Bamberger Kulturgeograph erforscht die Sehnsucht nach der ländlichen Idylle
Weitläufige Gärten, Wildblumensträuße auf Holztischen, Sonnenaufgänge über Ackerflächen, die ein einsamer, aber glücklicher Landwirt gerade bestellt. So präsentiert sich das Landleben in vielen Zeitschriften. Welche Gründe es für die Renaissance des Landlebens gibt und ob das Leben auf dem Land tatsächlich so idyllisch ist, erforscht Marc Redepenning, Inhaber des Lehrstuhls für Kulturgeographie an der Universität Bamberg.
In seinen bisherigen Untersuchungen beobachtete er, wie sich die Einstellung vieler Menschen zum Stadt- und zum Landleben in den letzten Jahren stark verändert hat und wie in den Medien neue Raumbilder des Ländlichen etabliert worden sind. So gilt die Stadt heute wie einst als Heilsbringer mit ausreichend Arbeitsplätzen, zugleich ist sie für immer mehr Menschen zum Fluch geworden. „Es sind paradoxerweise gerade die voranschreitenden technischen und städtebaulichen Veränderungen, die die Menschen überfordern. Genau das provoziert eine Gegenbewegung, von der das vermeintlich gute Leben auf dem Land dann profitiert“, erklärt der Kulturgeograph.
Das Ländliche erfuhr in den letzten Jahren eine deutliche Bedeutungsaufwertung. Die Menschen assoziieren Ländlichkeit nicht mehr mit Rückwärtsgewandtheit oder einem primitiven Leben – vielmehr werden Harmonie, Geborgenheit und Tradition als genuin rurale Eigenschaften hervorgehoben. „Im Gegensatz zum Stadtleben mit all seiner Hektik und seiner Zukunftsgewandtheit scheint das Leben auf dem Land eine Art Entschleunigung zu versprechen“, erklärt Redepenning.
Kann das Landleben aber tatsächlich seine ihm zugesprochenen Erwartungen erfüllen? Redepenning verglich aktuelle Entwicklungen auf dem Land und in der Stadt mit dem, was ihnen subjektiv an Bedeutung zugeschrieben wird, und stellte deutliche Unterschiede fest. „Das Landleben ist natürlich nicht so idyllisch wie es gern dargestellt wird.“ Zahlreiche Konflikte, etwa über den Ausbau erneuerbarer Energien oder der Lebensmittelsicherheit sowie die infrastrukturelle und demographische Schrumpfung kennzeichnen ebenso das ländliche Dasein.
Auf der anderen Seite stellen diese Defizite und die „Leere des Ländlichen“ auch eine Art von Möglichkeitsraum dar: Offene, naturbelassene Flächen, billige Grundstückpreise und Abgeschiedenheit rufen neue Nachfrager auf den Plan. „Eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen, man mag sie als rurale Raumpioniere bezeichnen, betrachten diese ländliche Leere als Luxus und suchen sie gezielt.“