Redaktion
Die Diskussion um die Großveranstaltungen und die Rolle des Stadtmarketings ((K)eine Diskussion über Stadtmarketing) scheint derzeit eines der zentralen Themen Lärm in der Innenstadt und die Folgen beiseite zu schieben (“Bamberg ist kein Rummelplatz” – zur Lärmbelastung der Innenstadt / Innenstadt Bamberg: Gesundheitsprobleme von Anwohnern, Vandalismus, Müllberge und stinkende Hauseingänge). Eine kleine Stellschraube des komplexen Systems ist die Sperrzeit. Der Bürgerverein Bamberg-Mitte hatte bereits im Jahr 2010 den Antrag gestellt, die Sperrzeit in Bamberg zu verlängern (An die lärmgeplagten Anwohner der Innenstadt Bamberg!), der Stadtrat folgte dem. Seit März 2011 gilt „die Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten, beginnt an Werktagen um 2.00 Uhr und endet um 6.00 Uhr. Samstags und sonntags sowie an Feiertagen beginnt die Sperrzeit um 4.00 Uhr und endet um 6.00 Uhr“ (hier).
Ausnahmen gibt es, schließlich gilt „leben und leben lassen“
Ein Antrag auf Sperrzeitverkürzung kann im Rathaus gestellt werden, allerdings sind Kriterien zu erfüllen. Auf eine Anfrage beim hiesigen Ordnungsamt hin, erreichte uns eine ausführliche Antwort, die wir in Auszügen widergeben:
„Gerne erläutere ich Ihnen die Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine Sperrzeitverkürzung genehmigen zu können im Detail. Die Ausnahmeklausel in unserer Sperrzeitverordnung setzt an zwei Alternativen an.
1. In den ersten Variante setzt der Antrag zur Sperrzeitverkürzung ein „öffentliches Bedürfnis“ voraus. Die Gerichte haben festgestellt, dass ein „öffentliches Bedürfnis“ nur dann besteht, wenn
- ein „öffentlicher Bedarf“ (wird nachfolgend erläutert) gegeben ist und
- prognostiziert werden kann, dass es zu keinen Verstößen gegen die geltenden Rechtsvorschriften (zur Nachtzeit geltende Lärmgrenzwerte, Jugendschutz, Nichtraucherschutz, keine Förderung des Alkoholmissbrauchs durch Billigangebote und der Kriminalität durch dann stark alkoholisierte Gäste, usw.) kommen wird. Ein Öffentliches Bedürfnis besteht nämlich nicht an Veranstaltungen, die voraussichtlich gegen die Rechtsordnung verstoßen werden. Auch Verstöße gegen die Rechtsordnung, die im Vorfeld der Beantragung einer Sperrzeitverkürzung festgestellt werden, können zur Ablehnung des Antrages führen.
Ein „öffentlicher Bedarf“ an einer Veranstaltung unter Inanspruchnahme einer Sperrzeitausnahme erfordert nach der Rechtsprechung den Nachweis, dass
- der Bedarf ein solcher der Öffentlichkeit ist (nicht etwa lediglich ein fiskalischer Bedarf des Veranstalters) und
- der Bedarf nicht bereits durch ähnliche Veranstaltungen hinreichend gedeckt ist (z.B. wenn für eine Party-Veranstaltung, die ein ähnliches Konzept wie eine Diskoveranstaltung verfolgt, ein Antrag gestellt wird, jedoch es insgesamt bereits genug Diskoveranstaltungen gibt, auch solche, für die keine Sperrzeitausnahme gilt), und
- die Veranstaltung nicht vorverlegt oder verkürzt werden kann bzw. die Inanspruchnahme der Sperrzeit für den Erfolg der Veranstaltung unabdingbar ist.
Z.B. fehlt es an einem öffentlichen Bedarf, wenn das Programm der Veranstaltung lediglich vorsieht, dass Musik gespielt wird und die Gäste tanzen – in solch einem Fall wird die Veranstaltung nicht deshalb für diesen Zweck sinnlos, wenn sie pünktlich zu Sperrzeitbeginn endet. Diese Vorgaben werden praktisch wie folgt umgesetzt:
Der Antragsteller bringt zum Nachweis, dass ein „öffentliches Bedürfnis“ besteht ein Programm (aus dem zeitlicher Bedarf und Konzept der Veranstaltung schlüssig und widerspruchsfrei hervorgehen) sowie ein geeignetes Sicherheitskonzept (welches aus fachlicher Sicht geeignet ist, für den ordnungsgemäßen Ablauf der Veranstaltung im Sinne der Rechtsordnung zu sorgen) bei. Die Behörde prüft das Konzept an den o.g. Kriterien der Rechtsprechung.
2. Alternativ kann für die Begründung einer Sperrzeitverkürzung auch ein besonderes örtliches Verhältnis geltend gemacht werden, was etwa dann gegeben ist, wenn sich die Veranstaltungslokalität z. B. außerhalb des Lärmschutzradius für Wohnbebauung nach dem Immissionsschutzgesetz befindet. Auch hier kann eine Sperrzeitverkürzung nur dann gewährt werden, wenn die Gaststätte im Einklang mit der Rechtsordnung betrieben wird. Zu dieser Prognose gilt das oben unter b) Gesagte.
Wenn die Behörde zum Ergebnis gekommen ist, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen sie eine Ausnahme von der Sperrzeit genehmigen kann, muss sie trotzdem im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens („Kann“-Vorschrift) noch darauf achten, dass solche Ausnahmen auch die Ausnahme bleiben und nicht zur Regel werden. Die Rechtsprechung hat dazu ausgeführt, dass regelmäßige Sperrzeitverkürzungen, die ein gewisses Ablaufmuster erkennen lassen, wie beispielsweise jeden Donnerstag oder jeder zweite Dienstag im Monat, nicht möglich sind.
Gibt es viele Antragsteller, die alle die Voraussetzungen erfüllen, aber würde die Vielzahl von Ausnahmen dazu führen, dass sie zur Regel werden, muss die Behörde eine Auswahl unter Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes treffen. Hier kann sich die Behörde z.B. für das Windhundprinzip oder eine Warteliste (Rotationsprinzip) für die Antragsteller, die alle Voraussetzungen erfüllen, entscheiden, muss aber bei dem gewählten Prinzip bleiben.
Die vorgenannten Kriterien wurden der Stadt Bamberg anlässlich eines Verwaltungsrechtsstreites auch noch einmal vom Verwaltungsgericht in aller Deutlichkeit aufgezeigt und vorgegeben.
Das Ordnungsamt der Stadt Bamberg hat die Kriterien auf verschiedenen Informationswegen öffentlich gemacht:
So wurden am 31.07.2012 alle Betreiber von Clubs und Diskotheken in Bamberg zu einem Informationsgespräch mit einem persönlich adressierten Schreiben eingeladen. Zweck des Termins war es, die Gastronomen über die Details dieser Kriterien zu informieren. Dabei war es insbesondere wichtig, die richterlichen Hinweise aus der entsprechenden Rechtsstreitigkeit an die Gastronomen weiter zu geben.
Die Informationsveranstaltung stieß leider kaum auf Interesse; teilgenommen hatten lediglich die Vertreter von zwei Betrieben der Bamberger Innenstadt.
Um die Informationen dennoch verbreiten zu können, hat das Ordnungsamt ein entsprechendes Antragsformular mit Merkblatt (Antrag auf Sperrzeitverkürzung) entworfen, das von jedermann auf der Homepage des Ordnungsamtes abgerufen werden kann.
Darüber hinaus fanden bereits zahlreiche Einzelgespräche mit Antragstellern über konkrete Anträge statt.“
Seit dem Geltungsdatum der Sperrzeitverkürzung wurden Ausnahmegenehmigungen erteilt:
April 2011 – März 2012: 330
April 2012 – März 2013: 156