Quartier an der Stadtmauer: hohe Erwartungen

 Redaktion

Es war seine erste Sitzung als neuer Baureferent. Thomas Beese ist jedoch kein Neuling, sondern seit 1996 im Stadtplanungsamt tätig, kennt demnach die Gemengelage am Quartier an der Stadtmauer – Erwartungen der Eigentümer, Investoren, Denkmalpfleger, Stadtgestalter, Einzel- und Großhandel, Stadtspitze und -räte bis hin zum Bestand des Areals. Und doch ist es ihm nicht gelungen, die Räte auf seinen Vorschlag zu vereinen. Dieser zielte darauf ab, die weiteren Verhandlungen und Planungen auf ein Investorenkonzept (Nr. 2 von Laren Development) zu konzentrieren, das erstmals einen Erhalt der Denkmäler in der Hellerstraße aufzeigte, allerdings zulasten vergrößerter Ankermieter in der Langen Straße und der Franz-Ludwig-Straße.

Das Quartier an der Stadtmauer ist eine einmalige Chance

Beese eröffnete seinen Sitzungsvortrag mit einer Rückschau in die Jahre 1974/75, als das C&A Gebäude in der Franz-Ludwig-Straße ermöglicht wurde, für das die Rückgebäude von Keßlerstraße 13, 15, 17, 19 abgebrochen und Nr. 11 neu errichtet wurden und zum Teil erhebliche Schäden im rückwärtigen Bereich der Vorderhäuser entstand. Als neuer Baureferent vermied Beese es, eine Stadtplanung anzuregen. Eine Stadtplanung, die angemessene Antworten für Neues Bauen im Herzen eines Welterbes betreibt, nämlich relevante Punkte zu diskutieren: Denkmalverträglichkeit, Entwicklung der Stadt mit den räumlichen und sozialen Strukturen, wie das Verhältnis von Wohnen, Arbeiten und Handel, Verkehrsanbindung und Anspruch der Architektur. Eine Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange fand nicht statt. So stand auch seine Empfehlung auf wackligen Beinen. Denn nach den von engagierten Vereinen initiierten Diskussionsforen „Neues Bauen in alter Stadt“ und dem fachlichen Austausch bezüglich des Quartiers an der Stadtmauer sind zum einen die Wertschätzung des Areals enorm und der Anspruch auf dessen Gestaltung und Nutzung gereift. Ein Investor, mag dieser auf einzelne Punkte noch so einfühlsam agieren, kann Stadtplanung nicht ersetzen. Ein zentraler Punkt wird künftig die „Durchwegung“ des Quartiers sein. Inwieweit überhaupt eine Änderung des historischen Straßenverlaufs mittels einer Durchwegung dem Stadtdenkmal verträglich, ob sie dem Einzelhandel zuliebe erforderlich ist, welche Folgen dies für das Straßengefüge und die dabei entstehenden Platzwände haben würde, ob eine hierarchische Ordnung der neu zu schaffenden Wege angedacht ist – denn diese sind für die Inselstadt existent mit den Hauptarmen und den schmaleren Gassen – diese Antworten blieb er schuldig.

So nahm die Sitzung des Bausenats seinen Verlauf

Herr Gottschall, Direktor der Sparkasse Bamberg, stellte eingangs fest, dass die Entwicklung des Areals nunmehr seit 1997 vorangetrieben werde (Nächste Runde “Quartier an der Stadtmauer”). Der Rück-Umzug in das Gebäude am Schönleinsplatz finde nun im Februar/März statt. Nach dem so „hoffnungsvoll“ gefeierten Architekturwettbewerb von 2012 sei mittlerweile Stillstand eingetreten, so dass die Sparkasse Bamberg, die immerhin eine eigene Immobilienabteilung besitzt und Häuser sowie Gewerbeobjekte in Bamberg vertreibt, notgedrungen die Unterstützung von Drees & Sommer, einer Firma für Entwicklung und Beratung, Infrastrukturberatung, Projektmanagement und Engineering sowie Immobilienberatung, aufgesucht habe. Dr. Harlfinger von Drees & Sommer legte dar, dass nach 16 Monaten gezielter Investorenansprache, ständiger Rücksprache mit dem städtischen Baureferat und einer anschließenden Selektion nurmehr zwei Bieter übrig geblieben seien. Die Neubebauung könnte 2018 abgeschlossen sein.

Entwicklungen von Developments

Fokus Development, Vogelperspektive

Fokus Development, Vogelperspektive

Axel Funke von Fokus Development, Nachfolger / Abspaltung von Mulit Development, eine mit demselben Personal für Bamberg seit Jahren agierende Investorengruppe, stellte das bekannte Konzept vor, nun mit neuem Namen: „Höfe an der Stadtmauer“. Nicht verändert hat sich die Planung mit der Durchwegung des Areals in Hofbereiche, wobei der heutige Parkplatz zu einem attraktiven Innenhof gewandelt werden könnte, und den 3 Ankermietern, die eine komplette Ausradierung der Denkmäler in der Hellerstraße für nötig erachtet.

Laren Development, Erdgeschoss

Laren Development, Planung Erdgeschoss

Der zweite Bieter, Laren Development (2005 schon einmal mit dem Projekt befasst) mit Investor Laren und Planer Fischer von Dounges und Fischer aus Regensburg. Der Charme dieser Planung liegt zwar in der Erhaltung der Häuser Hellerstraße 11–15 und einem insgesamt hohen Grünanteil. Allerdings muss sich der Einsatz rechnen, sodass eine Konzentration auf 2 Ankermieter in der Langen Straße und der Franz-Ludwig-Straße statt findet, deren Masse beachtlich ist und einer Überarbeitung bedarf. Eine architektonische Fassadengestaltung liegt noch nicht vor, lediglich grobe Grundrisse, die die Flächennutzung zeigen. Eine Anmutung der Gebäudekubatur konnte vorgelegt werden. Grundsätzlich übt dieser Entwurf einen Verzicht auf die vom Stadtrat 2008 beschlossene Durchwegung, „Innen will keiner hin“,  und die hiermit angestrebte großzügige Anbindung der das Areal umgebenden Einkaufsstraßen – eine Absicht, die bereits bei den Theatergassen gescheitert ist. Durchgangsläden seien allerdings geplant.

Die Aussprache im Bausenat brachte grundlegende Einigkeit, doch keine Entscheidung

Herr Röckelein von der CSU votierte für Bieter 2, mochte aber auf einen zentralen Platz und eine Durchwegung nicht verzichten. Dr. Hohmuth von der SPD schloss sich dem an und forderte darüber hinaus eine kleinteilige Dachlandschaft. Frau Sowa (GAL) monierte das Fehlen einer grundlegenden Bestandsaufnahme des Geländes, was nach 17 Jahren immer noch ein Versäumnis ist. Zudem sei die Dichte und Masse von Konzept 2 indiskutabel und die Mikwe bedürfe eines respektvollen Umgangs. Herr Lauer (Freie Wähler) schloss sich den Argumenten von CSU / SPD an, plädierte für eine Stadtreparatur, sah aber in einer Durchwegung durchaus Problemfelder durch entstehenden nächtlichen Lärm und will die offenen Zugänge abschließbar machen. Herr Tscherner schlug die Möglichkeit einer Überarbeitung beider Planungen vor. Herr Neller (CSU) wollte die nächtliche Durchwegung ebenfalls eingeschränkt wissen. Für Frau Reinfelder seien beide Entwürfe enorme „Kröten“, brachte einen neuen Gesichtspunkt in die Diskussion ein: „dass auch die zu hohe Gewinnerwartung der Sparkasse Schuld sei an der langen Planungsphase sowie am daraus folgenden überdimensionierten Raumbedarf“. Herr Kuntke (SPD) schloss sich einer weiteren Bearbeitungsmöglichkeit durch die beiden Investoren an.

Bei den folgenden Antworten der Investoren wird das städtische Versäumnis einer fehlenden Stadtplanung besonders deutlich. Die Voraussetzungen für die Investoren ändern sich binnen eines kurzen Zeitraums, deren grundsätzliche Eignung ist fraglich und die Wirtschaftlichkeitsberechnung werden obsolet: Funke von Focus Development gab zu bedenken, dass die Gebäude in der Hellerstraße in einem desolaten Bauzustand seien und die niedrige Deckenhöhe die Nutzbarkeit sehr stark einschränken würde. Wittmer von Laren Development signalisierte Bereitschaft zur Überarbeitung, bat um den Zuschlag, da eine Detailplanung äußerst kostspielig sei. Eine solche Vorgehensweise führt jeden Planer an die Frustrationsgrenze, kann vielleicht die Verhandlungsposition der Sparkasse stärken.

Nach einer kurzen Beratung wird die Verwaltung beauftragt, mit beiden Bietern die städtebaulichen und denkmalpflegerischen Ziele bestmöglich umzusetzen:

a. den Erhalt der Gebäude in der Hellerstraße
b. die Erhaltung der Stadtmauern in situ
c. Herstellung einer öffentlichen Durchwegung
d. Herstellung eines öffentlichen und zentralen Platzes
e. ein verträgliches Maß der baulichen Nutzung
f. eine stadtverträgliche Anlieferung der Waren
g. eine angemessene Nutzung der jüdischen Mickwe

Es wird erwartet, dass die Entwürfe innerhalb von drei Monaten vorgelegt werden. Der – dann neu gewählte – Bausenat soll sich für eines der beiden Konzepte entscheiden.

Nordost- bzw. Feldseite der älteren Stadtmauer als Rückwand des südlichen Nebengebäudes von Franz-Ludwig-Straße 12 entlang der Parzellengrenze zum Parkdeck von Lange Straße 27. Foto: Die Kunstdenkmäler von Oberfranken Stadt Bamberg Stadtdenkmal und Denkmallandschaft, 1. Stadtentwicklungsgeschichte

Nordost- bzw. Feldseite der älteren Stadtmauer als Rückwand des südlichen Nebengebäudes von Franz-Ludwig-Straße 12 entlang der Parzellengrenze zum Parkdeck von Lange Straße 27. Foto: Die Kunstdenkmäler von Oberfranken Stadt Bamberg Stadtdenkmal und Denkmallandschaft, 1. Stadtentwicklungsgeschichte

„Wenn sie (gemeint ist die Stadtmauer, Anm. d. Red.) gefunden wird, fügt sie sich ins Lager ein“ Laren Development

An dieser Stelle soll die Sorge um die Stadtmauer und deren Erhalt und Einbindung ins Quartier formuliert werden. Bei einer Ausschachtung solchen Ausmaßes sind Einsturz und „formschöner“ Versatz zu befürchten – was mit Denkmalpflege nichts gemein hat.

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