Masterplan Innenstadt: Bürgerbeteiligung erwünscht oder nicht?

von Christiane Hartleitner

Lange Straße. Foto: Erich Weiß

Die Themen für mehr Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene sind ebenso mannigfaltig wie zahlreich, auch und gerade in Bamberg:

Masterplan Innenstadt – IG Hainbad – Bürgervereine, Schutzgemeinschaft Alt Bamberg, Historischer Verein, Bewahrt die Bergstadt – 4-gleisiger-Bahnausbau – Unterschriftenaktionen (Weinberg / Busterminal am Weidendamm / Nachverdichtung Hain / Uferweg Schiffbauplatz / Atomkraft / Untere Mühlen) – Quartier an der Stadtmauer – Einsatz der Innenstadtbewohner gegen Lärm- und Geruchsbelästigung – modernes Bauen in alter Stadt

Immer wieder und äußerst hartnäckig melden sie sich zu Wort, meist mit unbequemer Haltung: die politisch engagierten Bürger. Als bürgerschaftliches Engagement wird das freiwillige, nicht auf finanzielle Vorteile gerichtete, das Gemeinwohl fördernde Engagement von Bürgern zur Erreichung gemeinsamer Ziele genannt. Im Gegensatz zum hoheitlichen Handeln der Verwaltung oder des Staates nehmen hier die Bürger etwas selbst in die Hand. Halt! Da stimmt schon die landläufige Definition nicht mit der ursprünglichen Demokratieauffassung überein, denn eigentlich ist der Staat oder die Verwaltung eine Selbstverwaltung der Bürger!

Dabei sein und Dagegen sein gehören gleichermaßen zum Bürgerengagement 

Die Vorteile liegen auf der Hand: Werden Bürger selbst aktiv, hat dies in der Regel positive Auswirkungen, die Akzeptanz gemeinsam erarbeiteter Lösungen steigt. Das Verständnis für „gelebte Demokratie“ und für die Notwendigkeit, Ziele durch eigene Willensäußerung und aktives Handeln zu erreichen, wachsen. In Bamberg ist das Spektrum politischer Partizipationsversuche enorm, zahlreiche Vereine und Gruppierungen fordern ihr Mitspracherecht ein. Der Stadtrat könnte sich dieser Bürgerressourcen konkret nutzbar machen, wenn — ja, wenn er nur wirklich wollte …

Hinter der offiziellen Begeisterung für bürgerschaftliches Engagement vermuten Viele die Suche nach einem Verschiebebahnhof für scheinbar unlösbare Probleme, eher werde kommunale Bürgerbeteiligung häufig als Demokratisierung der Machtlosigkeit erfahren, die auf Dauer die Bereitschaft zum Engagement enttäuscht. Daneben malen empirische Hinweise ein Zukunftsszenario, bei dem die Tätigkeit starker Verbände und Vereine ausgeblendet wird, wobei Staat und Verwaltung ihre Initiativ-, Steuerungs- und Kontrollkompetenz behaupten, wenn nicht sogar ausbauen können.

Was heißt das? Wird der Bürger für staatliche Zwecke instrumentalisiert? Wie ist das in Bamberg? Auffallend ist, dass meist Einzelpersonen für ihr Engagement ausgezeichnet wurden, selten Vereine oder eine Vereinstätigkeit – ein signifikantes Zeichen, dass nur das Klein-Klein beherrschbar scheint.

Eine klare Aufteilung der Funktionsbereiche zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität

Eine besondere Beteiligungsform sind die stadtteilbezogenen Verfahren, wie das Mediationsverfahren „Zukunft Innenstadt“, das 2008 im Masterplan Innenstadt mündete. In fünf Werkstattsitzungen erarbeiteten über 40 Ehrenamtliche in Begleitung zahlreicher Experten aus den Bereichen Stadt, Verkehrsentwicklung, Wirtschaft und Tourismus ein umfangreiches Paket mit 7 Oberzielen sowie 27 Handlungs- und Maßnahmenempfehlungen für den Stadtrat. Teil dieses Pakets war die Verkehrsberuhigung der Langen Straße. Die Stadtverwaltung lobte die damals gefundenen Vorschläge mit den Worten: „… setzt die Gestaltungsplanung vorrangig auf eine klare Aufteilung der Funktionsbereiche zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität“ und weiter: „Durch den Flächenzugewinn auf den Gehwegen können in der Folge eine Vielzahl der formulierten Anregungen für den Planungsbereich verwirklicht werden: mehr Bewegungsraum für Passanten, Erweiterung bestehender Freischankflächen, zusätzliche Freischankflächen für Tagesgastronomie, neue Sitzgelegenheiten, neue und ergänzte Fahrradabstellanlagen, klare Flächenzuteilungen für Warenauslagen, Begrünung.“

Die Engagierten kritisieren grundsätzlich die Lobbyarbeit einiger Beteiligter

Was will man mehr, möchte man meinen. Warum nicht gleich beschließen und umsetzen? Zunächst nimmt der Stadtrat die Planungen lediglich zur Kenntnis, doch am Ende gelingt es, im Haushalt 2012 Mittel bereit zu stellen – doch eine Umsetzung der mühevoll gefundenen Lösung ist damit noch lange nicht garantiert. Noch sind die Engagierten nicht gänzlich mutlos, kritisieren aber grundsätzlich die Lobbyarbeit einiger ebenfalls am Prozess Beteiligter – und das bis heute: Allen voran habe das Stadtmarketing entgegen der Zusage und Unterschrift gegen die Absprachen Stimmung erzeugt und „Behauptungen ohne Grundlage“ geäußert. Damit wäre damals um ein Haar das gesamte Paket gescheitert. Dies droht nun neuerdings, verunglimpft Stadtrat und Stadtmarketing-Geschäftsführer Klaus Stieringer bereits die engagierten Bürger als „eine kleine Gruppe von Unzufriedenen„.

Ein brisantes Thema packte der Bürgerverein Bamberg Mitte an: das Quartier an der Stadtmauer. Mit einem Sonderheft der Inselrundschau lud der Verein alle an diesem komplexen städtischen Großprojekt Beteiligte an einen Tisch bzw. mit einem Beitrag in ihr Heft ein (als Download unter www.bvm-bamberg.de). Dieses praktizierte und ausgewogene Bürgerengagement dient der Transparenz einer scheinbar verfahrenen Situation. Bedauerlicherweise wird dieses Heft – obgleich ein eigener Aufsatz des städtischen Planungsamtes enthalten ist – von städtischer Seite offiziell ignoriert. Weder im stadteigenen Rathaus-Journal noch in der hiesigen Print-Tagespresse fand man es einer Zeile wert.

Noch ein Beispiel für nicht gelungenes Bürgerengagement: Über 15 Monate erarbeiteten 36 Teilnehmer im Mediationsverfahren „Mobilität im Berggebiet“ unter städtischer Leitung eine Konvention mit 14 Pilotprojekten. Die einmalige Identität der Bamberger Bergstadt gilt es zu bewahren und gleichzeitig die Lebensqualität der Anwohner zu schützen. Durch einen möglichst breit gefächerten Teilnehmerkreis – vertreten waren Bewohner und Bürgervereine, aber auch Einrichtungen wie Kirche, Sozialstiftung, Schulen, Kinder- und Seniorenbetreuung sowie Interessensgemeinschaften und Wirtschaftsverbände – wurden alle relevanten Interessenslagen erfasst. Zudem unterstützten externe Experten die fachliche Arbeit, etwa zur Verkehrsplanung und zum Denkmalschutz. Ein Ziel des Verfahrens war es, Positionen zu verdeutlichen aber auch Gemeinsamkeiten darzustellen.

In der Praxis gestaltet sich das jedoch ganz anders: Bei der Umwidmung der Propstei von St. Getreu für die städtische Musikschule forderten ebendiese engagierte Bürger das Einfließen der gemeinsamen Konvention, eigentlich eine Selbstverständlichkeit nach all den Versprechungen und Absprachen im Vorfeld! Doch erneut kam die Kommunikation mit den städtischen Entscheidungsträgern nicht zustande. Ein Konsens mit den Ehrenamtlichen wurde nicht erreicht. Ganz im Gegenteil: Die Vertreter des Mediationsverfahrens kritisieren, dass sie erst aus der Presse vom geplanten Umzug erfuhren und vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.

Was läuft hier schief? Ist das Engagement politisch Ehrenamtlicher überhaupt erwünscht?

Jedenfalls ist jede Form von Scheinpartizipation auch eine Form der Machtlosigkeit des engagierten Bürgers. „Es scheitert immer am Stadtrat!“ – so bilanzieren mehrere Engagierte. Warum bleibt dieser Eindruck? Der Druck gigantischer Lobbyarbeit einflussreicher Gruppen (Stadtmarketing) beeindruckt manchen Stadtrat und lässt ihn die eigenen Beschlüsse vergessen. Das droht nun neuerdings. Verbände, die nicht selten ein Politikmonopol für sich beanspruchen und es durch Netzwerke sichern, sollten hier zurückstecken und auf ihre strukturellen Vorteile im politischen Prozess zugunsten von AktivbürgerInnen verzichten.

Doch liegt es nicht immer am Stadtrat, wenn ein Scheitern des Bürgerwunschs droht: Oft sind die Kapitalverwertungsinteressen so groß, dass grundsätzliche Übereinkünfte, wie Schutz von Denkmälern im Weltkulturerbe, außer Kraft gesetzt werden, siehe Quartier an der Stadtmauer. Schwierig wird es für die Mandatsträger, wenn sich Bürger eines Quartiers nicht einig sind, wobei das Thema Verkehr besonders heikel ist. Zu beobachten ist das gegenwärtig im Berggebiet. Gegensätzliche Privatinteressen treffen aufeinander und machen es einer dem Gemeinwohl verpflichteten Entscheidung besonders schwer. Insofern barg allein das Thema „Mobilität und Verkehr“ so viel Sprengstoff, dass die Entscheidungsträger vielleicht hofften, die Bürger könnten das allein ausmachen.

Die repräsentative Demokratie überträgt es den Gewählten, Entscheidungen zu fällen. Heißt das im Umkehrschluss, dass ein Mitsprache-Anspruch von Wählern den Gewählten unpassend erscheint? Könnte der Wandel zu einer direkten Demokratie Besserung bringen?

Das Thema Bürgerbeteiligung ist jedenfalls heikel, als Teil der gelebten Demokratie immer im Wandel und bedarf ein kluges Miteinander.

Was wir brauchen ist ein echtes Mitspracherecht, das Chancen auf Umsetzung hat. Auch ein starkes Eintreten des Stadtoberen für die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung wäre wünschenswert.