Wolfgang Bönig
Im Forschungsdienst Fahrrad, gefördert durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, schreibt das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) unter dem Titel „Fahrradhauptstädte“ (hier):
„In den internationalen Fahrradhauptstädten kommt ein breites Spektrum an politischen Strategien und planerischen Ansätzen zur Anwendung. Es lassen sich aber einige zentrale Charakteristika herausstellen, die in vielen dieser Städte zum Erfolg geführt haben. So wird z.B. Radverkehrsplanung als Teil einer integrierten Verkehrs- und Stadtplanung definiert. Dies erfordert aber zugleich konsequente Maßnahmen zur Reduktion des Pkw-Verkehrs, wie zum Beispiel eine Umverteilung des Straßenraums zugunsten des Radverkehrs, Tempolimits oder die Erhöhung von Parkgebühren.“
Radverkehrsstrategie: Der vergleichsweise hohe Anteil des Fahrrads am hiesigen Verkehrsaufkommen legt den Schluß nahe: Bamberg könnte sich in die Reihe der Fahrradhauptstädte einreihen. Aussagen der im Mai 2012 beschlossenen Radverkehrsstrategie stützen die Einschätzung.
So heißt es im Leitbild: „Die Förderung des Radverkehrs ist vorrangiges Ziel der Bamberger Verkehrspolitik … Der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr soll sich erhöhen, …“
„Eine effiziente Zusammenarbeit aller Akteure aus Politik, Verwaltung, Initiativen und Verbänden ist Voraussetzung für ein ‚fahrradfreundliches Klima’“, fahren die Autor/inn/en fort. Die Realität indes zeigt sich ganz anders: Immer wieder sehen sich die Interessensvertreter/innen des nicht motorisierten Verkehrs mit fahrradfeindlichen Anordnungen und Maßnahmen konfrontiert. Ihre eigenen, fachlich fundiert ausgearbeiteten Vorschläge und Ideen landen bestenfalls auf der langen Bank, in der Regel in Schubladen und Papierkorb. U. a. spielt, obgleich seit mehr als fünf Jahren durch die Bayerische Landesbauordnung vorgegeben, das Fahrrad in der Bauleitplanung keinerlei Rolle.
Fahrradhauptstadt Bamberg?
Selbst für die wichtigsten Hauptrouten des Radverkehrs gilt:
- Benutzungspflichtige Wege werden willkürlich, ohne Beachtung der rechtlich erforderlichen Voraussetzungen, angeordnet.
- Unabhängig von der verkehrlichen Bedeutung ist nicht einmal die Einhaltung der rechtlich vorgegebenen Mindestquerschnitte sichergestellt. Vielfach werden sie unterschritten. An die empfohlenen Regelmaße auch nur zu denken, erscheint in höchstem Maße utopisch.
- Weitere Qualitätskriterien werden regelmäßig mißachtet: sichere Linienführung, Kanten- und Hindernisfreiheit, seitliche Sicherheitsräume und anderes mehr. Man ist versucht, in den Bamberger Verkehrs- und Ordnungsbehörden anarchistisches Potential zu vermuten: Legal? Illegal? Sch…egal!
Gerade in Bezug auf das Fahrrad entsteht leicht der Eindruck, in Bamberg solle örtliches Sonderrecht durchgesetzt werden (siehe auch die Konfiszierung auf dem Gehweg nicht behindernd abgestellter Fahrräder auf der Brennerstraße! Das sollten Sie nicht tun …) Doch nicht nur „Landesrecht über den Straßenverkehr ist unzulässig“ (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung – VwV-StVO). Auch „für örtliche Verkehrsregeln bleibt nur im Rahmen der StVO Raum“ (ebd.).
Radverkehrsanlagen dienen in Bamberg offenkundig nicht der Förderung des Radverkehrs. Ziel ist, die Fahrbahnen zu Gunsten des Kraftfahrzeugverkehrs von Fahrrädern freizuhalten. Daß dies steigende Unfallrisiken nach sich zieht, nehmen die Verantwortlichen trotz warnender Stimmen in Kauf. Zugleich steigt, bedingt durch die miserable Qualität vieler Wege, die Zahl der Regelverstöße. Schlimmer: Im Glauben, die Fahrbahn gehöre ihnen, erzwingt ein Teil der Kraftfahrer/innen mittels Fahrstils und Verhaltens, daß Radler/innen aus Angst auf Gehwege ausweichen.
Die Verkehrs- und Ordnungsbehörden sehen es augenscheinlich nicht als ihre Aufgabe an, dem Radverkehr regelkonforme, geschweige denn attraktive Verkehrsräume bereit zu stellen. Vielmehr prangern sie wiederholt die durch sie selbst begünstigten Regelwidrigkeiten im Radverkehr an. Das wesentlich stärker risikobehaftete Fehlverhalten im Kraftverkehr hingegen wird häufig verharmlost und in nur geringem Maße geahndet. Letztendlich bestärkt die Öffentlichkeitsarbeit dieser Behörden das vorstehend geschilderte Revierverhalten im Kraftverkehr: „Wer wagt, auf meiner Fahrbahn zu radeln?“
Dem eingangs aus der Bamberger Radverkehrsstrategie zitierten Fazit ist sicher zuzustimmen: „Der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen ist ausbaufähig!“ Allerdings müssen die Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Behörden dies auch wollen. Der Eindruck, das sei der Fall, drängt sich nicht unbedingt auf.
„Radverkehrsplanung als Teil einer integrierten Verkehrs- und Stadtplanung“, „konsequente Maßnahmen zur Reduktion des Pkw-Verkehrs“ oder „Umverteilung des Straßenraums“, wie sie das difu anführt, sind in Bamberg jedenfalls nicht zu erkennen. Die Radverkehrsstrategie enthält nicht einmal eine Absichtserklärung, künftig vorgeschriebene (VwV-StVO) oder gar anzustrebende (ERA 2010) Qualitätskriterien einhalten zu wollen. Ewiggestrige Ansätze prägen das Bild: das, obwohl ortsnah gelegen, praktisch nur durch Kfz-Verkehr erschlossene Gewerbegebiet am Laubanger, die Kronacher Straße, die geplante innenstadtnahe Bahntangente, neue Parkmöglichkeiten für das Klinikum, die nahezu ausschließlich den Kfz-Verkehr berücksichtigende Bauleitplanung.
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| Schlimmer: Im Glauben, die Fahrbahn gehöre ihnen, erzwingt ein Teil der
| Kraftfahrer/innen mittels Fahrstils und Verhaltens, daß Radler/innen aus Angst auf
| Gehwege ausweichen.
Wo die Radlerinnen, im Glauben der Gehweg gehöre ihnen, weiterfahren und
die Fußgänger zwingen – wohin eigentlich?- auszuweichen.
Kein Mensch *zwingt* Radfahrer auf dem Gehweg zu fahren!
Bernd, von Radfahrern genervter Fußgänger.