Gemeinsame Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Bamberg und des Polizeipräsidiums Oberfranken
BAMBERG. Nach den sexuellen Missbrauchsvorwürfen gegen einen Bamberger Klinikarzt liegen den Bamberger Ermittlungsbehörden von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei nun Ergebnisse vor. Demnach haben die bisherigen Ermittlungen insgesamt 17 Einzelfälle ergeben, in denen ein strafrechtliches Fehlverhalten des beschuldigten Arztes in Betracht kommt. Davon scheidet ein Vorfall aus dem Jahr 2008 wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung aus.
Der Tatverdacht des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Frauen gegen den beschuldigten Klinikarzt hat sich in bislang 15 Einzelfällen bestätigt. Geschädigt sind insgesamt zwölf jüngere Frauen im Alter von 17 bis 28 Jahren, die teilweise mehrfach missbraucht worden sein sollen. Bei zehn der geschädigten Frauen handelt es sich um Patientinnen des beschuldigten Klinikarztes, die mit dem Tatverdächtigten anlässlich stationärer oder ambulanter Behandlungen wegen eines Beckenvenenleidens in Kontakt gekommen waren. Die Tathandlungen sollen zeitlich stets außerhalb des üblichen Klinikbetriebs, vorwiegend am späten Nachmittag und frühen Abend erfolgt sein. Bei den beiden weiteren Geschädigten handelt es sich um eine Medizinstudentin, die zum Vorfallszeitpunkt im Klinikum ein Praktikum absolvierte, und um eine Auszubildende der Bamberger Klinik. Beide hatten sich ihren Angaben zufolge auf Nachfrage des beschuldigten Arztes bereit erklärt, an einer von ihm angeblich durchgeführten Studie zu Beckenvenenleiden teilzunehmen.
In allen Fällen soll der Klinikarzt den geschädigten Frauen ohne jede Aufklärung und ohne Zustimmung ein Beruhigungsmittel in hoher Dosis injiziert haben, das – wie beabsichtigt – die völlige Willenlosigkeit und vollständige Erinnerungslosigkeit der Opfer zur Folge hatte. In dieser Situation soll der Beschuldigte seine entkleideten Opfer sexuell durch Manipulationen an deren Körper missbraucht haben. Die Tathandlungen hat der Klinikarzt selbst mit einer Vielzahl von Bildern dokumentiert, die jetzt wesentliche Grundlage für die Präzisierung der Vorwürfe sind.
In einem weiteren Fall soll der Beschuldigte einer Geschädigten ohne jede Aufklärung und ohne ihre Zustimmung ebenfalls ein Beruhigungsmittel in hoher Dosis injiziert haben. Insoweit weist die durchgeführte fotografische Dokumentation jedoch keine sexuellen Manipulationen aus.
Ermittlungsgruppe arbeitet mit Hochdruck
Vorstehende Erkenntnisse konnten durch eine akribische Ermittlungsarbeit einer zeitweise siebenköpfigen Ermittlungsgruppe der Kriminalpolizeiinspektion Bamberg in engster Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Bamberg gewonnen werden. Diese arbeitete unter Hochdruck seit Aufdeckung der Vorfälle Mitte August an der Sachverhaltsaufklärung. Alle auf den bisher ausgewerteten Datenträgern abgebildeten Frauen konnten mittlerweile identifiziert und polizeilicherseits vernommen werden. Erst im Rahmen dieser Vernehmungen, die aus Opferschutzgründen besonders behutsam durchgeführt wurden, erfuhren die Geschädigten von dem, was ihnen widerfahren ist. Dies zeigt, dass Opferschutzgesichtspunkte für dieses Verfahren von großer Bedeutung sind.
Zur Auswertung des umfangreichen Datenmaterials – es waren mehr als eine Million Bilder auf sichergestellten Datenträgern auszuwerten – war zudem eine erfahrene externe IT-Firma eingebunden.
Medizinstudentin brachte Stein ins Rollen
Im Zusammenhang mit den bisherigen Ermittlungen ist es für den Leitenden Oberstaatsanwalt Bardo Backert, dem Leiter der Staatsanwaltschaft Bamberg, besonders wichtig, das außerordentlich couragierte Verhalten der Medizinstudentin hervorzuheben, die Anzeige erstattet hatte. Ohne diese wäre das letztlich offenbar gewordene massive Fehlverhalten eines leitenden Klinikarztes niemals bekannt geworden. Für ihr mutiges und selbstloses Eintreten hat die Praktikantin hohes Lob verdient. Schließlich stand am Anfang der Ermittlungen nur ein vager Tatverdacht eines möglichen ärztlichen Kunstfehlers, nachdem die Anzeigeerstatterin realisiert hatte, dass ihr im Rahmen der Teilnahme an einer vermeintlichen Studie anstelle eines angeblichen Kontrastmittels ohne ihre Zustimmung und ohne jegliche Aufklärung eine Substanz injiziert worden war, die eine massive Erinnerungslücke für einen Zeitraum von etwa einer Stunde bewirkt hatte. Damit hatte sich diese zu Recht nicht abfinden wollen.
Haftbefehl erweitert
Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat jetzt dieses vorläufige Ermittlungsergebnis zum Anlass genommen, beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Bamberg die Anpassung des Haftbefehls an die neuen Erkenntnisse zu beantragen. Der Ermittlungsrichter hat darauf hin den bestehenden Haftbefehl neu gefasst und diesen dem Tatverdächtigen im Beisein seines Verteidigers am heutigen Montag eröffnet. Der Tatverdächtige verbleibt weiter in Untersuchungshaft.
Im neu gefassten Haftbefehl werden nun dem Klinikarzt 15 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Widerstandsunfähigen zur Last gelegt, davon in zwölf Fällen rechtlich zusammentreffend mit gefährlicher Körperverletzung. In zehn Fällen davon handelt es sich um sogenannte besonders schwere Fälle des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger, für die das Gesetz eine Mindeststrafe von zwei Jahren vorsieht. Der Strafrahmen reicht in diesen Fällen bis zu einer Höchststrafe von 15 Jahren. In einem weiteren Fall lautet der strafrechtliche Vorwurf lediglich auf gefährliche Körperverletzung.
Lückenlose Aufklärung der Vorfälle
Die Staatsanwaltschaft wird zusammen mit dem Fachkommissariat der Bamberger Kriminalpolizei die Ermittlungen fortsetzen, nachdem in der Kürze der Zeit noch nicht alle für eine umfassende Würdigung des Geschehens erforderlichen Feststellungen getroffen werden konnten. Es kann somit derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass sich noch weitere strafrechtlich relevante Erkenntnisse ergeben können.
Die Staatsanwaltschaft Bamberg wird nun ein psychiatrisches Sachverständigengutachten in Auftrag geben, um zu klären, ob der Tatverdächtige bei Begehung der Taten, die von Oktober 2008 bis Ende Juli 2014 reichen, in vollem Umfang strafrechtlich verantwortlich handelte. Entsprechend dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen strebt die Staatsanwaltschaft eine baldmögliche Anklageerhebung – möglichst noch im Spätherbst dieses Jahres – an.