Leben retten im toten Winkel: Über 137.000 Menschen für Abbiege-Assistent

Campact e.V.

Verden, 14. Juni 2018. Im Vorfeld des Tages der Verkehrssicherheit am 16. Juni macht die Bürgerbewegung Campact auf die tödliche Gefahr im toten Winkel aufmerksam. Beim Abbiegen kommen jedes Jahr Fußgänger und Radfahrer zu Tode, weil große LKW sie im toten Winkel nicht sehen können. Gerade gestern starb ein Achtjähriger in Berlin bei einem Abbiege-Unfall. Janine Schulz aus Bremen wurde auch von einem abbiegenden LKW überrollt. “Ich habe gerade so überlebt. Die meisten, die solche Unfälle erleben, können keine Petition mehr starten”, sagt die Erzieherin in einer aktuellen Video-Botschaft.

Schon über 137.000 Menschen fordern jetzt Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zum Handeln auf. Sie unterstützen Janine Schulzes Appell auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, für die Einführung von Abbiege-Assistenten.

Automatische Abbiege-Assistenten warnen LKW-Fahrerinnen und -fahrer beim Abbiegen akustisch vor Objekten im toten Winkel und können Notbremsungen einleiten. Zuverlässige Anlagen kosten etwa 1.500 Euro. Sie würden Unfälle, wie ihn Janine Schulz erlebt hat, vermeiden. Als sie die Straße überquerte, stoppte der LKW nicht, sondern fuhr über Beine und Hüfte. Zwei Wochen künstliches Koma, 20 Operationen und ein Jahr Krankenhausaufenthalt waren die Folge. Schmerzen hat sie immer noch. “Ich fordere Minister Scheuer persönlich auf, den Abbiege-Assistenten zur Pflicht zu machen”, sagt Schulz und spricht damit für die über 137.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner – unter ihnen auch viele weitere Betroffene.

Doch aus dem CSU-Ministerium ist dazu nichts zu hören. Obwohl mehrfach angefragt, gibt es für die Übergabe der WeAct-Petition noch keinen Termin. Der Tag der Verkehrssicherheit am Samstag wäre ein guter Anlass gewesen.

Der Bundesrat, die Länderkammer, hat vorgelegt. Gerade letzte Woche hat er die Bundesregierung aufgefordert, sich auf EU- und internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass Abbiege-Assistenten sowohl in den Typengenehmigungs-Vorschriften für Lkw ab 7,5 Tonnen als auch über Nachrüstpflichten vorgeschrieben werden. Auch im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung eine Abbiege-Assistenten-Pflicht vereinbart. Jetzt ist Verkehrsminister Andreas Scheuer gefragt.


Die GAL-Bamberg hat dazu einen Antrag gestellt

GAL will Abbiegeassistenzsysteme für städtische LKW

Neue moderne Technik kann Unfälle beim Rechtsabbiegen verhindern – Schutz für Radfahrende und Zufußgehende

Mit einem Antrag möchten die Bamberger Grünen erreichen, dass die Stadt Bamberg ihren kommunalen Fuhrpark an Lastkraftwagen mit so genannten Abbiegeassistenzsystemen nachrüstet. Diese sind laut GAL bereits existent und werden von mehreren Verkehrsverbänden gefordert. Abbiegeassistenten geben dem oder der Lkw-Fahrer*in ein akustisches Signal, wenn sich Verkehrsteilnehmende im so genannten toten Winkel befinden. Der Bundesrat hat erst kürzlich einen entsprechenden Beschluss gefasst, sie gesetzlich verpflichtend einzuführen. Ob und wann es dazu kommt, ist jedoch unklar.

Die sogenannten Rechtsabbiegeunfälle, bei denen Radfahrende oder Fußgänger*innen vom abbiegenden Pkw oder Lkw übersehen werden, gehören zu den klassischen Unfällen, deren Ausgang häufig tödlich oder mit schweren Verletzungen endet“, erklärt Vorstandsmitglied Christian Hader die Motivation zu diesem Antrag. Die GAL-Fraktionsvorsitzende und oberfränkische Spitzenkandidatin der Grünen für die bevorstehende Landtagswahl, Ursula Sowa, ergänzt: „Der Einbau eines solchen und qualitativ hochwertigen Abbiegeassistenzsystems kostet ca. 1500 Euro pro Fahrzeug. Das ist ein überschaubarer Betrag, wenn man berücksichtigt, dass sich die Stadt Bamberg der ‚Vision Zero‘ verpflichten will, es in Zukunft in Bamberg also keine Verkehrstoten oder Schwerverletzten mehr geben soll.“

Die Dringlichkeit des Antrags erklärt Christian Hader durch Geschehnisse in der jüngsten Vergangenheit: „In den vergangenen Wochen wurden innerhalb weniger Tage in München ein neunjähriges Mädchen und in Köln ein sieben Jahre alter Junge von abbiegenden Lkws getötet, darunter ein städtisches Müllfahrzeug. Im Jahr 2017 kamen deutschlandweit 38 Menschen durch abbiegende Lastkraftwagen zu Tode, in Bamberg im Jahr 2015 eine junge Studentin. Dieses sinnlose Sterben kann durch einfache technische Möglichkeiten gestoppt werden, das Geld darf dabei keine Rolle spielen.“

Die Bamberger Grünen verweisen abschließend darauf, dass die Stadt Augsburg den von der GAL geforderten Weg bereits beschreitet und alle städtischen Fahrzeuge entsprechend nachrüstet. Die Stadt Bamberg soll diesem Positivbeispiel nun folgen.

 

2 Gedanken zu „Leben retten im toten Winkel: Über 137.000 Menschen für Abbiege-Assistent

  1. Eine Abbiegevorrichtung wäre überaus nützlich und sollte im Fahrzeug Vorrang haben vor anderen überflüssigen und ablenkenden Dingen.

    • So richtig das auch ist, löst es das Problem nicht, kann es allenfalls mildern. Denn nicht nur Lkw- und Busfahrer lassen es beim Abbiegen an der nötigen Sorgfalt fehlen – der tote Winkel ist oft nur Ausrede (http://www.cycleride.de/aktuelles/news/101-das-magazin-stern-prangert-ausrede-toter-winkel-an.html). Pkw-Fahrer sind vielfach ebenso unachtsam.

      Eine weitere Gefahr sind die aus den einmündenden Straßen sowie aus Grundstücksausfahrten kommenden Kraftfahrer. Ehe sie einen Blick zur Seite werfen, blockieren sie meist schon den Radweg bzw. die Fahrradspur. Da hilft kein Abbiegeassistent.

      Eine der Hauptursachen ist die Verdrängung der Radler aus der Fahrspur des übrigen Fahrverkehrs. Denn auf eigenem Weg befinden sie sich außerhalb des bewußten Wahrnehmungsbereichs der Kraftfahrer. Durch die konkrete Gestaltung und Linienführung gelingt es zudem vielen Straßenbaubehörden, dieses Risiko noch deutlich zu vergrößern. Hier wäre also der erste Ansatz: Daß Radverkehr grundsätzlich auf die Fahrbahn gehört, ist seit Oktober 1997 geltendes Recht – wegen der deutlich höheren Unfallgefahr auf Radwegen!!!

      Des weiteren wären Verkehrserziehung, Fahrausbildung, Verkehrsüberwachung und Ahndung rücksichtslosen Verhaltens gegenüber Radfahrern endlich auf diese Situationen anzupassen. Die Staatsanwaltschaft hingegen hat wiederholt Ermittlungsverfahren verweigert oder eingestellt, weil ihrer Aussage nach nicht einmal bewußtes Ausbremsen und Abdrängen der Radler mit Kraftfahrzeugen eine Verkehrsgefährdung oder gar Straftat (Nötigung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr) darstelle. Radfahrer werden somit zu Freiwild erklärt.

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