Dr. Anja Heidenreich
Noch etwas verschlafen liegt es da, das ehemalige Haus der Gärtnerei Rost, mit den über die Jahre verbeulten Jalousien des Ladengeschäfts, die sich jedes Jahr, die das Erdgeschoss ungenutzt geblieben ist, mehr in Schieflage bewegen und sich mittlerweile aus der Verschnürung lösen.
Doch wer die Tocklergasse stadteinwärts unterwegs ist und seinen verträumten Kennerblick auf dieser städtebaulich verbindenden Ecksituation ruhen lässt, kann sich leicht vorstellen, wie wieder Leben in die Bude einkehrt. Wie die Jalousien gelupft und die Fensterläden aufgestoßen werden, wie ein frischer Wind durch die Hütte bläst und wie ein paar Eimer Farbe und ein paar kräftig anpackende Hände die Situation hier grundsätzlich ändern.
Mit dem Angebot der Stadt Bamberg, den noch nicht umgesetzten Bebauungsplan für die Färber- und Tocklergasse im Bereich des Neubaugebietes Wachsbleichen explizit für gemeinschaftliche Wohnprojekte auszuschreiben, ist für viele Mitglieder zweier Baugruppen ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Nicht nur dieser sehr spezifische Charakter der Ausschreibung, auch die guten Angebotsbedingungen, nämlich den Bauplatz zum derzeit üblichen Quadratmeterpreis plus zu erwartender Wertsteigerung anzubieten – anstatt an den meist bietenden Investor zu verkaufen – trugen nicht nur maßgeblich dazu bei, sondern sind eine unverzichtbare Voraussetzung, um solche Projekte Realität werden zu lassen.
Zu den Grundsätzen des gemeinschaftlichen Wohnens gehört u.a. ein solidarisches Miteinander, das sich als bewusste Reaktion auf den demographischen Wandel des Zusammenlebens in der städtischen Gemeinschaft versteht. Die tatsächliche Identifikation der Stadt als Lebensraum, fernab aller aufgesetzten Slogans der Immobilienmakler, ist damit untrennbar verbunden. Ganz anders als die Entwicklung hin zu hochspekulativen Luxuswohnbereichen wollen die Teilnehmer in einem verdichteten urbanen Leben ein Beispiel dafür setzen, diesen Lebensraum für alle Bewohner nicht nur zu erhalten, sondern auch zu festigen und zu beleben.
Die Färbergasse 16 verbindet wie eine Eckklammer die beiden längs-rechteckigen Grundstücke der Neubauvorhaben nicht nur städtebaulich, sondern ist auch der einzig gewachsenen Altbestand, der emblematische Funktion für den Zugang zu dem nun seit fast einem Jahrzehnt geschaffenen kleinteiligen Neubaugebiet „Wachsbleichen“ im Herzen unserer Gärtnerstadt einnimmt. Man könnte sich genau hier perfekt vorstellen, wie die guten theoretischen Ansätze und Vorsätze des bereichernden Miteinander auch in der Praxis reiche Früchte tragen. Mit Räumlichkeiten, die für eine Vielzahl von kulturellen Kleinveranstaltungen „in unserem Kiez“ nutzbar sind. Die bespielt werden mit Ausstellungen, Café-Veranstaltungen, kleinen Konzerten, in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen, die vermietbar sind für besondere Events, die kleine Nebenräume für eine Werkstattgemeinschaft, ein Atelier, einen (gut schallgedämmten) Proberaum bieten, wo sich Nachbarn zu improvisierten Kursen treffen, wo auch die Kinder und Jugendlichen Räumlichkeiten vor Ort für Aktivitäten vorfinden.
Wir möchten die Stadt Bamberg daher dazu aufrufen, das Wohn- und Lebenskonzept des gemeinschaftlichen Miteinanders auch mit diesem Schritt maßgeblich zu unterstützen, indem Raum geschaffen wird für Initiativen einer bei den Bürgern selbst verwurzelten und von ihnen selbst getragenen Kulturentwicklung, die immer die Wertschätzung des direkten Lebensumfeldes (mit)berücksichtigt und durch vielschichtige Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme und zum Kennenlernen in unschätzbarer Weise den Alltag bereichert.
Dazu wäre es dringend nötig, dass seitens der Stadt bei diesem Objekt auf kurzfristige (und angesichts der Größe des Objektes marginale) Spekulationsgewinne verzichtet wird und eine ausschließliche Privatisierung dieses Zweifamilienhauses nicht maßgeblich befördert wird. Es wäre äußerst wünschenswert, wenn sich im Zuge des Verkaufs Bedingungen ergäben, die das Objekt zwar zum marktüblichen Preis anbieten, der freien Spekulation durch Investoren aber die Grundlage entziehen. Die Stadt könnte hier maßgeblich unterstreichen, dass sie den Gedanken des gemeinschaftlichen Wohnens und Lebens durchaus mit Nachdruck unterstützt.