Redaktion
Nein, es war kein erquicklicher Abend (Wahlprüfsteine der denkmalpflegenden Vereine zur Stadtratswahl), obgleich der Saal übervoll war und die Stimmung dank des Moderators, Regierungsbaumeister, Architekt und Stadtplaner Franz Ullrich, mit Volten und gekonnt verbindlichen, bisweilen sogar erheiternden Überleitungen und Zusammenfassungen als äußerst kurzweilig bezeichnet werden darf. Insofern gelungen, da offenherzig von Entscheidungsträgern Stellung bezogen wurde, späte Einsichten und womöglich Fehlentscheidungen offen benannt wurden.
Nicht alle Parteien hatten Entscheidungsträger ins Rennen geschickt. So saß entgegen der Ankündigung für die CSU nicht Dr. Christian Lange sondern Kandidat Ottmar Strauß auf dem Podium, die FDP konnte als nicht (mehr) vertreten im Rat keinen Entscheider entsenden, doch Martin Pöhner als ehemaliger Mitarbeiter im bayerischen Ministerium für Kunst und Kultur und als Bamberg-Kenner nahm als Kundiger teil. Die SPD entsandte ihren ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Heinz Kuntke. Auch die eher kleineren und neuen entsandten ihr Spitzenpersonal: für die GAL war Fraktionssprecherin Ursula Sowa gerüstet, für die Freien Wähler stand Herbert Lauer Rede und Antwort, Norbert Tscherner vermittelte die Meinung des Bamberger Bürger Blocks, Michael Bosch vertrat die Bamberger Realisten würdig, für die neugegründete BuB stieg Daniela Reinfelder in den Ring.
Für den Mikrokosmos Stadt ein richtiger Weg der Auseinandersetzung
Die Form der öffentlichen Befragung mittels Wahlprüfsteinen – nicht vom Rathaus oder OB organisiert – kann zu Reflexion bei Volk und Politikern führen. Im Gegensatz zu herrschaftlich organisierten Treffen mit Bürgern, wie dem öffentlichen Hearing ohne Daten und Fakten, werden unbequeme Dinge angesprochen. Dinge, die auf den Nägeln brennen. Auch zu Punkten, die dem Verantwortlichen ungelegen kommen können und die er nicht selbst bestimmen kann. Dabei sind die Stadträte durchweg bemüht, verständig und kundig, stehen sie in solcher Art Podiumsdiskussion doch ihren Mitbürgern, nicht nur ihren Wählern, gegenüber. Im vis-à-vis und ohne Fraktionszwang werden Bedrängnisse, Verfehlungen bis hin zu Fehlentscheidungen deutlich. Letztere sollten alle zur Weiterführung anregen, um Lehren zu ziehen.
Die Form der öffentlichen Befragung von Politikern und Hinterfragen ihrer persönlichen Entscheidung darf eigentlich nicht auf Wahlzeiten beschränkt bleiben. Zu dieser Erkenntnis sollten nicht nur das Publikum kommen, sondern auch ihre politischen Vertreter – etwas besseres könnte einer Gesellschaft nicht passieren! Ein vertrauensvolles Hin und Her sowie eine nachvollziehbare Abstimmung muss die Konsequenz sein. Die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg hat als Mitveranstalter bereits eine Zusammenfassung des Abends aufbereitet (hier). Und hierbei Persönlichkeiten mit Grundhaltungen festgehalten: lesenswert!
Im politischen Alltag läuft oft vieles anders – warum?
Alle lieben das Welterbe und wollen es erhalten, sowohl natürlich die in der Denkmalpflege engagierten Vereine sowie die Räte. Rund um die sechs Themen (Quartier an der Stadtmauer, Konversion, Welterbe + Stiftung Weltkulturerbe, Welterbestatus / Pufferzone, Berggebiet / Ansiedlung von Einrichtungen, Stadtentwicklung / Baukultur) lief aber so vieles in den letzten Jahren schief. Stadträte bedauerten an jenem Abend häufig, ja meist, ihre Entscheidungen, wie zum Quartier an der Stadtmauer und zur Nachverdichtung im Hain. Woran liegt das? Was läuft in einer so überschaubaren Stadt wie Bamberg schief? Sind es die Vorschläge der Verwaltung, die eine Verkomplizierung von eigentlich einfachen Sachverhalten angibt? Sind es die Interessen der einzelnen Akteure, wie Sparkasse, Bauinvestoren, private und/oder öffentliche Gesellschaften, die immer wieder und mehr oder weniger intensiv mitmischen? Liegt es an Themen, die sich zu Glaubenssätzen weiterentwickelt haben, deshalb Publikumsaufreger sind und genau aus diesem Grund niemals begraben werden wollen, weil man garantiert Aufmerksamkeit erregt: Parkplätze, Tempo 30, Bergverbindung.
Nichthandeln ist Teil politischer Entscheidungen
Die seit 17 Jahren laufenden Planungen zum Quartier an der Stadtmauer wurde von allen Befragten kritisiert. Alle sind offensichtlich unzufrieden mit den jüngst vorgestellten Planungen und doch gibt der Stadtrat den Investoren eine Überarbeitung in Auftrag (siehe Quartier an der Stadtmauer: hohe Erwartungen, weitere Links dort). Die Wunschliste aller ist mittlerweile sehr lang und wurde um den Erhalt der Denkmäler, mehr Wohnen und Einzelhandel erweitert. Die Vertagung einer Entscheidung dürfte in diesem Fall eine stete Verbesserung des gesamten Projektes bedeuten. Andernorts ist Nichthandeln fahrlässig. Seit über 20 Jahren ist Bamberg Welterbe und doch sind noch keine Perspektiven entwickelt, geschweige denn die Festlegung der Pufferzone, für die sich rundweg alle Räte aussprachen. Ähnlich dürfte es künftig zum Thema Tourismus laufen: Bislang hat man zwar eine Vorstellung von Touristenführungen erarbeitet, weiß aber nicht, wie man mit dem damit einhergehenden Verkehr umgehen soll, siehe Diskussion zur südlichen Promenade. Die Errichtung eines Bushalteplatzes als Behelfsdauerlösung –, weil man offensichtlich nicht weiß oder wissen will (oder von Einzelinteressen Richtungen eingeflüstert bekommt), welchen Weg man einschlagen soll. Grundsätzlich gibt es Empfehlungen für Reisebusse, doch ist ein Ausbau ein Ansinnen des Oberbürgermeisters.
Manche Dinge passieren
Tatsächlich entwickeln sich Dinge – dann müssen Bürger unbequeme Fragen stellen. So geschehen an jenem Abend beim Thema „Bamberger Modell“, das als Erfolg und Garant des Erhalts von Denkmälern in Privateigentum einhellig begrüßt wurde. Die Verwandlung in eine städtische Stiftung „Stiftung Welterbe“ förderte eine Entwicklung, die dem ursprünglichen Vorhaben zuwider läuft. Denn die Ausschüttung an private Denkmalbesitzer tendiert gegen Null, dafür bedient sich die Stadt selbst zugunsten zweier eigener Denkmäler, Michelsberg und Nürnberger Straße 1. Eine Belebung des „Bamberger Modells“ in seiner ursprünglichen Form als breit angelegter und gut ausgestatteter Zuschuss bei Restaurierungen privater Denkmäler möchten alle auf ihre Agenda nehmen.
„Wir müssen irgendwie reagieren“
Fehlen Grundsätze oder schafft man Ausnahmegenehmigungen, laufen Entscheidungen intransparent. Auch am Berggebiet: Eigentlich wollte man dort keine zusätzlichen Ansiedelungen vornehmen, muss aber irgendwie auf Leerstand reagieren und handelt halt dementsprechend: Ämter- und Musikschulenverlagerung. Planlosigkeit auch in der ursprünglichen Hinverlagerung einer Schlaganfall-Station in ein schlecht erreichbares Viertel. Infolgedessen gibt man den Klagen über eine schlechte Anbindung nach, fordert mehr Straßen, ja ganze Parkhäuser. Konsequentes Vorgehen in anderen Einzelfällen, wie bei der Ablehnung des angesprochenen Schulneubau im Teufelsgraben, scheint erstrebenswert.
Unbelehrbarkeit der Politik – Entscheidungen gegen Expertenrat
Haingebiet – Ein traumhaft grünes, bevorzugtes Wohngebiet. Und doch wurde im Wissen einer Hainsatzung, die von einer Nachverdichtung abriet, dank juristischer Finessen nachverdichtet. Und damit dem Gebiet empfindlich an Besonderheit, Wohnwert, Großzügigkeit und ästetischem Reiz genommen.
Parallelen hierzu in Sachen Verkehr. Verkehrsgutachten von hochqualifizierten Fachleuten liegen vor, doch die Verwirklichung und Umsetzung wurde durch Mehrheitsbeschluss abgelehnt, von einigen bedauert und trotzdem passiert. Gute und teuer bezahlte Vorschläge, deren Umsetzung etwas Mut bedeutet hätte, wurden schlichtweg abgelehnt. Woran liegt es? Mutlosigkeit? Lieber Durchwurschteln? Manchmal ist allerdings ein gehöriger Schuss Phlegma von Vorteil, siehe Rettung des Gärtnerviertels durch Nichtumsetzung eines Straßenbauprojekts – geschehen allerdings in den 60er und 70er Jahren (Ein Glück, dass es die Gärtner und Häcker gibt). Andere Verkehrsprojekte werden weiterhin propagiert, wie die Bergverbindung. Wohl wissend, dass der Ziel- und Quellverkehr ursächlich ist, und daher kein Gutachter Fördergelder – welcher hochtrabenden Institution auch immer – herbeizaubern wird können.
Zukunftsthemen – Grundsätzliches entwickeln und sich daran halten
Die Konversion bot als einziges Thema eine zuküftige Aufgabe. Visionen, die aus einer philosophisch-ethischen Ebene in eine praktikable umgesetzt werden sollen. Unterschiedliche Auffassungen, ob die Stadt mittels einer Entwicklungsgesellschaft das gesamte Areal erwerben (laut ersten Schätzungen von Michael Bosch, BR, rund eine Milliarde Euro (!)) oder ob von Beginn an der Fürther Weg einschlagen soll, und Gemeinsamkeiten, wie die Ausübung der städtischen Planungshoheit, sind eher praktischer Natur. Sie werden jedoch gesteuert von einem Gesamtkonzept – und das gibt es offenbar nicht. Auch die Idee, eine (inter)nationale Bauausstellung (IBA) zu initiieren, hängt vom grundsätzlichen Vorhaben ab, ob ein gesamtstädtisches Entwicklungskonzept entworfen werden soll oder ob vorzugsweise Filetstücke an einflussreiche und potente Investoren vergeben werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre lassen schwer Visionen zu.
Ein Resultat des Abends „Wir haben Fehler gemacht, weil wir gegen Grundsätze entschieden haben“, könnte dazu führen, Grundsätzliches zu entwickeln und sich daran halten. Wenn, ja wenn, die oben genannten Bekenntnisse und Erfahrungen, wie Nichthandeln ist Teil politischer Entscheidungen, Manche Dinge passieren, „Wir müssen irgendwie reagieren“ und Unbelehrbarkeit der Politik – Entscheidungen gegen Expertenrat nicht in Dauerschleife liefe.
Diese könnte sich durch regelmäßige Wahl-Prüf-Steine stoppen lassen.
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Stadtraum in Bamberg: Ecke Promenade / Franz-Ludwig-Straße / Öffentliches Hearing zu den Veranstaltungen in der Innenstadt