Redaktion
Unser Lesetipp gilt mal wieder der WeBZet. Bereits die Überschrift »Profiteure sind nur die Veranstalter« deutet die Eventisierung und damit die einhergehende Banalisierung von „Veranstaltungskultur“ (O-Ton der städtischen Pressestelle) an. Anlass ist der Beitrag von Reiner Dietz in der jüngsten Inselrundschau, der Vereinszeitung des Bürgervereins Bamberg Mitte. Gewohnt deutlich findet der Autor klare Worte anlässlich der öffentlichen Auseinandersetzung und der zuvor geäußerten Kritik an den überhand nehmenden Events, für die der öffentliche Raum der Innenstadt in den letzten Jahre herhalten musste. In keiner Institution – nicht mal bei der Stadt selbst – laufen die Fäden der bürgerlichen Kritik so stringent zusammen. Offensichtlich weil man diese dort ernst nimmt. Unter anderem fprdert Dietz eine Untersuchung, die die Vorteile für den städtischen Handel belegen. Die Vorbereitungen für eine solche liegen seit längerem in den Schubladen des Rathauses, doch der Oberbürgermeister zögert mit seiner Unterschrift. Die Verbandelung mit dem Stadtmarketing stehen einer Unterstützung einer solchen wissenschaftlichen Untersuchung im Weg, fürchtet man wohl die Ergebnisse. Denn der innerstädtische Handel dürfte tatsächlich nicht der stärkste Profiteur der auswechelbaren Veranstaltungen sein. Im Anhang lesen Sie den Beitrag von Reiner Dietz im Wortlaut:
Reiner Dietz
Zahlen, bitte!
Die Diskussion um Großveranstaltungen in der Innenstadt braucht eine vernünftige Grundlage
Um es gleich vorneweg zu sagen: „Bamberg zaubert“ interessiert mich ungefähr so sehr wie die Sandkerwa oder andere Großereignisse, nämlich wenig bis gar nicht. Betroffene Gebiete meide ich meistens großräumig. Trotzdem freue ich mich über diese Veranstaltungen (zu denen auch der Bürgerverein Mitte mit dem von uns veranstalteten Antikmarkt beiträgt) und möchte sie nicht missen, denn auch ich profitiere davon, in einer bunten und lebendigen Stadt mit einem vielfältigen Angebot zu leben, in der sich viele unterschiedliche Menschen wohlfühlen.
Kriterien benennen
Im Frühjahr und Sommer dieses Jahres waren die Großveranstaltungen und ihre Konsequenzen für Bevölkerung und Handel Gegenstand ausgeprägter Diskussionen in Öffentlichkeit, Verwaltung und Politik. In diesen Auseinandersetzungen wurde zu wenig berücksichtigt, dass man klare Kriterien braucht,um (politisch) beurteilen zu können, ob etwas richtig oder sinnvoll ist. Diese sind aus Sicht des Bürgervereins
- Die Interessen der Bamberger Wirtschaft, speziell des Einzelhandels, dem ein möglichst günstiges Geschäftsumfeld ermöglicht werden soll und
- Die Interessen derer, die in der Innenstadt wohnen, an einem lebenswerten Wohnumfeld.
Bereits hier wird deutlich, dass das Thema nicht nur konfliktträchtig ist, sondern dass Interessensüberschneidungen bestehen, denn eine wohnortnahe und bunt gefächerte Einzelhandelslandschaft, die eine Zukunftsperspektive hat, ist uns allen wichtig, genauso wie dem Handel an einem einvernehmlichen Umgang mit seiner Kundschaft gelegen ist. Wie schwierig die Bedingungen für den Handel durch Konkurrenz von grüner Wiese und Internet geworden sind, muss hier nicht erläutert werden. Nicht zuletzt deshalb sage ich, dass wir als Innenstadtbewohner bereit sein müssen, Opfer und Einschränkungen hinzunehmen, wenn dies die Zukunftsperspektive von Geschäften sichert.
Unterschiedliche Rückmeldungen des Handels
Allerdings: Letzteres muss dann gesichert sein. Und hier sehe ich das erste Fragezeichen, denn die Rückmeldungen, die wir aus Gesprächen mit Händlern bekommen, sind sehr unterschiedlich: während sich die Einen über Umsatzsteigerungen freuen, beklagen andere Einbußen im zweistelligen Prozentbereich. Es scheint ein Zusammenhang mit Lage und Branche zu bestehen. Von vielen Geschäftsleuten wird die Überzeugung geäußert, dass bei Großveranstaltungen die Stadt so voll von Gästen ist, die nur das Kulturangebot genießen wollen, dass die, die nur einkaufen wollen, gar nicht erst kommen. Das ist nicht so unplausibel, dass es sich nicht lohnen würde, es zu überprüfen. Dies ist für Bamberg unseres Wissens bisher nie systematisch von neutraler Seite aus geschehen.
Leidige Diskussionen beenden?
Die Akzeptanz der Veranstaltungen bei der Bevölkerung wurde im Frühjahr dieses Jahres vom Bamberger Centrum für empirische Studien (BACES) repräsentativ untersucht. Es fällt auf, dass seitens der Innenstadtbewohner erstaunlich hohe Zustimmungswerte und vergleichsweise geringe Beeinträchtigungen geäußert werden. Also, so wurde es in der Folge kommuniziert, was wollen denn die paar Querulanten, die alles schlecht reden, wenn sogar die große Mehrheit der Innenstadtbewohner die Veranstaltungen begrüßt? Die leidigen Diskussionen sollten hiermit jedenfalls beendet werden.
Die Untersuchung (in Auftrag gegeben von einem Mit-Veranstalter von Innenstadt-Großevents) hat allerdings eine entscheidende Schwäche: Der Begriff „Innenstadt“ ist viel zu großzügig definiert. Es handelt sich nämlich um alles, was nicht Berggebiet, Gartenstadt, Gaustadt, Bamberg-Ost oder Wunderburg ist. Welcher Bewohner der Mayerschen Gärtnerei oder des Haingebiets soll denn glaubhaft die Frage bejahen, ob er sich durch Innenstadtevents persönlich beeinträchtigt fühlt? Wenn man sich für die Anliegen der Betroffenen wirklich interessiert, muss man das Untersuchungsgebiet konzentrieren, im Wesentlichen auf Teile des Gebiets innerhalb des innerstädtischen Rings und einiger zusätzlicher Bereiche. Gerade im Hinblick auf die wichtigste Frage ist die Studie ohne Aussagekraft.
Was tun?
Was müsste nun geschehen, um die Diskussion in Bahnen zu lenken, die über den Austausch von verhärteten Positionen hinaus gehen? Als erstes schlage ich, wie gesagt, vor, solide, nicht von Eigeninteressen verwässerte Daten zu erheben, sowohl über die Effekte für den Handel als auch über die Situation der betroffenen Anwohner. Hierzu würden neben Befragungen z.B. auch von unabhängiger Seite durchgeführte Lärmmessungen zählen – unverständlich, dass das bisher nur auf ausdrückliches Bemühen von Privatpersonen, teilweise mit anwaltlicher Unterstützung, geschieht.
Die richtigen Fragen stellen
Klar muss sein: Die Veranstaltungen in der Innenstadt sind in erster Linie nicht Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Erreichung anderer Zwecke. Das scheint mir teilweise vergessen zu werden. Es sollte selbstverständlich sein, immer wieder zu überprüfen, ob sie zur Erreichung der Ziele – Steigerung der Umsätze des Einzelhandels und Steigerung der Attraktivität der Innenstadt – tatsächlich geeignete Mittel sind. Somit müssen andere Fragen gestellt werden: Es geht nicht darum, wie ein Festival gestaltet werden muss, damit es möglichst viele Besucher anlockt, sondern wie der Bamberger Handel optimal profitiert (und die Anwohner so wenig wie möglich belastet werden). Das ist nicht unbedingt dasselbe.
Public Viewing verlagern
So gesehen gibt es z.B. keinen Grund, Sportveranstaltungen auf Großleinwand am Maxplatz zu übertragen. Die Belastungen für die Anwohner sind immens, der Handel profitiert in keinster Weise, die Bewirtung wird in bester Schnäppchenmentalität auswärtigen Firmen übertragen, wenn sie höhere Standgebühren zahlen als einheimische. Profiteure sind nur die Veranstalter. Die einzige Frage im Zusammenhang mit Public Viewings auf dem Maxplatz ist für mich, wer überhaupt auf die Schnapsidee gekommen ist, diese zu genehmigen. Sie können auch außerhalb der Innenstadt stattfinden.1
Kein „weiter so“
Es kann nicht sein, dass die Bewohner und teilweise auch der Handel der Innenstadt für die Bespaßung der Region in Geiselhaft genommen werden. Und es kann nicht sein, dass Personen, die sich dazu kritisch äußern, sogar von offizieller Seite diffamiert werden. Hiergegen wird sich der Bürgerverein Mitte auch weiterhin engagieren. À propos: Unsere Mitgliederzahl hat sich in den letzten Jahren mit Menschen aus den verschiedensten Alters- und Bevölkerungsgruppen mehr als verdoppelt. Wenn wir bei Neumitgliederversammlungen nach der Motivation für den Eintritt fragen, wird am häufigsten Unzufriedenheit mit bzw. Sorge wegen einer zu wenig am Gemeinwohl orientierten Innenstadtpolitik genannt. Wenn wir zynisch wären, würden wir „weiter so!“ sagen.
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1 Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang, dass die Bereithaltung als Großbühne dauerhaft jegliche Entwicklung des Maxplatzes blockiert.
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Öffentliches Hearing zu den Veranstaltungen in der Innenstadt Weder Daten, Fakten noch Messergebnisse / Die neue Inselrundschau ist da! / Anwürfe nicht nur nächtens / Ob Herr Stieringer das weiß? / SPD und der Blues – mögen Superlative unseren Weg säumen / Veranstaltungen in der Innenstadt – Stadtrat beschließt mehr Aufgaben für die Verwaltung und für die Betroffenen / Events am Maxplatz: Wo die CSU Recht hat, hat sie Recht / Events in der Innenstadt: Das sagen die Innenstädter / Sinn und Unsinn von Umfragen / Bürgerbeteiligung – das Lippenbekenntnis / Sperrzeit: die Verkürzung und die Ausnahmen / Masterplan Innenstadt und Stadtmarketing: Der Wert einer Unterschrift / “Bamberg ist kein Rummelplatz” – zur Lärmbelastung der Innenstadt / OB Starke: Danke an Stadtmarketing und “Bamberg ist kein Rummelplatz” / Das Festival und die Geräusche / Event oder ein ganz normales Straßenfest? / Nicht öffentliches “PublicViewing”: Die Mauer bröckelt / Bamberg übt den Mauerbau