Frida
Immer ist es die Schwelle zu Deiner Küche, die zu Gesprächen führt, so kurvenreich, dass man sich an jene Alpenüberquerung in meiner Ente erinnert, man schlingert mal hier hin, mal dort hin, aber immer sicher in der Kurve. Michael, unser wunderbarer Gastgeber, freut sich sichtlich ob der vollen Bude und streicht sich genussvoll über die unrasierten, deutlich grau schimmernden Wangen. „Wisst ihr eigentlich, dass Wildwuchs im Gesicht meist ein Zeichen für kreative Freigeister ist? Sehr beliebt ist der Vollbart zum Beispiel bei Leuten in der Werbung – dort sollen 86 % Bart tragen. Auch Musiker sind gerne Bartträger. Und seit David Beckham Bart trägt, erfreut sich der Bart auch unter Sportlern großer Beliebtheit. Sag mal, tragen die in der Schweiz auch Bart?“
Die in der Schweiz? Wenn Ihr schon fragt, wie sie denn sind, dort in der heimlichen Hauptstadt der Schweiz und wie es den Schweizern so geht mit ihrem Ergebnis des letzten Volksentscheids. Zu Letzterem scheint die Stimmung gedrückt, „Das Thema haben Viele unterschätzt und nun sind sie erschrocken über das Ergebnis“, war eine vielfache Aussage. Wirklich beurteilen kann ich das nicht, doch in Zürich ist die Weltoffenheit zuhause, nicht nur wegen des international angelegten Bankensektors, sondern vor allem wegen der renommierten Hochschullandschaft. Allein aus den Reihen der ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) sollen über 20 Nobelpreisträger hervorgegangen sein und man rühmt sich zu Recht für den überaus hohen Standard an Forschung und Wissenschaft – ein Eldorado gerade für deutsche Akademiker.
Doch nicht nur die kommen hier auf ihre Kosten. Zürich, in unmittelbarer Nähe zum sonnenverwöhnten und gaumenverwöhnenden Italien. Von einer Kostbarkeit habe ich Euch in Michaels Küche bei einem Gläschen Rotwein vorgeschwärmt und nun wollt ihr mehr – wie immer! Also hier, meine Empfehlung:
Um Barba di frate zu essen, muss man keinen Mönch scheren
Sondern im Frühjahr in Zürich über einen der besonders gut sortierten Märkte schlendern, wobei einem als Nordalpinerin die Augen überquellen ob all der Köstlichkeiten. Nun ist Barba di Frate eigentlich ein Wildkraut, das in Küstenregionen auf salzreichen, feuchten Böden wächst. Die fleischigen Stiele schmecken erdig, ein bisschen nach Meer und sind im Biss knackig. Weshalb das Gemüse, das auf meernahen, salzigen Wiesen wild wächst und in Italien auch angebaut wird, den Namen Mönchsbart trägt, weiß man auch in Italien nicht ganz genau. Bekannt ist hingegen, dass der botanische Name Salsola Soda darauf hinweist, dass das Kraut aufgrund seiner mineralischen Eigenschaften früher zur Soda-Herstellung verwendet wurde. Barba di frate ist reich an Kalium, Kalzium, den Vitaminen C, B 1, B 2, B 3 und B6 und E. Zudem ist es harntreibend und kalorienarm (100 gr/17 kcal). Nein, in Bamberg habe ich Mönchsbart noch nicht entdeckt, nicht mal bei Anni im sonst sehr gut sortierten Lädla in der Wunderburg.
Da Barba di frate in Bünden verkauft werden, kann man großzügig unterhalb des Gummibandes die Wurzeln abschneiden. Nach dem Abschneiden der roten Wurzeln und gründlichem Waschen, haben wir sie zu den halbgaren Pasta mit in den Topf gegeben. In der Pfanne nebenbei in Olivenöl und Knoblauch frische Tomaten angeschwitzt, abgeschmeckt und mit den Nudel-Bärten vermischt. Grob Parmesan drüber – herrlich!
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In unregelmäßigen Abständen – eben je nach Partylaune – berichtet Frida vom nächtlichen Küchengeplauder: Küchengeplauder: Wie das Stichwort Aspirin zum Partykiller wird / Küchengeplauder: Darf man als BambergerIn mit Zöliakie Bier trinken? / Küchengeplauder: Klarer Apfelsaft für Vegetarier?
Da sieht man mal wieder: Reisen bildet. Und auch: andere Regionen, andere Gemüse.
Ähnlich unserer bodenständigen Küche verarbeiten die Italiener alles das, was sie finden können und was seit Jahren überliefert wurde. Da ist nicht nur Barba di Frate, ähnlich dem Queller, der im salzigen Marschland vor allem im Veneto wächst, da ist auch Catalogna, ein Zichoriengewächs, mit ihren Puntarelle, den Sprossen, die herauswachsen und wie dicke Hopfensprossen aussehen. Und nicht zu vergessen: Cima di Rapa, ein Stängelkohl, der leicht senfartig schmeckt. Einige dieser Gemüse haben allerdings eines gemein: Sie schmecken leicht bitter, was bei uns ungern gegessen wird. Wie auch die bleichen Löwenzahnblätter Pis en lit oder wie man im Pfälzischen sagt: Bettsächerle.
Bei der Anni im Wunderburglädla könnte man das schon bekommen, denn sie besorgt alles, was man sich nur vorstellen kann. Aber was macht sie mit dem Rest, der nicht gekauft wird, weil man es nicht kennt? Ich hoffe, dass viele junge Leute durch ihre kulinarischen Reiseeindrücke heran wachsen und den Markt für Gemüse und Salate und Kräuter von jenseits der Alpen neu beleben werden.