Christina Werner-König
Weihnachtskonzert mit dem Collegium Musicum Bamberg, am 7. Dezember 2019 in der Auferstehungskirche Bamberg
In Bambergs Mitte war am Abend des 7. Dezember von vorweihnachtlicher Beschaulichkeit wenig zu spüren, stattdessen greller Budenzauber und jingle bells aus vollen Röhren. Wer sich, so kurz vor 17 Uhr, auf fast leerer Strecke, aus dem Lärm der Innenstadt nach Bamberg Ost bewegte, hatte mehrfach Glück. Er kam sicher und entspannt ans Ziel und hatte das Privileg, einen berührenden musikalischen Abend zu erleben. Ein Konzert, ausnahmslos mit Werken von J. S. Bach, gestaltet vom Collegium Musicum Bamberg, der zweiten Konzertmeisterin der Bamberger Symphoniker, Mayra Budagjan, den Vokalsolisten Silvia Bier (Sopran), Julia Deutsch (Mezzosopran), Hilary Maier-Moss (Alt), Arnhard Heinisch (Tenor), Thomas Höhn (Bass) – wie immer unter seinem charismatischen Leiter und Dirigenten Gunther Pohl. Dass dieses Ensemble bereits ein Markenzeichen und eine verlässliche Konstante für musikalische Qualität und überbordende Spielfreude ist, zeigte einmal wieder der rege Besuch – es waren nur noch wenige Plätze frei.
Dem höchsten Gott allein zu Ehren, dem Nächsten, draus sich zu belehren! J. S. Bach
Es ist heute kaum vorstellbar, dass die Werke J.S. Bachs nach seinem Tod im Jahr 1750 jahrzehntelang nicht aufgeführt wurden – sie entsprachen nicht mehr dem musikalischen Zeitgeschmack. Der 20-jährige Felix Mendelssohn Bartholdi bereitete im Jahr 1829 den vergessenen Werken Bachs mit der Aufführung der Matthäuspassion eine bis heute anhaltende Renaissance. Von da an wurde Bach über alle Jahrhunderte und alle musikalischen Stilepochen hinweg aufgeführt. Seine geistliche Musik ist die kompositorische Übersetzung der Lutherbibel. Sie ist Alpha und Omega, sie verbindet Zeiten und Strömungen, Himmel und Erde!
Nicht Bach, Meer sollte er heißen! Ludwig van Beethoven
Einleitungssatz des ersten Teils des Konzertes war die Sinfonia aus der Kantate, „Am Abend aber desselbigen Sabbats …“ BWV 42, für zwei Oboen, Fagott, Streicher und Basso continuo. Diese Sinfonia wird wegen ihres Kompositionsstils gerne auch als Satz eines fiktiven 7. Brandenburgischen Konzertes bezeichnet.
Das folgende Violinkonzert in a-Moll BWV 1041 hatte Bach für sein Collegium Musicum komponiert und spielte selbst die Sologeige. Mayra Budagjan, zweite Konzertmeisterin der Bamberger Symphoniker, brillierte kraftvoll und sensibel, besonders im elegischen Andante. Die Violine entfaltete sich frei über dem Bass-Fundament. Debussy schwärmte: „Die Schönheit des Andante ist so groß, dass man ernstlich nicht weiß, wie man sich hinsetzen und verhalten soll, um des Anhörens würdig zu sein …“
Auf die ersten beiden Instrumentalstücke folgte die Kantate zum 3. Weihnachtsfeiertag 1725 BWV 151. „Süßer Trost, mein Jesus kömmt …“, für Sopran, Alt, Tenor, Bass, Flöte, Oboe, Fagott, Streicher und Basso continuo. Sie gilt als die persönlichste von Bachs Weihnachtskantaten. Die Eröffnungsarie, im glasklaren Sopran vorgetragen von Silvia Bier, ist komponiert im 12/8 Takt, wie ein Wiegenlied. Unterstrichen wurde diese transzendente, innige Stimmung durch die Streicher, die begleitende Oboe und vor allem durch die arabeske, schwungvolle Solopartie der Soloflötistin Regina Bußmann.
Darauf folgte das Rezitativ „Erfreue dich, mein Herz …“, mit dem Bass Thomas Höhn. Sein volles, warmes Timbre wechselte von Dur zu Moll und bereitete somit den dritten Satz mit der Alt-Arie „In Jesu Demut kann ich Trost, in seiner Armut Reichtum finden“ vor, die Hilary Maier-Moss mit ihrer vollen, sinnlichen Altstimme, begleitet von den Streichern und der unisono geführten Oboe, eindrucksvoll interpretierte.
Im vierten Satz der Kantate, dem Rezitativ „Du teurer Gottessohn …“, in hellem, strahlendem Tenor vorgetragen von Arnhard Heinsch, modulierte der Gesang, im Gegensatz zum Bass-Rezitativ, von Moll zu Dur.
Abschluss des ersten Konzertteils war der Choral „Heut schleußt er wieder auf die Tür …“, Text und Melodie stammen ursprünglich von Nikolaus Herman, um 1500 Lehrer und Kantor in Altdorf bei Nürnberg. Orchester und Vokalquintett gestalteten diesen Satz zu einem mitreißenden musikalischen Feuerwerk.
Das Magnifikat – die Befreiung der Magd Maria aus der Unmündigkeit
Das Magnifikat ist nur im Lukas-Evangelium enthalten. Es spielt in der feministischen Theologie und der Befreiungstheologie eine große Rolle. Man bezeichnet das Lied Mariens als Revolutionslied! „Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer …“ Es ist die Erhebung Mariens durch die Geburt Jesu.
Das erste Stück nach der Pause – aus dem Magnifikat BWV 243, D-Dur, in der gleichen Besetzung wie das letzte Stück vor der Pause – begann mit dem ersten Einlagesatz, wovon Bach vier als Ergänzung zur ersten Fassung des Magnificat (in Es-Dur! BWV 243 a) komponiert hat, mit dem Choral „Vom Himmel hoch, da komm ich her …“ Bach verwendete diese Melodie für drei Choräle in seinem Weihnachtsoratorium! Ein fulminanter Auftakt für das folgende Stück, die Arie für Mezzosopran „Et exsultavit spiritus meus …“, „… und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilands“, wunderbar intoniert von Julia Deutsch.
Es folgte die eindringliche Sopran-Arie mit Silvia Bier „Quia respexit humilitatem, ancillae suae“, „Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen …“, worauf das Vokalensemble im Chor den Text fortsetzt mit: „… omnes generationes“, „… alle Kinder und Kindeskinder.“ Ein Thema, das mit fünf gleichen Noten beginnt, als Symbol für die menschliche Existenz.
Thomas Höhn vervollständigt kraftvoll den Satz mit der Bass-Arie „Quia fecit mihi magna qui potens est, et sanctum nomen eius“, „Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und des Name heilig!“ Darauf setzte der Chor ein, mit dem zweiten Einlagesatz, bestehend aus Sopran, Mezzosopran, Alt und Tenor „Freut euch und jubiliert …“
Hoffnung für die leidende Menschheit und die Erlösung durch den Glauben
Eindringlich gestaltete sich das Duett von Alt und Tenor „Et misericordia a progenie in progenies timentibus eum.“ „Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen, die ihn fürchten!“ Die Violinen mit den beiden unisono-Flöten spielten dabei den Gegenpart zu den Solisten.
Daraufhin sang Hilary Maier-Moss, herzzerreißend innig, die Alt-Arie „Esurientes implevit bonis et divites dimisit inanes.“ „Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer.“ Ein Plädoyer für den leidenden Menschen. Mit zwei konzertierenden Flöten und dem Bass-Pizzicato, einer der berührendsten Momente des gesamten Abends! Man wollte, dass es nicht endet!
Als weiterer Einlagesatz folgte das Duett für Sopran und Bass „Virga Jesse floruit, Emanuel noster apparuit. Induit carnem hominis, fit puer delectabilis, Alleluja.“ „Jesses Zweig ist erblüht, unser Emanuel ist erschienen, nahm Menschengestalt an und wurde ein schöner Knabe.“ Ein Zwiegespräch zwischen Maria und Joseph im 12/8 Takt. Beeindruckend untermalt durch Ulrich Fiedler, Violoncello, und Silas Bischoff, Theorbe(!), als Basso continuo.
Das folgende Terzett, mit Sopran, Mezzosopran und Alt „Suscepit Israel puerum suum recordatus misericordiae suae.“ „Er hilft seinem Diener Israel auf und denkt der Barmherzigkeit …“ spielt auf Christi Opfertod an und erinnert an das Alte Testament.
Das erste der beiden letzten Konzertstücke ist ein Chorwerk in der alten Motettenform, eine klassische Fuge, für Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor und Bass, Das „Sicut locutus est ad patres nostros, Abraham et semini eius in saecula.“ „ … wie er geredet hat mit unseren Vätern, Abraham und seinem Samen ewiglich.“
Das letzte Stück, der Einlagesatz „Gloria in excelsis Deo! Et in terra pax hominibus bonae voluntatis! „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“, ist ein freies Chorstück, der Gesang der Engel nach der Verkündigung der Hirten. Zum fünfstimmigen Chor spielte das gesamte Orchester. Was für ein glanzvoller Abschluss!
Schon fast obligatorisch verabschiedeten sich das Collegium Musicum Bamberg und seine Solisten nach dem Konzert von ihren Zuhörern mit dem Kirchenlied beider christlicher Konfessionen aus dem 17. Jh. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ mit drei Strophen, abwechselnd gesungen von den Vokalsolisten und den Konzertbesuchern. Würdiger kann man ein Weihnachtskonzert nicht beenden.
Im Trubel der Vorweihnachtszeit innezuhalten, auf solch hohem Niveau – was für ein Geschenk! Gottseidank – alles Bach!
Wenn „aller guten Dinge“ drei sind, beeile ich mich flugs diese 3 aufleuchten zu lassen, indem ich beide Vor-Danker mit allen meinen besten GeDANKen in ihrem Sinne unterstütze – denn das Konzert und ihre Konzert-Referenz-Meisterin hat es wirkungsvoll verdieht !
so eine kenntnisreiche Kritik mit solch
schöner Sprache! Die Begeisterung über
das Gehörte strahlte aus jedem Wort.So kann
man Kritiken schreiben und man liest sie auch
gern! Also vielen Gank dafür!
Ein wunderbarer, inspirierter und inspirierender Kommentar. Schade, dass ich nicht dabei war! Danke, Frau Werner-König!