Sinn und Unsinn von Umfragen

 Kommentar

Welchen Sinn machen gelenkte und tendenziöse – man darf wohl das Wort „suggestiv“ auch verwenden – Umfragen, ohne Unterschrift und Namensnennung der Befragten? Beispiele in Bamberg gab und gibt es allenthalben. Jüngste Beispiele sind die in den örtlichen Medien publizierten (auch von diesen in Auftrag gegebene und zum Teil von diesen durchgeführte) Umfragen zu den großen und kleinen Veranstaltungen in der Bamberger Innenstadt.

Hierzu bedarf es eines kleinen Umwegs, der in die Tiefen der Presselandschaft führt. Derzeit wird ein Umfrage des Handelsblatts bezüglich der neuen Partei „Alternative für Deutschland“ diskutiert (hier). Die Fragestellungen des Handelsblatts sind denen der Bamberger Anzeigenblätter ähnlich: „Die neu gegründete Alternative für Deutschland stößt bei den anderen politischen Kräften auf massive Kritik. Wie stehen Sie zur AfD, würden Sie der Partei bei der Bundestagswahl Ihre Stimme geben?“

Der einleitende Satz muss als „massiver, extremer Impuls“ bezeichnet werden

Die Bamberger Frage: „Die Bamberger CSU hat heftige Kritik an den Veranstaltungen „Bamberg zaubert“, „Blues & Jazzfestival“, „Bamberger Weinfest auf dem Maxplatz“ sowie „PublicViewing“ geäußert und fordert eine Reduzierung von Veranstaltungen in der Bamberger Innenstadt. Unterstützen Sie diese Forderung der Bamberger CSU?“ Dem einleitenden Satz folgt also die Formulierung der Frage. Der einleitende Satz muss in diesem Fall als „massiver, extremer Impuls“ bezeichnet werden, ebenso wie Richard Hilmer vom Institut Infratest dimap die Umfrage des Handelsblatts bewertet. „Der Hinweis auf die Kritik der anderen politischen Kräfte könnte Befragte für sich einnehmen, die den etablierten Kräften negativ gegenüberstehen. Sie würden dadurch verleitet, zugunsten der AfD zu antworten.“ Der Forscher Armin Scholl, Professor der Uni Münster und Autor mehrerer Standardwerke zur Befragung, sieht das genauso: „Der Wortlaut der Frage ist Stimmungsmache. Die Antwort wird gleich mitgeliefert: Die Leute sollen aus Protest AfD wählen, weil die anderen Parteien dagegen sind.“

Was passiert hier?

Vor allem passiert eines: keine Vermittlung von Hintergrund-Informationen und kein Fakten-Check.

Gesellschaftsrelevante Anliegen sind komplex und bedürfen eines hintergründigen Diskurses aller Beteiligten. In der Regel sind dies langwierige Prozesse, die von Experten analysiert und begleitet werden müssen. Zugegeben: Das ist mühsam, kostet Zeit, erwartet logische Kompetenz und Einsatzbereitschaft. Hintergrundinformationen müssen akribisch aufgearbeitet werden, sämtliche relevanten Fakten zusammengetragen und offen dargelegt werden. Die über viele Wochen laufende Schlichtung zu S21 kann durchaus in diesem Zusammenhang als Beispiel gebracht werden, sie war nötig, weil ebenjener Diskurs nicht stattgefunden hatte. Ein Versäumnis, das sich bitter rächte – erinnert sei an jene schrecklichen Szenen im Schlossgarten, wo Wasserwerfer auf friedliche Demonstranten schossen.

Umfragen als Instrument der Manipulation

Um sich dem mühsamen Prozess eines gesellschaftsrelevanten Diskurses zu entziehen und eine Pseudomitwirkung vorzugaukeln (und um vielleicht nicht alle Fakten auf den Tisch legen zu müssen), erfreuen sich Umfragen immer größerer Beliebtheit. Entsprechen deren Ergebnisse den Erwartungen, können gezielt Entscheidungsträger beeinflusst, ja manipuliert werden. So geschehen in der letzten Vollsitzung des Bamberger Stadtrats, wo auf jedem Platz die Anzeigenschrift WOBLA auslag mit der Ankündigung „Was denken die Bamberger Unternehmer?“, eine Umfrage, die bereits vom Citymanager Klaus Stieringer eifrig beworben wurde und wird (hier).

Besonderheit: Online-Abstimmungen

Online-Abstimmungen sind vor allem ein Marketing-Instrument. Und sie funktionieren in dieser Form am besten, wenn über kontroverse Themen abgestimmt wird. Die, die zur Abstimmung stehen, werden alles unternehmen, um per Mail und über die sozialen Netzwerke wie Facebook o.ä. auf die Umfrage aufmerksam zu machen. Eine bessere und persönlichere Weiterempfehlung kann man sich als Veranstalter nicht wünschen. Es geht lediglich darum, eine hohe Aufmerksamkeit auf die Website und ggf. die im Umfeld beworbene Produkte zu erzielen. Ebenso geht es darum, Links auf die Website zu generieren, um ein gutes Google-Ranking zu erreichen, da Links auf eine Website für Google ein Indiz dafür sind, dass eine Website eine gewisse Relevanz besitzt. Problematisch ist eine Online-Abstimmung ebenfalls, genauso wie nicht repräsentative Passantenbefragungen nach dem Zufallsprinzip, wenn – wie bei einigen Online-Medien schon vorgekommen – das Ergebnis einer Meinungsabstimmung später in einer Meldung oder gar Pressemeldung als quasi-repräsentativ verkauft wird, wie nun die SPD annimmt (hier). Dies ist nicht nur aus technischer Sicht Unsinn, sondern allein schon aufgrund der Tatsache, dass eine Online-Umfrage spezielle Personenkreise anzieht. Das Problem, warum eine Online-Umfrage neben der fehlenden Repräsentativität wenig glaubhaft ist, ist trivial: Es kann nicht sichergestellt werden, dass jeder nur eine Stimme abgibt.