Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus individuell und dezentral begehen

Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e.V.

Der 27. Januar ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 1996 ein gesetzlich verankerter Gedenktag, in dessen Mittelpunkt die Opfer des Nationalsozialismus stehen.

Die Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e.V. bedauert, dass sie wegen der aktuellen Situation in diesem Jahr keine zentrale Erinnerungsveranstaltung durchführen darf. Sie bittet darum, diesen wichtigen Gedenktag individuell und dezentral zu begehen.

Dabei ist vieles möglich: zum Beispiel das Niederlegen von Blumen oder Kieselsteinen am Denkmal und am Erinnerungsstein für die ehemalige Bamberger Synagoge am Synagogenplatz oder an der Gedenktafel im Alten Rathaus, an den Gedenktafeln auf der Unteren Brücke, auf den „Stolpersteinen“ sowie am Mahnmal für Widerstand und Zivilcourage, das an gut 50 Mutige im Widerstand erinnert. Wer alleine die Gräber der ermordeten Bamberger Sinti und Roma und anderer Opfer des Nationalsozialismus auf dem Bamberger Hauptfriedhof besuchen will, kann dies mit Hilfe des informativen Friedhofsführers ErinnernStattVergessen der VVN Bamberg sehr gut tun. Wer lieber ein Licht oder eine Kerze in sein Fenster stellen möchte, ist herzlich dazu eingeladen. Die „Stolperstein“-Pflegepat_innen sind zum Polieren eingeladen.

Das Datum des Gedenktages bezieht sich auf den 27. Januar 1945. An diesem denkwürdigen Tag befreite die Rote Armee Auschwitz. Genauer gesagt, den riesigen Lagerkomplex Auschwitz. Zu diesem Komplex gehörten das Stammlager – Konzentrationslager Auschwitz I, das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau – Konzentrationslager Auschwitz II, das Konzentrationslager Monowitz sowie gut 50 weitere Außenlager.

Die Befreiung von Auschwitz war der Anfang vom Ende des nationalsozialistischen Lagernetzwerkes. Dieses umfasste insgesamt 42.500 (!) Lager, welche die Nationalsozialisten von 1933 bis 1945 für den sog. „Kampf an der inneren Front“ im Deutschen Reich und den besetzten Ländern betrieben. Es existierten allein 30.000 Arbeitslager, 1.500 jüdische Ghettos, etwa 980 Konzentrationslager, auch Konzentrationslager für Kinder und Jugendliche, 1.000 Kriegsgefangenenlager sowie 500 Bordelle, in denen Frauen zur Prostitution gezwungen wurden. Zudem befanden sich allein in Berlin und Hamburg 4.300 Orte, an denen Juden gequält und getötet wurden. Ferner gab es die einzig zum Zweck der millionenfachen Ermordung von Juden geschaffenen „Mordfabriken“ in Auschwitz, Treblinka, Sobibor und Majdanek mit jeweils einer Fülle an kleineren Außenlagern.

Insgesamt wurden mehr als 15 Millionen Menschen in diesen Lagern unter Zwang festgehalten, deren Arbeitskraft ausgebeutet, gepeinigt, zur Prostitution gezwungen und ermordet.

Am 27. Januar erinnern wir an das Leid und die Ermordung von sechs Millionen europäischer Juden, sowie der Sinti und Roma, der Opfer medizinischer Versuche, Zwangssterilisation und staatlicher „Euthanasie“, der Homosexuellen, der Bibelforscher, der Zwangsarbeiter, der dem Hungertod überlassenen Kriegsgefangenen, der Desertierten, der in „Sippenhaft“ Verschleppten. Erinnert wird auch an die Mutigen im Widerstand, die sich aus religiösen, politischen und militärischen Gründen oder ganz einfach aus menschlichem Anstand, der Vorstellung eigener menschlicher Würde oder menschlicher Solidarität wegen der ungehemmten Gewaltausübung nach innen und außen dem Nationalsozialismus widersetzten und deswegen von den NS-Machthabern ermordet wurden.

Darum ist der 27. Januar ein Tag der Trauer, an dem wir miteinander „der Leidfülle“ dieser verfolgten und ermordeten Menschen „gleichsam ins Gesicht sehen“. Doch der Befreiung von Auschwitz wegen enthält der 27. Januar zugleich ein Zeichen der Freude und der Hoffnung. Die menschenverachtende Macht des Nationalsozialismus konnte ein Ende finden. Wir sind deswegen aufgerufen, uns daran zu erinnern, was wir heute für ein anderes, anständiges Deutschland und für ein menschenwürdiges Zusammenleben tun können. (mb)