von You Xie
Pu Zhiqiang, der 2. von rechts in der vierten Reihe
Pu Zhiqiang (浦志强) und ich waren gemeinsam auf der selben Liste, er gehörte auch zu den 100 einflussreichsten öffentlichen Intellektuellen Chinas. Wir beide sind noch auf einer anderen Liste, nicht gleich ist allerdings: er darf nicht ausreisen und ich darf nicht einreisen.
In China hat am Montag, den 14.12.2015, der Prozess gegen den bekannten Menschenrechtsanwalt Pu Zhiqiang begonnen. Nach kurzer Verhandlung wurde er unterbrochen. Der Anwalt des 50-Jährigen, Mo Shaoping, sagte, er rechne damit, dass das Urteil „sehr bald“ fallen werde.
Mit sieben Tweets spottete Pu Zhiqiang über die Beamten der Kommunistischen Partei und kritisiert die Regierungspolitik in Tibet und Xinjiang.
Die Anklage wirft Pu nach Angaben des Anwalts vor, „zu ethnischem Hass angestachelt“ sowie „Streit und Ärger provoziert zu haben“. Die Vorwürfe beziehen sich demnach auf mehrere Internet-Kommentare, in denen Pu staatliche Medienberichte über eine Messerattacke in der Unruheprovinz Xinjiang angezweifelt und Politiker der Kommunistischen Partei der Lüge bezichtigt hatte. Ihm drohen bis zu acht Jahre Haft.
Pu war zudem ein entscheidender Akteur beim erfolgreichen Kampf um die Aufhebung eines Arbeitslagersystems, das der Polizei erlaubte, Personen ohne Gerichtsprozess bis zu vier Jahre einzusperren. Die jetzt erhobenen Anschuldigungen beziehen sich auf eine Reihe von Posts auf dem chinesischen Pendant von Twitter, Sina Weibo.
Eine E-Mail: zehnjährige Haftstrafe
Shi Tao (师涛) ist ein chinesischer Journalist und Dichter, der am 27. April 2005 wegen der „Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.
Er arbeitete bei der Zeitung Dangdai Shangbao (Contemporary Business News) in Changsha, Provinz Hunan. Im Vorfeld des 15. Jahrestages des Tian’anmen-Massakers erhielten die Journalisten hierzu eine Direktive über das erwartete Verhalten. Shi Tao sandte eine Zusammenfassung dieser Direktive per E-Mail an die Asia Democracy Foundation, von der sie veröffentlicht wurde.
Diese Veröffentlichung wurde entdeckt und mit Hilfe von Yahoo-Hong Kong seine IP-Adresse ermittelt. Am 14. Dezember 2004 wurde er verhaftet. Sein Verhalten wurde als Veröffentlichung von „top secret“-Material eingestuft und er wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Es gab mal mehr und mal weniger Meinungsfreiheit unter der Herrschaft Kuomintang Chinas durch Chiang Kai-shek. Heute gibt es unter dem Regime der Kommunistischen Partei Chinas überhaupt keine Meinungsfreiheit.
Die Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht und wird in Verfassungen als ein gegen die Staatsgewalt gerichtetes Grundrecht garantiert, um zu verhindern, dass die öffentliche Meinungsbildung und die damit verbundene Auseinandersetzung mit Regierung und Gesetzgebung beeinträchtigt oder gar verboten wird. In engem Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit sichert die Informationsfreiheit den Zugang zu wichtigen Informationen, ohne die eine kritische Meinungsbildung gar nicht möglich wäre. Das Verbot der Zensur verhindert die Meinungs- und Informationskontrolle durch staatliche Stellen. Im Unterschied zu einer Diktatur sind der Staatsgewalt in einer Demokratie die Mittel der vorbeugenden Informationskontrolle durch Zensur ausdrücklich verboten.
Die Meinungsfreiheit wurde bereits 1789 in Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich als «un des droits les plus précieux de l’Homme» („eines der kostbarsten Rechte des Menschen“) bezeichnet. Heute gilt sie als einer der wichtigsten Maßstäbe für den Zustand eines demokratischen Rechtsstaates. Eines der häufigsten Zitate zur Meinungsfreiheit wird dabei irrtümlich Voltaire zugeschrieben, entstammt aber tatsächlich der Biographie von Evelyn Beatrice Hall über ihn, um damit seine Überzeugung zu beschreiben:
„I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it.“
„Ich lehne ab, was Sie sagen, aber ich werde bis auf den Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.“