Christina Werner-König
Konzert zum 65-jährigen Jubiläum des Collegium Musicum Bamberg, am 19. Juli 2019, in der St. Stephanskirche Bamberg
Wenn das kein Grund zum Feiern ist? Und sie ließen es krachen, mit einem musikalischen Feuerwerk! Das Collegium Musicum Bamberg (CMB), unter der künstlerischen Leitung von Gunther Pohl, engagierte, als besonderes musikalisches Highlight, den zurzeit berühmtesten Bamberg-stämmigen Musiker, den Berliner Philharmoniker und weltweit gefeierten Solo-Oboisten, Albrecht Mayer.
Die Kirche war voll bis auf den letzten Platz. Diesmal ohne freiwillige Spenden, sondern mit festgelegtem Eintritt. Die Bamberger scheuen keine Wege und keine Kosten, sie stehen zu ihren Berühmtheiten. Eloquent und elegant, nicht ohne humorvolle Anspielungen auf seine Herkunft und seine Zeit bei den Bamberger Symphonikern, führte er in die beiden Solokonzerte ein, nämlich das Concerto à cinque d-Moll, op. 9 Nr. 2, von Tomaso Albinoni, mit seinem berührenden zweiten Satz, dem „Adagio für die Ewigkeit“.
Himmlische Sphärenmusik
Nach der Pause dann der Höhepunkt des Abends mit Johann Sebastian Bachs Concerto A-Dur für Oboe d’amore, Streicher und Basso continuo. Was für ein Klangerlebnis! Der Kirchenraum füllte sich mit himmlischer Sphärenmusik. Alle Emotionen des begnadeten Interpreten Albrecht Mayer durchströmten den Raum mit einer Wärme und kraftvollen Schönheit, die tief ins Herz traf. Man sah in die Gesichter gelöster, glücklicher Zuhörer, als würden sie, paralysiert, einer meditativen Séance beiwohnen.
Das Collegium Musicum Bamberg hatte das Programm geschickt gewählt. Den Anfang machte die Orchestersuite G-Dur von Georg Philipp Telemann. Ein musikalisches Horsd’oeuvre, wie geschaffen für das Orchester und seinen Dirigenten Gunther Pohl.
Das musikalische Genie Telemann, als Komponist und Musiker Autodidakt, ursprünglich Jurist, früher Freund von G. F. Händel, später Freund von J. S. Bach, war ein genialer Besessener mit dem größten musikalischen Repertoire aller deutschen Komponisten. Dem damaligen Stil des italienischen und französischen Barock zugeneigt, entwickelte er kunstvoll und einfallsreich, mit schier unerschöpflicher Phantasie, komplizierteste Klangfarben und musikalische Effekte! Seitens musikalischer Zeitgenossen, deren beißender Kritik Telemann ausgesetzt war, stellte sich später bei einigen Werken Bachs heraus, dass sie von Telemann komponiert waren.
Überbordende Farbkraft
Bravourös meisterte das Orchester die Suite mit einer musikalisch überbordenden Farbkraft, differenziert und kraftvoll – geführt von seinem agilen Leiter, dem früheren Soloflötisten der Bamberger Symphoniker und Professor an den Musikhochschulen Lübeck, Nürnberg und Dresden. Sein emotionales, kontrolliert sensibles Dirigat war eine fast losgelöste Hingabe an die höchste aller Künste – die Musik.
Das letzte der drei Stücke vor der Pause war die Orchestersuite Nr. 1 g-Moll für konzertierende Violine, Streicher und Basso continuo von Johannes Bernhard Bach, einem Vetter von J. S. Bach, der mit seinem Orchester Collegium Musicum Leipzig einige der Werke seines Cousins aufführte. Bis auf vier Suiten und einige Orgelwerke ging das gesamte musikalische Schaffen Bernhard Bachs verloren. Großen Einfluss auf seine Kompositionen hatten der in Nürnberg lebende Komponist und Organist an der Sebalduskirche Johann Pachelbel und sein Freund Georg Friedrich Telemann!
Das Violinsolo spielte der ehemalige Konzertmeister der Bamberger Symphoniker und Professor an der Musikhochschule Frankfurt, Walter Forchert, brillant, strahlend, voller Klarheit, bewegt und bewegend, über dem Orchester schwebend! Mit dieser Glanzleistung verabschiedete sich Walter Forchert vom Collegium Musicum Bamberg. Wehmut beschlich sicher beide Seiten, den Künstler und das Publikum.
Anrührende Sopranarie
Als erste Zugabe spielten der Solist und das Orchester die Arie „Lascia ch’io pianga“, das Klagelied der Almirena aus der Oper Rinaldo von Georg Friedrich Händel. Die ursprünglich für den Sopran geschriebene Arie gelang Albrecht Mayer auf der Oboe überaus anrührend, indem er sich während des Spielens im Kirchenraum um das Orchester herum bewegte – in Anlehnung an den Sinn des Textes: „Lass mich mein grausames Schicksal beweinen und seufzen nach der verlorenen Freiheit“. Da schmilzt jedes Zuhörerherz! Die zweite Zugabe, ohne Orchester, war der Oboe d’amore-Part der Alt-Arie „Qui sedes ad dexteram Patris“ („Der du sitzest zur Rechten des Vaters“) aus J. S. Bachs h-Moll-Messe.
Dass der Basso continuo aller vier Werke, nicht, wie sonst üblich, von Cembalo oder Orgel, sondern von den meisterlichen Interpreten Silas Bischoff und Johannes Lang auf der Theorbe begleitet wurde, war ein zusätzliches Highlight dieses Ausnahmekonzertes.
Eine würdigere und niveauvollere Geburtstagsfeier hätte sich das Collegium Musicum Bamberg nicht einfallen lassen können. Die begeisterten Zuhörer bedankten sich mit Standing Ovations und freuen sich schon jetzt auf das kommende Weihnachtskonzert. Dieses erklingt am Samstag, dem 7. Dezember 2019, um 17 Uhr, in der Auferstehungskirche Bamberg.