MÄNNLICH

„Blut, verdammt viel Blut! Dich muss jemand wirklich gehasst haben!“, dachte Kommissar Heinrich laut. „Sehen Sie sich das mal an!“, unterbrach Meyer von der Spurensicherung die Überlegungen des Kriminalbeamten und erklärte etwas umständlich die Besonderheiten eines Reifenabdruckes auf dem schmalen Waldweg. Unterdessen wurde der Reißverschluss über der männlichen, bis zur Unkenntlichkeit entstellten Leiche geschlossen.

Der Befund aus der Pathologie lautete: Schädelfraktur nach mehreren Schlägen mit einem spitzen Gegenstand. „Einer hätte schon genügt!“, sagte der Rechtsmediziner und schob den Toten ins Kühlfach.
Vermisstenanzeigen wurden mit den Maßen der Leiche und einem erstellten Phantombild abgeglichen. Eine Anzeige wurde in der Tagespresse geschaltet:
Wer kann Angaben zu folgender Person machen:
MÄNNLICH – ca. 30 bis 35 Jahre – blond – 185 cm – blaue Augen – keine besonderen Kennzeichen.
Alle Hinweise aus der Bevölkerung brachten die ermittelnden Beamten nicht weiter.

„Ein Jahr Auszeit, sich selbst finden. Die Welt sehen …“, hatte er gesagt. Hatte seine Wohnung und den Job gekündigt. Eine letzte Nacht, hatte er mit ihr verbringen wollen, zum Abschied.
„Männer!“, dachte sie verächtlich. Die Tropfen in sein Glas und ihn benommen in den Wagen setzen, war ein Kinderspiel und dann …

Acht Wochen später: Aus dem Autoradio plärrte ein Schlager. Sie summte vergnügt mit. Die Polizeikontrolle kam völlig unerwartet. „Reine Routine!“, sagte der Uniformierte. „Ihre Fahrzeugpapiere bitte!“ Sie reichte das Verlangte durch das Seitenfenster. „Warndreieck und Verbandskasten?“ „Im Kofferraum …“ Zu spät fiel ihr der Eispickel ein, der noch immer dort lag.

© Cornelia Stößel 2021 / Februar

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