Redaktion
Es ist Wahlkampf. DIE Chance zur Kandidatenvorstellung, zur Selbstversicherung und -motivation, aber auch Gelegenheit, Entwicklungen über mehrere Jahre aufzuzeigen. Am Donnerstag liefen sich im sehr gut besuchten Spiegelsaal der Harmonie die möglichen zukünftigen CSU-Stadträte schon mal an ihrem möglichen zukünftigen Arbeitsplatz warm. Der „Wirtschaftsstandort Bamberg“, so Moderator Thomas Kießling vom BR, sollte unter die Lupe genommen werden, wozu man auf Personen aus den eigenen Reihen zurückgreifen konnte: Staatssekretär Franz Josef Pschierer vom Bayerischen Ministerium für Wirtschaft und der Präsident der IHK für Oberfranken, Heribert Trunk. Letzterer lieferte Zahlen und Fakten, die nachzulesen und als Film nachzusehen sind.
Geht es Bamberg wirklich gut?
„Bamberg geht es gut!“ Diese auch von der CSU bislang immer wieder geäußerte Behauptung erhielt erhebliche Einschränkungen und wurde an diesem Abend mit einem Fragezeichen versehen. Zur Standortpolitik gehören natürlich die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, in Bamberg insgesamt 48.755, im Landkreis 32.818, wobei die Anmerkung fiel, dass hier zahlreiche nach Bamberg pendeln. Die Stadt profitiere von der Stärke des Landkreises. Schwerpunkt sei die Kfz-Zuliefererindustrie, deren Zukunft von Fachleuten bereits nicht mehr rosig gesehen wird (Einbrüche bei Autozulieferern), Trunk bezeichnet trotzdem an jenem Abend die zusätzliche Ansiedlung von brose als „wichtig“. Selbst Trunk wagt keine Prognose, ob denn der Einsatz von über 13,5 Mio Euro gerechtfertigt ist. Grundsätzlich sei die Ausbildungssituation vorbildlich, denn tatsächlich sind Zukunftsperspektiven für junge Menschen die besten Voraussetzungen für eine stabile Gesellschaft – in allen Bereichen.
Kritik an den steigenden Personalkosten der Stadt und der fehlenden Strategie
Während in 2001 48.102.242 € an städtischen Personalkosten anfielen, wird dieser Ausgabenposten bis 2014 auf über 65.900.000 € steigen. Nicht nur die Höhe, sondern vor allem die fehlende Ausrichtung wurde von Trunk kritisiert. Im Rathaus vermisse er eine strategische Ausrichtung des eingesetzten Personals und die feststellbare Aufblähung der Standorte, die nun zusätzlich auf den Michelsberg erweitert wurde.
„Diese Stadt fährt voll in die Grütze“
Neben der Sinnlosigkeit von Diskussionen über selbstgeschaffene Probleme, wie Hainbad, Ankauf der Halle und Wolfsschlucht, bereitet Trunk die Entwicklung des Einzelhandels Sorgen. Straßensperrungen seien kontraproduktiv. Der Landkreis hat die Stadt bezüglich des Handels nicht nötig. Die Facheinzelhändler brauchen stabile Rahmenbedingungen.
Die Kurve, die die Entwicklung der im Einzelhandel Beschäftigten der letzten 12 Jahre darstellte, bereitet große Sorgen: Waren in 2000 noch 3.289 Menschen in der Stadt Bamberg im Einzelhandel beschäftigt, nimmt die Kurve (türkis) bis ins Jahr 2012 auf 2.824 ab, ein Rückgang immerhin um rund 15 %. Ganz anders, ja gegenläufig, sieht die Entwicklung im Landkreis (orange) aus. Die enorm vorhandene Kaufkraft werde von Jahr zu Jahr weniger in der Innenstadt gebunden. Bezüglich der Einzelhandelszentralität liege Bamberg weit abgeschlagen kurz vor Döbeln und Kulmbach. Die Erreichbarkeit mit einem „grottenschlechten“ ÖPNV trage eine Mitschuld, Trunk plädierte für die Errichtung einer Tiefgarage am Schönleinsplatz. Die besorgniserregende Entwicklung, die trotz (oder gerade wegen) zunehmender Eventisierung der Innenstadt sich fortsetzte. Immerhin hätten 76 % der Befragten bei der Umfrage von Baces einen höhere Qualität der Veranstaltungen gewünscht (siehe Events in der Innenstadt: Das sagen die Innenstädter). Die Handreichung einer Studie, die den tatsächlichen Beitrag von Events zugunsten des Einzelhandels erfragen könnte, liegt bereits in den Schubladen des Rathauses – diese in Auftrag zu geben, könnte ein Vorhaben des neuen Stadtrats werden (Lesetipp WeBZet und Inselrundschau: »Profiteure sind nur die Veranstalter«).
Tourismus ist nicht gleich Tourismus
Zum Thema Tourismus. Von 2002 bis in 2012 haben sich die Übernachtungszahlen auf 546.000 fast verdoppelt. Von Übernachtungsgästen profitiert eine Stadt am meisten, auch in Bamberg. Trunk plädierte für eine Korrektur innerhalb der Tourismus-Strategie Bamberg, denn am geringsten seien die Tagestouristen, am allerwenigsten die Flusstouristen mit dem Pauschalangebot an Bord, für die Stadt und ihre Bewohner von wirtschaftlicher Bedeutung. Die Schätzung – und belastbarer sind die Zahlen nicht – liegt zwischen 20 und 24 €, die ein Tagestourist in der Stadt umsetzt.
In diesem Zusammenhang verwies er auf die zunehmende Zahl der Tagestouristen. Gerade die Anzahl der Flusstouristen – ein für Reisbüros und deren Veranstalter boomender Geschäftszweig – nehme immens zu: In 2006 legten rund 327 Schiffe im Hafen an, mit noch weniger als 250.000 Tagestouristen, im Jahr der Landesgartenschau 2012 stieg die Zahl der Schiffe auf 578 mit über 400.000 Tagestouristen, in 2014 sind gar über 700 Schiffe mit rund 600.000 Menschen an Bord und in Bussen zu erwarten.
Die Konsequenzen, das sei an dieser Stelle nicht verschwiegen, und immensen Folgen für die Infrastruktur und denkmalgeschützten Gebäuden im Welterbe, explizit an der Promenade, wo derzeit die durchweg älteren Fluss-Tagestouristen an- und abfahren. Das Argument, stets von den städtischen Gästeführern, aber auch von einigen Händlern ins Feld geführt, dass diese schließlich finanzielle Vorteile für Bamberg bringen, ist grundsätzlich nicht falsch, doch zeigen Trunks Zahlen, dass Übernachtungsgäste bis zu 10 x mehr umsetzen. Die UNESCO kennt den Boom auf die mit ihrem Siegel versehene Stätten. Die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus sollte in der Welterbestadt Bamberg ein wichtiger Baustein für die kontinuierliche Pflege des kulturellen Erbes sein. Zwar bietet zur Qualitätssicherung der „Bamberg Tourismus & Kongress Service“ fundierte Gästeführer-Ausbildungen durch, doch andere Aspekte, wie Lenkung der Verkehrsströme, entbehren einer grundsätzlichen Diskussion.
Zukunftsfähige Entwicklung
Die Konversion und das Gelände sind – da besteht allgemeine Übereinstimmung – die Chance für Bamberg, nicht nur hinsichtlich des Wohnungsmarktes, sondern auch der Ausweisung von Gewerbeflächen. Der Erhalt von schützenswerten Teilflächen für die Naherholung muss in einem urbanen Stadtraum vorgehalten werden. Wie bereits im „Bambergplan“, dem Wahlprogramm des CSU, formuliert, äußerte auch Trunk den Wunsch nach einer Ansiedlung eines renommierten Instituts. Er hatte ein Institut der Fraunhofer-Gesellschaft im Blick. Eine zukünftig engere Verknüpfung mit der Universität, in dem Fall mit der Denkmalpflege, wäre wünschenswert. Tatsächlich hat das Fraunhofer-Institut im Bereich energetische Sanierung im Altbau erst vor wenigen Jahren im Süden Bayerns, in Benediktbeuern, einen Standort etabliert – ganz nach der bisher in Bayern geübten Politik, möglichst attraktive Institutionen im Raum München anzusiedeln. Wenige Kilometer vom Hauptstandort München hat das Forschungsinstitut dort sein wissenschaftliches Kompetenzzentrum errichtet, übrigens mit Absolventen der Universität Bamberg.
„Kultur ist kein weicher, sondern ein harter Standortfaktor“
Immer ein Schattendasein fristend, wird Kultur und die hierüber geführten Diskussionen von dort ins Licht geschubst, wenn’s beliebt. Kulturmanager kommen und gehen, hinterlassen keinerlei Spuren, Diskussionen über „Veranstaltungskultur“ werden städtisch PR-wirksam beworben, ohne Resultat, lediglich zur Beruhigung der Volksseele. Stehen jedoch Entscheidungen für einen mittlerweile etablierten Magneten modernen Kunstschaffens und -ausstellens an, wird erneut die lange Bank bemüht. Das städtische Engagement pro Kesselhaus hätte nur die Übernahme der Sanierungskosten des – im eigenen Besitz – befindlichen Hauses bedurft. Deshalb gesteht Bamberg bislang der Kultur nicht das Prädikat eines „harten Standortfaktors“ zu.
„Verfasst parteiübergreifend Konzepte …
… und schubst liebevoll den Oberbürgermeister und seine Verwaltung vor euch her!“ So das Schlussplädoyer Trunks (hier nachhören). Den Ausschlag gab die Feststellung des ehemaligen Baureferenten Ottmar Strauß und CSU-Kandidaten, dass bislang keinerlei konkrete Pläne für das Konversionsgelände von der Verwaltung erarbeitet worden seien. Staatssekretär Franz Josef Pschierer vom Bayerischen Ministerium für Wirtschaft hatte zuvor die Möglichkeiten seines Ministeriums zur Unterstützung von der Konversion betroffenen Städten erläutert. Natürlich dann, wenn ausgearbeitete Konzepte vorliegen. Just an diesem Abend hatte Oberbürgermeister Starke erneut einen Konversions-Termin angesetzt. Detaillierte Pläne vermisste man dort an jenem Abend tatsächlich.
Wahlkampf auf allen Ebenen
Die CSU mit ihrer stabilen Mehrheit hat die Mehrheitsbeschlüsse im Rat mitgetragen, ja erst ermöglicht. Nicht durchweg mit voller Zustimmung aus den eigenen Reihen, was zu heftigsten Turbulenzen bis zu drohenden Parteiausschlussverfahren geführt hat. Sollte sie sich auf Sachpolitik abseits von Parteiproporz konzentrieren, können neue Impulse und die daraus resultierende Energie tatsächlich zum Wohl der Stadt generiert werden. Dieser Abend könnte ein Anfang gewesen sein. Ideengeberin und Mitorganisatorin war Kandidatin Gisela Schlenker, Platz 13.
Wie im Nachspann korrekt wiedergegeben, hat die CSU in den vergangenen Jahren die Politik, deren Defizite sie jetzt beklagt, durchgehend mitgetragen. Das erinnert sehr an den letzten OB-Wahlkampf, als ihr Kandidat vehement (und in der Sache meist korrekt) gegen die Politik des Amtsinhabers gewettert, sie zuvor im Rat jedoch (nahezu) immer mitgetragen hatte. So berechtigt die Kritik, so sehr mangelt(e) es ihr an Glaubwürdigkeit.
Herr Trunk zeichnet etliche Defizite sicherlich korrekt nach. Doch viele seiner Erkenntnisse sind alles andere als neu, sie aufzuarbeiten fand die Ratsmehrheit bislang keine Energie. In manchem aber findet sich eine erstaunliche Inkonsequenz, offensichtlich der Grundeinstellung des „Weiter so“ geschuldet:
„Die Erreichbarkeit“ des Einzelhandels „mit einem ‚grottenschlechten‘ ÖPNV trage eine Mitschuld, Trunk plädierte für die Errichtung einer Tiefgarage am Schönleinsplatz“ zeigt eine Logik, der nur schwer zu folgen ist. Wie kann eine weitere Tiefgarage in der mit Stellplätzen ausreichend ausgestatteten Innenstadt die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV verbessern? Warum wurden die (potentiellen) Kunden des ÖPNV und ihre Interessenverbände konsequent aus der Erarbeitung des Nahverkehrsplans herausgehalten?
Weshalb wird die „Zukunft“ der Kfz-Zulieferindustrie „von Fachleuten bereits nicht mehr rosig gesehen“? Weil immer mehr die Erkenntnis dämmert, daß motorisierter Individualverkehr als Massenphänomen nicht zukunftsfähig ist! Flächen- und Rohstoffverbrauch, Unfall- und Gesundheitsrisiken, Zerstörung der Lebensräume von Mensch, Tier und Pflanzen und vieles mehr haben längst die Grenzen des Erträglichen überschritten. Dennoch wie bisher Einkaufs- und Gewerbegebiete auf die „grüne Wiese“ zu setzen – und damit dem innerstädtischen Handel gezielt Konkurrenz vor die Tür zu setzen -, zeugt von mangelnder Einsichts- und Lernfähigkeit der Verantwortlichen.
Der Schlüssel zur Lösung liegt nicht darin, jeden mit dem Auto bis in die Ladentür fahren zu lassen. Die Lösung liegt in attraktiver Anbindung an den Umweltverbund, die intelligente Vernetzung der nutzergerecht gestalteten Verkehrsmittel Gehen, Radfahren, Bahn und Bus. Unüberlegte Restriktionen für den Autoverkehr laufen naturgemäß ins Leere. Ein Verkehrssystem, welches das private Kraftfahrzeug in weiten Teilen verzichtbar macht, unterstützt durch eine durchdachte Siedlungsplanung, wäre in der Lage, auf die Herausforderungen der Zukunft zielführende Antworten zu geben.
Doch derartige Erkenntnisse haben es noch immer schwer. Zu spätes Umsteuern aber wird dann um so härter.