Mehr Austritte im Jahr 2014 / Es wird mehr kirchlich geheiratet / Erzbischof Schick: „Franziskus-Effekt“ soll in jeder Gemeinde spürbar werden
Die Zahl der Katholiken im Erzbistum Bamberg ist unter die Marke von 700.000 gesunken. 2014 wurden in der Diözese 696.247 Katholiken gezählt, was einem Rückgang im Jahresvergleich um 1,05 Prozent entspricht. 1995 betrug die Zahl noch 821.000, im Jahr 2005 waren es 753.000. Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die ihre Ursache einerseits in der demographischen Entwicklung und andererseits in den Austrittszahlen, die mit Sorge beobachtet werden: Im Jahr 2014 verließen im Erzbistum Bamberg 5785 Menschen die katholische Kirche, das ist eine Steigerung von 21,61 Prozent im Vergleich zum Jahr 2013. Entsprechend dem Rückgang der Katholikenzahl waren ebenfalls rückläufig die Zahlen bei Taufen (4387, minus 83), Erstkommunionen (4817, minus 105), Firmungen (4376, minus 443), Wiederaufnahmen (123, minus 9), Eintritten (64, minus 23). Gestiegen ist die Zahl der Trauungen auf 1361 (plus 89).
Auch wenn beim Kirchenaustritt kein Grund angegeben werden muss, so legten einzelne Rückmeldungen die Vermutung nahe, dass die Veränderung des Verfahrens beim Einzug der Kapitalertragssteuer zahlreiche Menschen zum Austritt veranlasst hat, sagte Generalvikar Georg Kestel. Durch die Mitteilungen der Banken an ihre Kunden sei zum Teil der Eindruck entstanden, es werde eine neue Kirchensteuer erhoben. Dies sei jedoch falsch, es habe sich nur das Verfahren geändert, betonte Kestel. Hier sei verstärkte Aufklärung notwendig.
Erzbischof Ludwig Schick betonte, jeder einzelne Austritt sei schmerzhaft und bedauerlich, weil es sich um eine Abkehr von der Kirche handele, die den Menschen die Fragen nach dem Sinn und Ziel des Lebens beantworten helfe sowie Werte und Tugenden vermittle. Dem Austritt sei oft ein langer Entfremdungsprozess vorausgegangen. „Hier müssen wir uns fragen, was können wir tun, um zu zeigen, dass Kirche eine Gemeinschaft ist, die mit der Verkündigung der frohen Botschaft, den Gottesdiensten und der Caritas den einzelnen Menschen Halt und Orientierung gibt und die Gesellschaft bereichert.“ Es sei bedauerlich, wenn Katholiken, die nicht aktiv sind, ihre Pfarrgemeinde mit ihren Aufgaben und Aktivitäten nicht wahrnehmen, sagte Schick. Christen sollten „auftreten“, um „Austreten“ zu verhindern. Der Erzbischof brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass sich die Erneuerung, die Papst Franziskus in der Kirche derzeit vorantreibe, auch in Deutschland und im Erzbistum Bamberg bemerkbar machen und der „Franziskus-Effekt“ zu einer Trendwende bei den Austrittszahlen führen werde. Jeder Geistliche und kirchliche Mitarbeiter vor Ort habe die Aufgabe und Herausforderung, die Freude an Gott und die Mitarbeit in der Kirche zu stärken.
Die Zahl der im Erzbistum aktiven Priester (Welt- und Ordenspriester) sank von 273 auf 268. Sie sind in 366 Pfarreien und selbstständigen Seelsorgeeinheiten tätig.
Die katholische Kirche machte es sich entschieden zu einfach, wenn sie jetzt die Erklärung für die Zahl der Kirchenaustritte im veränderten Steuereinzugsverfahren suchte und ansonsten auf den „Franziskuseffekt“ hoffte
Es gibt immer wieder abgrenzbare Umstände, welche einen Anlaß zum Austritt liefern. Der wirkliche Grund aber liegt, wie der Bamberger Erzbischof richtig anmerkt, in der Regel tiefer, nämlich in innerer Entfremdung.
Wer die Kirche als überzeugende Glaubensgemeinschaft erlebt – ob als aktives oder passives Gemeindemitglied, ob angesichts sozialen Engagements (tätige Nächstenliebe) vor Ort und weltweit, ob als Hilfe in emotionalen Grenzlagen (Trauerbegleitung u. a.), … -, wird sich ihr verbunden fühlen (und die Kirchensteuer als selbstverständlichen „Mitgliedsbeitrag“ empfinden).
Wer hingegen erlebt, daß „Glaubensausübung“ auf den Vollzug sinnentleerter Riten beschränkt bleibt, wer sich engagieren möchte, jedoch an geschlossenen Zirkeln scheitert, wer sich moralischen Belehrungen ausgesetzt sieht, ohne daß auch nur der Versuch unternommen wird, ihren Sinngehalt begreiflich zu machen, verliert allzu häufig die Bindung. Zum Austritt bedarf es dann oft nur eines konkreten Anstoßes.
Vielfach vergessen die Verantwortlichen, ob aus dem Klerus oder dem Laienstand, daß Kirche Mission bedeutet: Sendung. Die Kirche muß auf die Menschen zugehen, sich als lebendige Gemeinschaft präsentieren und dabei zeigen, daß jede(r) willkommen ist. Sie muß dabei ihre Grundüberzeugungen, ohne sie zu verraten, in die moderne Zeit übersetzen – und das heißt im Einzelfall auch, die konkreten Handlungsempfehlungen den realen Gegebenheiten anpassen. Ein Beispiel wäre die Unauflösbarkeit der Ehe.
Sie hatte in ihrer Absolutheit vielleicht einmal ihre Berechtigung in den seinerzeitigen sozialen Verhältnissen. Doch die haben sich grundlegend geändert. Hieraus zu folgern, das Eheversprechen solle künftig eine eher unverbindliche, zeitlich befristete Absichtserklärung sein, wäre eine fatale Fehleinschätzung. Natürlich beinhaltet es im christlichen Verständnis das unbedingte, auch unbefristete Ja zum anderen.
Doch es wäre (ist) unmenschlich, auch bei veränderten, bei Eheschließung nicht absehbaren Umständen Konsequenzen ohne Wenn und Aber auszuschließen. Manchmal ist eine Trennung unvermeidbar – und dieser Realität muß sich die Amtskirche stellen. Wie in vielen anderen Situationen kann und darf kirchliches Handeln nicht in Ausgrenzung bestehen.
Wer auf der anderen Seite die Begeisterung sieht, mit der junge Menschen ihren Glauben bezeugen, weiß, weshalb ihm die Kirche viel bedeutet. Beispielhaft sei – neben unzähligen Jugendgruppen – das Wirken der Domchöre und der Werkstatt Neues Geistliches Lied hervorgehoben.
So bleibt zu hoffen, daß auch die Amtskirche insgesamt es künftig versteht, den Glauben so überzeugend zu verkünden und allerorten zu leben, daß Christi Botschaft der Liebe zu Gott und den Menschen (wie Jesus dargelegt hat, die beiden höchsten Gebote, aus denen sich alle anderen ableiten) umfassend Gehör findet.