(K)eine Diskussion über Stadtmarketing

Redaktion

„Ihr habt doch gar kein Stadtmarketing, sondern einen Citymanager“, dürfte das Zitat des Abends gewesen sein, geäußert vom Coburger Stadtmarketing-„Koordinator“ Michael Böhm, hinsichtlich der Bamberger Verhältnisse. Zudem eine Feststellung, die manchen im vollbesetzten Saal nachdenklich stimmen dürfte. Denn tatsächlich hat sich der Verein Stadtmarketing e.V. 1997 aus einer Werbegemeinschaft der Bamberger Innenstadthändler gegründet, mit der Zielsetzung „insbesondere die Anziehungskraft der Innenstadt von Bamberg nachhaltig auszubauen, die Lebensqualität dort ebenso wie die Besucherfrequenz, die Wirtschaftskraft und das Kulturleben nachhaltig zu steigern.“

Tatsächlich gibt es Unterschiede zwischen Stadtmarketing und Citymanager.

Während letzterer als Geschäftsführer einer Handelsvereinigung in deren Auftrag arbeitet, verfolgt Stadtmarketing einen übergeordneten Ansatz, der die Bürgergemeinschaft als Ganzes im Auge behält – doch dies wurde am gestrigen Mittwoch nicht tiefer beleuchtet, sondern wie andere heikle Punkte locker wegmoderiert.

Die Grünen hatten in den Grünen Saal der Harmonie zum Wirtschaftsdialog mit dem Thema „Zukunft Stadtmarketing!?“ geladen, mit grundsätzlich spannenden Fragen: Was ist Stadtmarketing eigentlich? Wie zeigt es sich in Bamberg? Sind Citymanagement und Eventmanagement die Kernaufgaben von Stadtmarketing oder steckt mehr dahinter? Welche Konzepte oder gar Ideen gibt es für Bamberg und wohin kann sich Stadtmarketing bis 2020 entwickeln?

Ausschlaggebend für einen weitgehend unbefriedigenden, weil einseitigen Verlauf des Dialogs war die Besetzung des Podiums aus Klaus Stieringer, Geschäftsführer Stadtmarketing Bamberg; Andreas Lösche, Landtagskandidat der Grünen und Kulturmanagement-Agenturbetreiber; Michael Böhm Koordinator der Stadtmarketings aus Coburg und Harald Kurz-Brauner, Gastronom und ehemaliges Vorstandsmitglied im Stadtmarketing Verein Bamberg – allesamt Betreiber und Profiteure der Szene. Die absehbaren und sich tatsächlich überschlagenden Lobhudeleien für die eigene „grandiose Leistung“ oder die des anderen, konnte (und wollte) die Moderatorin Katharina Kroll nicht bremsen.

Ganz Marketing-Strategen wurden von allen Seiten sämtliche Festivals aller Orten immer wieder platziert, immer wieder, an eine Dauer-Werbeschleife erinnernd. So lange und so oft, bis auch wirklich jede und jeder Zuhörer/in sie verinnerlicht hatte. In der Konsequenz verwies man auf die damit einhergehende Belebung der Innenstadt und hörte förmlich die Münzen in den Kassen der Innenstadtgeschäfte klingen. Dieser Inwertsetzung versicherte man sich gegenseitig und forderte, dass gerade die Stadt Bamberg ihren bislang „geringen“ Beitrag von 61.000 € auf eine halbe Million Euro pro Jahr hochschrauben müsste, ob der großen Erfolge und dem dabei sich abzielenden Gewinn für die Stadt Bamberg.

Keine Diskussion über Inhalte, Auswirkungen oder gar Visionen

Nachfragen aus dem Publikum nach inhaltlicher Entwicklung, wie einer Qualitätssteigerung der Veranstaltungen, oder einem verträglichen Miteinander gab es durchaus. Die Innenstadt lebt sowohl von ansässigen Geschäften als auch von dort wohnenden Menschen. Lebenswert bleiben Innenstädte nur durch den Mix von Wohnen und Handel. Leerstehende Geschäftsräume verwahrlosen Innenstädte ebenso wie leerstehende Wohnungen, die Innenstädte zu Geisterstädten verkommen lässt. Trotz der vielen Menschen, die mit den besucherstarken Events in die Innenstadt geleitet werden, stehen  gerade in der so belebten Innenstadt Geschäftsräume leer. Interessant war in diesem Zusammenhang die Frage nach dem effektiven Gewinn für die Bamberger Gewerbetreibenden in der Innenstadt. Allerdings wurde die Frage nicht beantwortet, sondern auf allgemeine Erfolge des Stadtmarketings verwiesen. Doch sind über längere Fristen leerstehende Geschäftsräume in 1a-Lage wohl eher kein Zeichen für prosperierenden Handel. In den letzten Jahrzehnten ist außerdem zu beobachten, dass gerade alteingesessene Bamberger Geschäfte geschlossen werden und stattdessen Filialen von global agierenden Handelsketten ein uniformes Warenangebot anbieten. Das Einkaufen in Bamberg oder in anderen Städten scheint kein lokales Erlebnis mehr, sondern der Kunde erhält in Bamberg die gleichen Waren wie in Coburg, Bayreuth, Erlangen oder Nürnberg. Die hohen Mieten, die Citymanager Stieringer beklagt, sind das Ergebnis eines unkontrollierten Marktes. Wenn die Auswirkungen eines „Freien Marktes“ gerade von Marktteilnehmern, die an anderer Stelle diesen „Freien Markt“ fordern, beklagt wird, ist das nicht überzeugend. Auch der Hinweis auf die Konkurrenz durch Internetshops klingt nach der Schuldzuweisung an einen unfassbaren Gegner, wenn Grundsätze des wirtschaftlichen Handelns in einem „Freien Markt“ nicht infrage gestellt werden.

Eine kostenlose Werbeplattform für Citymanager und Stadtmarketing

Eine solche inhaltliche Diskussion fand nicht statt, wie auch. Das Podium war besetzt von grundsätzlichen Befürwortern der Aktionen des Citymanagements. Aussichtsreiche Ideen oder gar Visionen sind meist Ergebnis kontroverser Diskussionen. Die Veranstalter haben die Chance vertan, Menschen unterschiedlicher Denk- und Handlungsansätze aufs Podium zu bringen, Teilnehmer einzuladen, die sich mit Stadtentwicklung oder mit der Zukunft des Handelns beschäftigen, um vom doch recht eingefahrenen Weg – die Vergrößerung der Events  – abweichen zu können und eine Vorstellung in Richtung neuer Ideen oder gar Visionen aufkommen zu lassen. Das Verharren im immer größer, immer weiter, immer mehr, kurzum im endlosen Wachstum hat keine Zukunft, das zeigen uns die globalen Märkte jeden Tag aufs Neue.

„Dann sollen die Anwohner halt wegziehen“

Ein weiterer Kritikpunkt aus dem Publikum war die enorme Lärmbelastung durch die Veranstaltungen des Stadtmarketings. Das Podium war sich rasch einig, dass mit der Zeit alles besser und leiser würde. „Dann sollen die Anwohner halt wegziehen“, sei nicht richtig aufgefasst. Im Gegenteil, die Anwohner sollten froh über die Großveranstaltungen sein, ohne die der Lärm und die Fäkalien unkontrolliert ob der wilden und unorganisierten Feiern der jungen Leuten auf die Innenstadt zukäme – eine interessante Verdrehung der Tatsachen neben dem Versuch, die Generationen gegeneinander in Position zu bringen. Nach einem kurzen Hin und Her moderierte Frau Kroll kurzerhand das Thema weg.

Andreas Lösche brachte noch ins Spiel, dass es für die Bamberger Innenstadt doch toll wäre, wenn diese besser durch den ÖPNV zu erreichen wäre und die Umlandbevölkerung so bequem zum Shoppen und Schöppchen in die Bamberger Innenstadt und wieder nach Hause gelangen könnte.

Zukunftsvisionen zeichneten sich nicht ab.

Was sollte sich aus Veranstaltersicht auch ändern? Tritt doch das Mitglied des Wirtschaftsdialogs der GAL, Wolfgang Grader, als Schirmherr beim Dog Day am 27. und 28. April auf, der vom Bamberger Citymanager Klaus Stieringer veranstaltet wird. Man darf gespannt sein.

9 Gedanken zu „(K)eine Diskussion über Stadtmarketing

  1. Ich war bis Mitte 2012 selbst fast 6 Jahre direkter Anwohner am Maxplatz und bin aus Gründen der vielen Events weggezogen.

    Viele dieser Events sind unnötig und stören, v.a. im Sommer kann man kein Fenster geöffnet lassen, ohne dass man zwangsbeschallt wurde. Viel schlimmer als die eigentichen Plastik-Veranstaltungen ist jedoch das Gegröle der Übriggebliebenen nach offiziellem Schluss oder die nächtlichen Auf-/Abbauarbeiten.

    Dem Hinweis folgend, einfach mitzufeieren, hab ich versucht, aber leider wird immer eine ungenießbare Plörre zu absolut überzogenen Preisen ausgeschenkt.

    Herr Stieringer: Weinfest in Bamberg braucht kein Mensch; gehen sie dazu mal nach Unterfranken! Dort gibts Wein zu normalen Preisen, ohne Eintritt. Tucher oder sonstiges Industriebier kann man net saufen!

  2. Durch Lärm verdient kein Händler in der Innenstadt.
    Lärm hinterlässt Wüsten, in denen keiner leben kann.

    • Das glaube ich auch. Wenn eines dieser riesen-Events stattfindet, gehe ich zumindest nicht mehr in die Innenstadt. Ich kaufe dann nichts mehr dort ein. Es ist viel entspannter, mti dem Auto in den Laubanger zu fahren als mit dem Rad in die Innenstadt. In der Innenstadt muss ich mich durch die Menschenmassen kämpfen. Mit Einkaufstaschen. Und Kindern an der Hand. Nein danke.

  3. Ist es nicht so, dass der Stieringer persönliche Einnahmen aus diesen Festivals hat? Dass er höchstpersönlich daran verdient? Und wenn das so ist: glaubt irgendjemand, dass er zu einer nüchternen Debatte übers Stadtmarketing in der Lage ist? das ist doch so, als würde man einem Hund den Knochen aus dem Mund zerren. Da zerrt der doch nur zurück.

  4. In der Tat ging es auf dem Podium in der Harmonie zu harmonisch zu, das finde ich auch. Ich habe dieses gegenseitige Hochjubeln ja auch aufs Korn genommen. Dass man sich permanent nur einig war und keine kritischen Anmerkungen zu vernehmen gewesen wären beziehungsweise Zukunftsvisionen angeklungen seien, stimmt allerdings so nicht.
    Ich habe durchaus Kritik geäußert und Anregungen gegeben, z. Bsp. ob das Blues & Jazz Festival tatsächlich diese Länge haben müsse (weniger kann auch mehr sein), ob Bamberg zaubert unbedingt eine große Bühne auf dem Maxplatz benötige, dass ich kein Weinfest brauche. Und ich habe mich klar gegen verkaufsoffene Sonntage ausgesprochen.
    Und ich habe mehrfach darauf verwiesen, dass sich Stadtmarketing selbst eben auch die Aufgabe „nachhaltige Sicherung und Steigerung der Lebensqualität der Bürger“ gegeben habe, hier aber enormer Handlungsbedarf besteht. In diesem Zusammenhang habe ich eine vernehmbare Beteiligung des Stadtmarketings etwa an der Diskussion um den Nahverkehrsplan vermisst. Vorausschauende Stadtplaner predigen seit dreißig Jahren, dass es ein Irrglaube ist, ein Geschäft laufe nur, wenn man mit dem Auto hineinfahren kann…
    Ein Beispiel, wie so ein überfälliges Umdenken von den BürgerInnen mitgestaltet werden kann, habe ich auch genannt, den Verein für eine menschenfreundlich Stadt in Amberg/Opf.
    Also, so völlig kritiklos ging es dann doch nicht über die Bühne, dass auf Kritik kaum eingegangen wurde, liegt nicht an dem, der sie äußert.
    Zur Finanzierung: Es gibt durchaus Stadtmarketingvereine, die sich selbst tragen. Solange Stadtmarketing eine reine Werbe- und Eventangelegenheit ist, sollte man zumindest darüber reden dürfen.
    Nichts für ungut…

  5. Es ging bei der Debatte um den städtischen Zuschuss nicht darum, die Summe von 61.000 € auf 500.000 € zu erhöhen.

    Entscheidend ist die Organisation. Will Bamberg wie bisher ein Citymanagement als Verein, der städtisch subventioniert wird oder will Bamberg dem Coburger Modell folgen, die alle Bereiche des „Stadtmarketing“ (darunter u.a. Tourismus und Wirtschaftsförderung) zusammengelegt haben und dafür 500.000 € ausgeben.

    Den Gedanke von Herrn Lösche, dass Citymanagement umsonst zu haben ist, halte ich für wenig realistisch. Für jeden Euro, der nicht subventioniert wird, müssen, um Veranstaltungen zu stemmen, noch mehr Sponsorengelder akquiriert werden. Das bedeutet noch mehr Groß-Brauereien etc. von aussen und – im Zweifel – noch mehr Masse statt Klasse. Denn nur Masse bringt Geld. Leider.

    • Da schlägts jetzt aber 13
      Wenn ich ne Veranstaltung „stemmen“ muss, überleg ich erst mal ob ich mirs leisten kann. Dann ob ichs muss! (Und dann mal ehrlich: „Will ICH es, oder ist es tatsächlich überlebensnotwendig?“ Bamberg wird nicht von der Landkarte verschwinden. Aber nicht wegen ZauberbluesBlues und Autofreier Sandstrasse. Sondern weil der gemeine Bamberger nicht gemein ist, sondern „auf sei Zeuch Obacht gibt!“

      Die Bamberger haben immer was zu motzen, das ist gut so! Sie fühlen sich seit Jahrhunderten in Ihrer Stadt wohl.
      Auch vor Public Viewing war das so!

      Für TKS und Wirtschaftsförderung wird übrigens weit mehr als 500.000,–€ jährlich ausgegeben.

  6. der schlusssatz klingt aber sehr weltfremd

    wieso sollte ein ausgerechnet ein Grüner ein besserer mensch sein?
    nur weil es mittlerweile mit erhobenem finger zeigende moralapostel sind?

  7. Als ich schon die Gästeliste gesehen habe, war mir klar, da muss ich nicht hin. Dass die Grünen offensichtlich auch keinen Plan von irgendwas haben, und irgendwie immer Mühe haben, substanzielle Kritik zu äußern, wird hier mal wieder überdeutlich. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben die Grünen das selbst organisiert, sie haben also die Besetzung des Podiums selbst in der Hand gehabt, hätten also gut eine kritische Runde zusammenladen können. Kein Mensch hat die gezwungen, nur diese Profiteure einzuladen. Nützt auch nichts, wenn ein Grüner dabei ist. die sind auch nicht von alleine die besseren Menschen.

Kommentare sind geschlossen.