Ein Vortrag mit Musik von und mit dem Bamberger Komponisten Jochen Neurath, der Mezzosopranistin Taxiarchoula Kanati und dem Pianisten Stefan Schreiber
Richard-Wagner-Verband Bamberg
Es ist ein außergewöhnlicher Abend, den der Richard-Wagner-Verband Bamberg in Kooperation mit der Volkshochschule Bamberg Stadt am 30. April um 19 Uhr im Großen VHS-Saal veranstaltet. „Ins Offene: Komponieren heute“ heißt der Vortrag von und mit dem Bamberger Komponisten Jochen Neurath, der die Theorie besonders reizvoll mit der Praxis verbindet, denn es gibt dazu hochrangige Musikbeispiele – nicht etwa vom Band, sondern live. Der Eintritt ist frei.
Zunächst spricht der 1968 geborene Komponist über die Bedingungen des Komponierens, wie sie sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts darstellen – mit Rückblicken auf die sozialen, ökonomischen, geistesgeschichtlichen und ästhetischen Veränderungen seit Richard Wagners Zeiten. Das Publikum hat andere Erwartungen, der Künstler andere Ziele als sein Pendant im 19. Jahrhundert – und genau diesen Verschiebungen und ihrem Einfluss auf das tägliche Arbeiten spürt Neurath nach.
Den musikalischen Teil des Abends bestreiten die junge Mezzosopranistin Taxiarchoula Kanati und der Pianist Stefan Schreiber. Die beiden Künstler aus Stuttgart werden nicht nur Richard Wagners Wesendonck-Lieder vortragen, sondern mit dem eigens dafür komponierten Liederzyklus „Tränen“ von Jochen Neurath auch eine veritable Uraufführung.
Der Zyklus „Tränen“ ist für Neurath die erste durchkomponierte Partitur nach einer längeren Phase, in der er in seinen Werken Performance-Elemente, Improvisatorisches und ausformulierte Passagen miteinander verbunden hat. Die „Live“-Erfahrungen aus den vorangegangenen Stücken sind allerdings deutlich in das neue Werk eingegangen. Die Texte – von Friedrich Hölderlin, August von Platen und Rainer Maria Rilke – bilden in vier Stationen, die einen Tageslauf durchschreiten, ein inneres Drama ab.
Die Musik ist laut Neurath eigens für die Interpreten der Uraufführung geschrieben und stellt diese vor hohe Anforderungen: „Der Part des Pianisten emanzipiert sich vom reinen Begleiter zu einem gleichwertigen Duo-Partner, und die Sängerin muss einerseits das voll Potenzial des dramatischen Mezzosoprans entfalten, andererseits in feinen Melismen oder gesprochenen Passagen sensibel die untergründigen Emotionen der Gesänge freilegen.“
Biografisches zu den drei Künstlern:
Jochen Neurath ist 1968 in Celle geboren und in Bamberg aufgewachsen, wo er heute wieder lebt und als 2. Vorsitzender im Verein Neue Musik in Bamberg aktiv ist. Er studierte Komposition in Berlin und Hamburg und ist seitdem als freischaffender Komponist, Arrangeur und Musiker tätig.
Als „Composer in Residence“ der Staatsoper Hannover schuf er 2001 die Musik zu Nicolas Stemanns „Orestie“-Inszenierung, für Christoph Marthalers „Lieber Nicht“ 2003 an der Volksbühne Berlin wirkte er als Komponist und Darsteller, bei Projekten von Anna Viebrock in Zürich, Wien und Berlin brachte er sich als musikalischer Berater und Arrangeur ein. Seine Kammerorchesterfassung von Bachs „Kunst der Fuge“ für die Sinfonietta Leipzig 2007 überzeugte auch Riccardo Chailly, der ihn beauftragte, Bachs „Goldberg-Variationen“ für das Gewandhausorchester zu orchestrieren, die erstmals 2012 beim Bachfest Leipzig gespielt wurden.
Weitere wichtige Uraufführungen: 2014 „Gefrorene Träume“ in der Kilianskirche Heilbronn, 2015 „Missa Sine Domine“ in der Kunsthalle Zürich, 2017 Alban Bergs 3. Akt von „Lulu“ für die Staatsoper Hamburg und „Stimmen der Nacht“ in Zürich und Heilbronn, 2019 der Liederzyklus „Tränen“ in Bamberg und „In den Gärten“ zur Bundesgartenschau Heilbronn und im Warburghaus Hamburg.
Sein Werkkatalog umfasst darüber hinaus die Oper „Agrippina“ (Fragment), Lieder, Orchester-, Kammermusik- und Chorwerke, sowie auf bestimmte Räume, Umstände und Personen zugeschnittene Performance-Kompositionen wie „Exposition“ für das Deutsche Guggenheim Berlin.
Taxiarchoula Kanati stammt aus Athen und debütierte während ihres Studiums in Thessaloniki 2011 als Dido in Purcells „Dido and Aeneas“. Es folgten weitere Hauptrollen, darunter ab 2014 während ihres Studiums an der Stuttgarter Musikhochschule Alcina in Haydns „Orlando Paladino“, Bizets Carmen sowie zwei Partien in der Neufassung der Kammeroper „Alice im Wunderland“.
Die Mezzosopranistin war unter anderem Finalistin des Bundeswettbewerbs Gesang 2016 in Berlin sowie Preisträgerin beim Internationalen Wettbewerb der Kammeroper Schloss Rheinsberg 2018 und besuchte zahlreiche Meisterkurse, darunter bei Karan Armstrong, Brigitte Fassbaender und Janet Williams. Nach erfolgreichen Auftritten bei Konzert- und Liederabenden in sieben europäischen Ländern bereitet sie nun die ersten dramatischen Rollen ihres Repertoires vor, darunter Eboli, Santuzza, Brangäne, Venus und Jeanne d‘Arc. Im Bereich der zeitgenössischen Musik hat sie schon mehrfach mit dem Bamberger Komponisten Jochen Neurath zusammengearbeitet, der seinen neuen Liederzyklus „Tränen“ für sie und den Pianisten Stefan Schreiber geschrieben hat.
Stefan Schreiber ist in Duisburg geboren, studierte in Düsseldorf und wirkte als Studienleiter an den Staatsopern Hannover und Stuttgart, bevor er dort auch Vorstellungen dirigierte. Der Pianist und Dirigent unterrichtet außerdem an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und ist Wissenschaftlicher Beirat der Gesellschaft für Musikgeschichte Baden-Württemberg.
Spezialisiert in Aufführungen zeitgenössischen Konzert- und Opern-Repertoires arbeitete er in den letzten Jahren unter anderem mit den Komponisten Hans-Joachim Hespos, Chaya Czernowin, Hans Thomalla und Helmut Lachenmann, darüber hinaus als Darsteller in Musiktheater-Produktionen von Anna Viebrock, Christoph Marthaler, Thomas Bischoff und Peter Konwitschny.
In Stuttgart und andernorts hat er immer wieder Uraufführungen und zeitgenössische Bearbeitungen dirigiert, darunter zwei auch auf CD eingespielte Werke von Ming Tsao und der viel beachtete Doppelabend von Kurt Weills „Sieben Todsünden“ und „Seven Heavenly Sins“ von Peaches. Im Frühjahr 2020 wird er an der Oper Stuttgart Schuberts „Winterreise“ in der Interpretation von Hans Zender und Aernout Mik leiten.