Wortkarg war er und wenn er doch das Wort ergriff ein wenig ungeschickt in der Wortwahl. Dabei keineswegs dumm. Anfangs hatte es ihr gefallen, dass er ihr, wortgewandt die sie war, das Reden überließ. Doch irgendwann fing sie an sich über sein verbales Unvermögen lustig zu machen. Was mit kleinen spitzen Bemerkungen anfing, die von Anwesenden mit herzhaftem Lachen quittiert wurden, entartete schnell zu einer Bloßstellung, bevorzugt vor Freunden, vor den wenigen die er hatte, was schließlich zu Wortlosigkeit seinerseits und einer nur noch aus Gewohnheit existierenden Ehe führte. Hinter seiner Verschlossenheit wuchs Hass. Dieser unterdrückte Hass befeuerte ihre Bosheit und in dieser angespannten Atmosphäre stand er eines Tages vor ihrem Bett.
Der Raum war dunkel, nur das Deckenlicht vom Flur fiel durch die offene Tür direkt auf sie. Ein großes, plumpes, Weib, deren ungepflegtes Haar wirr auf dem Kopfkissen lag. Die stets mürrische Miene behielt sie selbst im Schlaf. Er versuchte sich an das junge Mädchen zu erinnern, in das er sich verliebt hatte. Doch so sehr er sich bemüht, er erinnert sich nicht. Er richtete seinen Blick auf die Wand hinter ihr. Dorthin, wo das Hochzeitsbild jetzt im Dunkel hing. Er konnte es nur erahnen. Aber er wusste, dass ihr Blick schon damals kalt und stechend war und ihre Mundwinkel verkniffen. Damals hatte er es nicht sehen wollen. Plötzlich entwich ihrem jetzt halboffenen Mund ein Schnarchen. Er erschrak, die Axt mit beiden Händen umklammernd. Und plötzlich wusste er, dass er nicht die Kraft oder den Mut hatte – oder fehlte ihm beides? – um diese zu schwingen. Ein Schwindelanfall ließ ihn unvermittelt gegen die Wand nach hinten fallen. Er atmete schwer. Die Axt fiel ihm aus der Hand. Schlug dumpf auf dem Bettvorleger auf. Sie knurrt wie ein bösartiger Hund und drehte sich ohne die Augen zu öffnen zur Seite. Ihr gewaltiger Hintern blickte ihn an. Ihr linkes Bein lag jetzt abgewinkelt auf der Bettdecke. Die Fußnägel zu lang. Rissige Hornhautschwielen an der Ferse. Ihm wurde übel. Er rang nach Atem, griff sich an die Brust und sank mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht zu Boden. Röchelte. Sie antwortet mit einem erneuten Knurren. Er verstummte. Sein Kopf fiel ihm auf die Brust. Als sie am Morgen aufgeschreckt vom Weckerläuten schlechtgelaunt aufstand, saß er zu ihren Füßen. Die Beine von sich gestreckt, die Schultern leicht nach vorn gesackt, die Arme schlaff an der Seite, die Hände an den Handgelenken unnatürlich nach hinten abgeknickt. Wie eine von ihren Fäden abgeschnittene Marionette saß er. Dass er tot war erkannte sie sofort. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Ihr Blick fiel auf die Axt. Kurz erschrak sie, begriff und begann zu lachen. Lachte und lachte …
© Cornelia Stößel 2020 / September