012 schloss mit einem typisch fränkischen Dezembermenü: A ganz a schööns Gänsla. Wobei natürlich das Gänseschlachten mit einem Schluck zur Stärkung zwischendurch zelebriert werden muss. Zuvor wurden unsere Leser schon mal vorbereitet Die Sau ist tot. Mit der Kochschule der Besseresser ist Monika Schau bekannt. Die Herbst/zeit/lose Gerichte sind ja nicht ganz so herbstzeitlos, wenn man Kürbis, Steinpilze und Spitzkraut bedenkt. Monika Schau gab bislang auch Tipps für Gerichte, bei denen es wohl nicht für Alle eine Freude ist, sie nachzukochen und vor allem zu essen. Es gibt nämlich nur wenige Kochbegeisterte, die sich an solche Gerichte überhaupt rantrauen: Das Unessbare auf den Tellern hat einen Namen: Innereien. Im vergangenen September zitierte sie Lea Linster, eine der besten Köchinnen Luxemburgs: Wenn Du das Huhn, das Du in die Röhre schiebst, nicht liebst — lässt es Dich im Stich. Im Sommer entführte sie uns in die Cuina Catálan: Unser Sommermenü: Mar y muntanya / Meer und Berge. Ihr Eingangsmenu bei der OnlineZeitung stammte ebenfalls aus der Kochschule für Besseresser: Die neue esS-KLASSE. Im Sommer empfahl sie als Sommermenue: Barbecue mit fried green tomatoes und Kritisches zum Junkfood, entführte unsere Leser in die  Kellerzeit und nach Ligurien – Das Land wo die Zitronen blühen.

Im September ging es in die Provence: Baguette, Bouillabaisse mit Rouille und danach Tarte tatin. Überall ist jetzt von Queller die Rede, im Oktober auch bei uns Gaumenkitzel. Herbstliches Seelenfutter Wissen Sie, dass Kartoffelbrei glücklich macht? Natürlich selbst gemacht und nicht aus der Packung. In “Gessn werd daham” eine Liebeserklärung an – was wohl? Das Menu zum Frühjahr In Cod We Trust(ed) bietet neben Rezepten für Fischklößchen, Kabeljau in Senfsauce sowie die Anleitung einer Court Bouillon und einer Aprikosensuppe mit Schokotörtchen wieder allerhand Wissenswertes über das Drumherum. Und natürlich geschmückt wieder mit eigenen wunderbaren Photos. Zu Beginn tangiert sie das Thema Überfischung vor Neufundland. In Normandie – das Schlaraffenland gibt sie einen Einblick in die Küche der Normandie  und ihre Bemühungen um die “Boulangerie tradition”. Außerdem erhält man endlich Antwort auf die Frage: “Warum sind Butter und Käse aus der Normandie so unglaublich lecker?”. In einem zweiten Beitrag zur NormandieNormandie / Meeresgetier – Charcuterie – Desserts widmet sich Monika Schau der Esskultur der Franzosen. Denn allein die Präsentation der Speisen zeugt von einer Hingabe der ganz besonderen Art: ein Wunder, das eigentlich hinter Saarbrücken bereits anfängt.