Redaktion
Der große Saal der Konzerthalle hätte noch reichlich Raum geboten für Gäste. Gleichzeitig mit der Feier „20 Jahre Welterbe“ beging die Stadt die 45-jährige Städtepartnerschaft mit der Stadt Villach/Österreich. Neben der österreichischen Abordnung und der Stadtkapelle Villach waren einige hochkarätige und verdiente Menschen um das Welterbe im Großen, wie Dr. Verena Metze-Mangold, Vizepräsidentin der deutschen UNESCO-Kommission, Prof. Dr. Klaus Hüfner, Ehrenmitglied der UNESCO-Welterbestätten Deutschland, und Dr. Thomas Goppel, MdL und Vorsitzender des bayerischen Landesdenkmalrates, und im Kleinen, wie Bamberger, allen voran die Mitglieder engagierter Vereine, gekommen. Oberbürgermeister Andreas Starke entschuldigte den Kulturreferenten und Bürgermeister Werner Hipelius sowie den Vorsitzenden der Preisverleihungs-Welterbestiftung Michael Stoschek. Im Jubiläumsjahr ist auch der Posten der Leitung „Zentrum Welterbe“ vakant.
„Das entscheidende Ziel unserer gemeinsamen Bemühungen war und ist die Bewahrung der Authentizität, also des Echten, des Unverfälschten …“
OB Andreas Starke betonte weiter: „… Bamberg ist ein solches Original. Wir leben bekanntlich in einer Zeit des raschen Wandels und großer Dynamik. Trotzdem oder deshalb registrieren wir in vielen Städten Einförmigkeit, die dem Zeitgeist geschuldet ist. Viele Innenstädte, die überall dieselben Filialisten beherbergen und mit schablonenhaften Fassaden das Bild beherrschen, sind oftmals zum Verwechseln ähnlich geworden.
Bamberg ist dazu der Gegenentwurf. Die Stadt steht exemplarisch – so formulierte es die UNESCO in ihrer Begründung – für eine besondere Form der europäischen Stadt. Es ist die Stadt der kurzen Wege, in der die Funktionen menschlichen Lebens – Arbeiten, Wohnen, Versorgung, Freizeit und Kultur – nicht getrennt, sondern dicht miteinander verknüpft sind. Diese Form des urbanen Zusammenlebens ist für jung und alt attraktiv, weil dabei auch die sozialen Bindungen nicht verloren gehen und ein wichtiger Beitrag zur Identitätsstiftung geleistet wird.“
Die Engagierten „beweisen echten Bürgersinn“
Freilich stellte er auch den Wert des „Titels“ für die Marketingstrategie des Bamberger Tourismus- und Kongress Service heraus. Der Welterbestatus hat Bamberg eine „hohe Anziehungskraft“ verliehen. Anlässlich der Preisverleihung an die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg erkannte er das Engagement „jeder Bürgerin und jedes Bürgers dieser Stadt an. Jeder kann und muss seinen Teil dazu beitragen, damit das Welterbe lebendig bleibt. Ich danke deswegen allen Bürgerinnen und Bürger, die durch ihr Engagement das Welterbe schützen. Sei es durch eigene Investitionen in das Einzeldenkmal, sei es durch ehrenamtliches Engagement in den Schutzgemeinschaften, Bewahrungsorganisationen oder auch durch spontanes und gut gemeintes Einmischen in die tägliche Kommunalpolitik. Sie beweisen damit echten Bürgersinn und haben den Respekt von uns allen verdient.“
Ein Stück Weltkulturpolitik
Frau Dr. Metze-Mangold ließ die Geschichte der UNESCO-Welterbe Kommission mit der Bedrohung 1972 von Abu Simbel durch den Bau des Assuan Staudammes und der darauf folgenden Konvention zum Schutz der historischen Stätten Revue passieren: Denkmale sind nicht Eigentum einer Region, sondern der ganzen Menschheit, besitzen universellen Schutz und somit Gültigkeit. Damit gehe immer ein Souveränitätsverlust einher, da nun die Weltgemeinschaft ein Auge auf deren Erhaltung werfe. Diese Weltkulturpolitik sei sichtbar, erfolgreich und ungemein populär. Von den 962 Welterbestätten sind 188 Natur- und 745 Kulturerbestätten in 157 Ländern, weitere 29 Denkmäler sind derzeit sowohl als Kultur- als auch als Naturerbe geführt. Zum Welterbe in Deutschland gehören 48 Kultur- und Naturgüter, davon 37 Welterbestätten, 13 Beiträge zum Weltdokumentenerbe. Bisher gehören keine Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit dazu. Mit dieser beträchtlichen Anzahl gehört Deutschland zu den TOP TEN.
„Welterbestätten sind mehr als attraktive Reiseziele“
Dies war eine ihrer zentralen Aussagen und gleichzeitig galt ihr Dank allen Bürgern für ihr Interesse, ihre Förderung und Aufmerksamkeit für die Erhaltung des universellen Erbes.
Auch die ersten Worte von Prof. Klaus Hüfner galten den „Bürgern, die dem engagierten Teil der Weltbürgergemeinschaft zuzuordnen sind“. Das weltumspannende Programm der UNESCO diene der Friedenskonsolidierung und der Bildung weltweit. Der Vorsitzenden des Landesdenkmalrates Dr. Goppel ließ in einer bemerkenswerten Festrede, die wir unten wörtlich wiedergeben, die Manifestierung der Denkmalpflege und damit deren gesellschaftliche Relevanz seit den späten 60er Jahren und deren Verankerung in der Gesetzgebung Revue passieren. Die Arbeitsgemeinschaft „Historische Städte“, in der Bamberg gemeinsam mit Regensburg und Lübeck seit den 70er Jahren den städtebaulichen Denkmalschutz begründeten – und um die es zumindest in Bamberg sehr still geworden ist, kam ebenso zur Sprache, wie die Gründung der Hochschule als Innenstadt-Universität: „Studieren im lebendigen Kulturerbe“.
Preisverleihung an Schutzgemeinschaft Alt Bamberg – sie zeigen Ecken und Kanten und haben keine Angst vor Stolpersteinen
In ihrem 45-jährigem Bestehen muss die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg zwar keine Flugblätter vor der Konzerthalle – wie vor 20 Jahren anlässlich der Aufnahme in die UNESCO – verteilen, was nicht heißt, dass deren Engagement erlässlich ist. Frau Dr. Dengler-Schreiber durfte in ihrer Würdigung die Entstehung, verdiente BürgerInnen und deren Verdienste hervorheben. Ohne deren Einsatz gäbe es das E-Werk (heute VHS), die Remise im Burgershof (heute Universität), den chirurgischen Pavillon (heute Stadtarchiv), die Obere Mühle (heute Studentenwohnheim), das Schleusenwärterhaus (heute Villa Wunschpunkt, jedoch Abriss Schleusenwärtergehilfenhäuschen für LGS), das Haus Schillerplatz 9 (heute Vereinsheim), den Pavillon Michelsgarten nicht mehr. Mit dem Hausbesitzerbrief haben sie lange vor der Titel-Verleihung Denkmalbesitzer auf ihre Schätze aufmerksam gemacht, diese beraten und mit Spaziergängen und ungezählten Vorträgen zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch aufgerufen. Heute muss sie vor allem die städtische Verwaltung mahnend anrufen. Dies geht aus den Dankesworten des ersten Vorsitzenden Dr. Jörg Händler, die im Anschluss zu lesen sind, sehr deutlich hervor.
Wir haben vielfach über das Engagement der Schutzgemeinschaft berichtet und werden das auch weiterhin tun. Von Herzen: Glückwunsch!!!
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Gerettete Schätze / Lesetipp: Neue DENKMAL WEITER / Vortragsreihe KONVERSION.CHANCEN FÜR BAMBERG / Fällung der Eiben am Michelsberg: zukünftig Transparenz wagen / Baumfällung am Kloster Michelsberg? / DENKMALWEITER. Schutzgemeinschaft Alt Bamberg gibt eigene Zeitschrift heraus / Protestaufruf: Wir werden überfahren / Verraten wir unser Erbe? / Podiumsdiskussion zu Neuem Bauen in alten Städten / Quartier an der Stadtmauer – Neue Ideen für ein altes Viertel /
Dankesworte von Dr. Jörg Händler anlässlich der Preisverleihung der Weltkulturerbestiftung Bamberg am 1. Juni 2013
Sehr verehrte Damen und Herren,
ich möchte mich ganz herzlich für die Verleihung des Förderpreises der Weltkulturerbestiftung Bamberg bedanken. Diesen Dank sage ich im eigenen Namen, aber natürlich auch im Namen der anderen Vorstands- und Beiratsmitglieder und im Namen aller Mitglieder unseres Vereins. Haben Sie Dank für diese Auszeichnung!
Ich selbst stehe nur zufällig hier. Zufällig deshalb, weil ich gerade erster Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Alt Bamberg bin. Zwar stehe ich dem Verein mittlerweile schon gute 7 Jahre vor, in der fast 45-jährigen Geschichte der Schutzgemeinschaft Alt Bamberg ist dies aber nur ein kurzer Zeitraum. Deshalb gebühren dieser Preis und diese Auszeichnung vor allem auch meinen Vorgängerinnen und Vorgängern im Amt des Vorsitzenden, allen anderen Vorstands- und Beiratsmitgliedern, aber vor allem natürlich auch allen Vereinsmitgliedern. Ohne deren Engagement und Menschen wie Gabriele Pfeff-Schmidt, Dr. Horst Miekisch, Rainer Hartmann, Werner Hottelmann und Dr. Victor Harth wäre der Verein sicherlich nicht das, was er ist. Nicht zu vergessen sind auch Personen wie Nina Gräfin von Stauffenberg, Freifrau Gudila von Pölnitz, Irene Hottelmann-Schmidt oder Dr. Christa Harth.
Man hat mich im Vorfeld zeitlich nicht reglementiert – deshalb möchte ich zu diesen Dankesworten noch Folgendes anfügen:
Als bekannt wurde, dass die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg den Förderpreis der Weltkulturerbestiftung erhalten wird, wurde ich mehrfach darauf angesprochen und es erreichten mich zahlreiche Anrufe. Der Wortlaut war meist der gleiche: Wollen die Euch um den Finger wickeln oder Euch zum Schweigen bringen? Darauf habe ich mit der Antwort entgegnet: „Wir haben das einfach verdient!“
Die Fragen und die Antwort zeigen gut, wofür die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg steht:
Wir sind streitbar! Wir sind aber auch an Konsens und an gemeinsamen Lösungen im Sinne des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege interessiert. Wir legen mehr Wert auf Zusammenarbeit als auf Konflikte. Wir legen aber auch den Finger in die Wunde, wenn wir diese sehen. 2009 hatte ich bei unserer Mitgliederversammlung die Marschroute für die Zukunft mit „Dialog statt Konflikt“ ausgegeben. Heute, etwa vier Jahre nach dem Ausspruch dieser Worte muss ich allerdings sagen, dass ich bzw. unser Verein zweifelt, ob es dabei bleiben kann. Warum?
Unser Verein arbeitet zum Wohl und im Interesse unserer Stadt eng und sehr gut mit den anderen Vereinen und Gremien zusammen – Historischer Verein, Bewahrt die Bergstadt, Freunde des Weltkulturerbes Bamberg, Bamberg Mitte, IV. Distrikt, Kunstverein Bamberg, Architektur Treff Bamberg und Stadtheimatpfleger.
Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung lässt aber in der letzten Zeit zu wünschen übrig.
Wir haben den Eindruck, dass man uns zwar gerne Stellungnahmen abgeben lässt bzw. dass wir unsere Meinung äußern dürfen; man nimmt diese zur Kenntnis, macht aber dann das, was man will oder schon immer vorhatte, ohne unsere Einwände zu beachten. Dabei gibt es in Bamberg zahlreiche Projekte, Vorhaben und „Baustellen“, bei denen es aus unserer Sicht – und damit meine ich auch die anderen Vereine und die Bürger der Stadt – Sinn machen würde, uns mit ins Boot zu nehmen und echte gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Ich erinnere hier an Themen wie Nachverdichtung und weitere Bebauung im Haingebiet, die Ansiedelung öffentlicher Einrichtungen im sensiblen Berggebiet und den Bau von Parkpaletten dort, das Projekt „Quartier an der Stadtmauer“ und natürlich die Jahrhundertaufgabe Konversion.
Wir vermissen auch manches: Wo ist die Stadtplanung? Wo ist der Blick für das Ganze? Wo sind die Visionen? Warum wird auf den Input von außen bzw. die Umsetzung dieses Inputs verzichtet? Wo ist ein Welterbemanager? Wo ist ein Dokumentationszentrum Welterbe?
Dabei richtet sich unsere Kritik aber nicht nur an die Stadtverwaltung, sondern auch an die Vertreter der Bürger der Stadt Bamberg, die Stadträte. Wir rufen Ihnen zu: Kommen Sie zu unseren Veranstaltungen! Lassen Sie sich auch von uns informieren! Nehmen Sie unser Angebot an, mit Ihnen gemeinsam Lösungen für Bamberg zu entwickeln! Nehmen Sie auch einmal einen anderen Blickwinkel ein!
Lassen Sie sich auch von uns informieren!
Unsere Stadt ist schön! Sie ist liebens- und lebenswert! Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten, dass es so bleibt. Und vergessen Sie nicht: es waren die Bürger, die Denkmäler saniert haben und erheblich dazu beigetragen haben, dass wir heute 20 Jahre Welterbe feiern dürfen. Es darf nicht dazu kommen, dass man den Titel „Welterbe“ als selbstverständlich ansieht, ein Titel, mit dem man sich schmückt und mit dem man wirbt. Man muss auch etwas dafür tun! Dass man sich „Welterbe“ rühmt, ist nicht selbstverständlich; Welterbe und Denkmalschutz gehören zum Selbstverständnis!
Die unverwechselbaren Orte und Bilder einer Stadt, die im kollektiven Gedächtnis niedergelegte erinnerte Vergangenheit, sind die besten Begleiter aus dem Einst in das Demnächst, von der Vergangenheit und aus der Gegenwart in die Zukunft.
Lassen Sie mich daher mit einem Zitat aus Friedrich Nietzsches „Unzeitgemäße Betrachtungen, vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ schließen: „Dass das Leben aber den Dienst der Historie brauche, muss ebenso deutlich begriffen werden, als der Satz, dass ein Übermaß der Historie dem Lebendigen schade.“ Das sollte unser Maßstab sein!
Vielen Dank!
Dr. Thomas Goppel, MdL, Vorsitzender des bayer. Landesdenkmalrates
1993, also vor 20 Jahren, hat die UNESCO die Altstadt von Bamberg zum Weltkulturerbe erklärt. Eine der schönsten Städte Oberfrankens, Frankens, Bayerns, Deutschlands, Europas oder der Erde – ganz wie Sie mögen – erhielt gleichsam eine globale Nobilitierung.
Aber nicht nur deshalb ist das 20-jährige Jubiläum der Weiterbe-Auszeichnung ein Grund zum Feiern. Mindestens ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger ist, was Bamberg und seine Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus dieser ehrenvollen Auszeichnung gemacht, wie sie – um die Sprache der Bischofsstadt zu benützen – mit den überlassenen Pfunden gewuchert haben.
Bamberg nach der Eintragung in die Liste des Welterbes: eine städtebauliche, soziale, geistig-kulturelle und touristisch-ökonomische Erfolgsgeschichte.
Um beim Feiern dabei zu sein und um von Herzen zu gratulieren, bin ich deshalb gerne ein weiteres Mal von München nach Bamberg gekommen, aus der sich auch kulturell so wichtig nehmenden Landeshauptstadt in eine Stadt, deren kulturelle Wichtig-, ja Einzigartigkeit von der Weltgemeinschaft vor 20 Jahren schon objektiv und endgültig besiegelt worden ist.
ln Erinnerung an das 1000-jährige Bistumsjubiläum im Jahr 2007 oder die Festlichkeiten zur 200. Wiederkehr von E.T.A. Hoffmanns Ankunft in Bamberg im Jahr 2009 stelle ich fest: ln Bamberg häufen sich die gewichtigen Gründe zum gemeinsamen Feiern. Sie wissen längst, dass ich gerne mitfeiere. Und nutzen es weidlich aus!
Dass ich hier stehen und reden darf, hängt sicher vor allem mit meiner Funktion als Vorsitzender des Landesdenkmalrates und mit der Tatsache zusammen, dass ich in meiner Zeit als Mitglied der Bayerischen Staatsregierung und insbesondere an der Spitze des Wissenschafts- und Kunstministeriums immer wieder einmal etwas für diese ganz besondere bayerische Stadt da sein konnte und durfte. Die Modernisierung und Renovierung dieser Konzerthalle, die übrigens heuer ebenfalls ihren 20. Geburtstag feiern kann, ist mir noch sehr präsent.
Aber es sind auch familiäre Bezüge, die mir durch den Kopf gingen, als ich dieser Festrede auf den Grund gegangen bin. Es war die Zeit des „Kabinetts Alfons Goppel III“ – wie die Historiker das nennen –, in der das Bayerische Denkmalschutzgesetz erarbeitet und am 7. Juni 1973, vor fast genau 40 Jahren, vom Landtag verabschiedet worden ist.
Die Bedeutung dieser gesetzlichen Regelung, mit der auch der Landesdenkmalrat etabliert wurde, für den Kulturstaat Bayern, für sein Selbstverständnis und sein Erscheinungsbild, kann man gar nicht überschätzen. Es war geradezu ein denkmalpflegerischer Quantensprung, der auch hier in Bamberg verstärkt Maßnahmen einzuleiten gestattete, die den Weg hin zur späteren Welterbe-Auszeichnung ebneten.
Ebenso denke ich in unserem heutigen Sachzusammenhang an die im Jahr des Denkmalschutzgesetzes auf Initiative Bambergs gegründete „Arbeitsgemeinschaft Historische Städte“; Lübeck und Regensburg waren mit an Bord. Das war gleichsam die Geburtsstunde des modernen „städtebaulichen Denkmalschutzes“ – und Bamberg wird mit Recht als der eigentliche Geburtshelfer angesehen.
Auch an eine andere Initiative meines Vaters und seines dritten Kabinetts darf ich am heutigen Tag erinnern: Am 16. Juli 1972 beschloss der Bayerische Landtag, eine Gesamthochschule Bamberg zu errichten. Das war nicht nur eine wegweisende Entscheidung zur Fortentwicklung der bayerischen Universitätslandschaft, sondern sie führte in Verbindung mit der städtebaulichen Idee einer „Universität in der Stadt“ zur anschließend mit Engagement und Leidenschaft genützten Chance, die Erneuerung der Bamberger Altstadt mit der Hochschulplanung zu verbinden und so den bedrohten historischen Stadtkern zu retten.
Heute spricht man zu Recht vom „Studieren im lebendigen Kulturerbe“. Mit Freude habe ich gesehen, dass die Otto-Friedrich-Universität Bamberg ihr diesjähriges Magazin als Beitrag zum Jubiläumsjahr ganz dem Thema „Welterbe“ als wissenschaftlicher Fragestellung widmet.
Das ist ein angemessener, ein wohlfeiler Dank. Schließlich ist die in Stadt und Stadtbild integrierte Universität ein konstituierender Teil des Weltkulturerbes, und diese Integration ist zugleich ein ganz außergewöhnliches Alleinstellungsmerkmal der Bamberger Alma Mater.
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Es kann nicht meine Aufgabe sein, Ihnen den Weiterbe-Charakter Bambergs zu erläutern. Dass die kirchlich, herrschaftlich und frühbürgerlich geprägte Bergstadt, dann die bürgerliche Erweiterung der Inselstadt und schließlich die Gärtnerstadt insgesamt ein herausragendes Beispiel für ein mitteleuropäisches urbanes Ensemble auf mittelalterlicher Grundlage sind, das weiß in Bamberg schon jedes Schulkind.
Gleiches gilt für die europäische Vernetzung Bambergs von der romanisch-frühgotischen Zeit bis ins 19. Jahrhundert: Frankreich, Böhmen, Ungarn, Polen – Bamberg war eine Stadt im politischen, religiösen, sozialen und ökonomischen Netzwerk Mitteleuropas. Am heutigen Tag kommt das auch durch die Anwesenheit der Gäste aus dem österreichischen, von 1007 bis 1759 aber bambergischen Viilach zum Ausdruck. Den Damen und Herren aus Bambergs Partnerstadt entbiete ich an dieser Stelle einen ganz besonders herzlichen Gruß.
Ihnen muss ich auch nicht erzählen, welche Anstrengungen in Bamberg erforderlich waren und sind, um den Verpflichtungen gerecht zu werden, die sich aus dem Welterbe-Titel ergeben. Die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung oder der demographische und klimatische Wandel konfrontieren die Kommunalpolitik und alle Bürgerinnen und Bürger mit ständig neuen Problemen. All diese Herausforderungen lösen zu müssen, ohne die Identität und die Authentizität der Stadt zu gefährden, aber auch ohne Bambergs Altstadt zu einem Museum zu machen, ist bei allem Reiz, den das mit sich bringt, Sisyphusarbeit.
Wenn man – wie ich schon auch – Bamberg aus einer gewissen Distanz heraus beobachtet, so ist unübersehbar, dass im Laufe der Jahre in der Politik, in der Bevölkerung, in der Universität, bei Tourismus und Wirtschaft ein sensibles „Welterbe-Bewusstsein“ gewachsen ist, das bei den laufenden Entscheidungen als Ampel und Wegweiser zugleich dient.
Das alles wissen Sie, das alles muss von mir nicht weiter erläutert werden und trägt nur alte „Pflastersteine“ in die Stadt, die nicht umgesetzt werden wollen, Ruhe brauchen. Was ich aber tun möchte ist, drei am Bamberger Beispiel entwickelte Gedanken zu formulieren, die nicht nur für diese Stadt, sondern für ganz Bayern – und vielleicht auch darüber hinaus – eine gewisse Bedeutung haben und hoffentlich behalten.
Erstens: Ein regional verankertes Welterbe wie Bamberg – das fordert geradezu heraus, über das Verhältnis von Heimat und Globalisierung nachzudenken. Werden mit dem weltweiten ökonomischen Wandel, der zunehmenden und vielfach erzwungenen Mobilität der Menschen, der internationalen Vereinheitlichung und der medialen und touristischen Überwindung von Raum und Zeit unsere Kultur bedroht, wird damit auch die Heimat globalisiert?
Vieles deutet darauf hin, dass globale Welt und Heimat, dass Globalisierung und Regionalisierung, Vereinheitlichungstendenzen und die Suche nach Identität in überschaubaren geographischen, sozialen und historischen Räumen nicht Gegensätze sind, sondern zumindest Parallelerscheinungen. Vermutlich sind sie aufeinander bezogen, in einem gewissen Sinne sind sie die oft beschworenen zwei Seiten einer Medaille.
Mit seinem ökonomischen Blick meinte das der bayerische Unternehmer Claus Hipp, als er 2003 von der Heimat als Standortfaktor im Zeitalter der Globalisierung sprach. Natürlich geht ihre Bedeutung weit über die Wirtschaft hinaus.
Die Auszeichnung „Weltkulturerbe“ ist nicht Ausdruck einer Globalisierung von Heimat und regionaler Kultur, sondern dieser Ehrentitel resultiert aus der Erkenntnis, dass Heimat einerseits individuell, konkret und abgegrenzt ist, andererseits aber allen offen steht und allen Menschen überantwortet, vererbt ist.
Auch die von der Stadt Bamberg mit berechtigtem Stolz getragene Medaille „Weltkulturerbe“ hat zwei Seiten, eine lokale und eine globale.
Mein zweiter Gedanke betrifft das untrennbare Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Natürlich ist Bamberg als Weltkulturerbe zunächst einmal Ausdruck einer langen und großen Geschichte. Monumental, einzigartig, faszinierend ragt die Vergangenheit in die Gegenwart hinein. Aber ist dieses kulturelle Erbe nicht mehr als ein Museum, nicht viel mehr als ein bloßes tempi-passati-Denkmal?
Bei einem Spaziergang durch Bamberg wird Geschichte lebendig, aber primär sind das gegenwärtige Leben und die Perspektiven in die Zukunft. Lebendiges Leben mit historischer Tiefenschärfe. Auch Herkunft und Zukunft sind zwei Seiten einer Medaille. Oder sollte man es einfach mit dem 2000 Jahre alten Diktum von Marcus Valerius Martialis sagen: „Doppelt lebt, wer auch Vergangenes liebt.“
„Welterbe Bamberg“, das spricht über die Geschichte vergangener Jahrhunderte; aber mindestens eben so viel spricht es über das Selbstverständnis von Staat und Gesellschaft in unseren Tagen, über deren Verhältnis zum kulturellen Erbe, über die historischen Aspekte unserer Identität. Bambergs Leistungen vor Augen darf man dann Johann Wolfgang von Goethes Faust als Lob für diese Stadt zitieren: „Was du ererbt von deinem Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“
Der Aufforderung, dieses geflügelte Wort in einer Abituraufgabe zu interpretieren, könnte man heute mit einem medialen, audio-visuellen und digitalen Gang durch Bambergs Straßen gerecht werden.
ln der aktuellen Diskussion über Denkmalpflege in Bayern hat Generalkonservator Professor Greipl, unser oberster amtlicher Denkmalschützer, vor kurzem gesagt: „Das Besondere ist nicht das Neue, das Besondere ist das Alte.“ Ich möchte das aufgreifen und mit dem Blick auf diese Stadt formulieren: „Das Besondere ist die lebendige Verbindung des Alten mit dem Neuen, des kulturellen Erbes mit der Gegenwart.“
Und schließlich drittens: Historische, kulturelle und politische Identität in Bayern ist janusköpfig. Heimat und Heimatgefühl sind es auch. Einerseits richtet sich der Blick nach München und auf das zu Beginn des 19. Jahrhunderts geschaffene Staatsbayern. Andererseits sucht und findet man ein reichhaltiges Identifikationsangebot in den eigenständigen geschichtlichen Landschaften, die in der napoleonischen Ära Selbständigkeiten zugunsten des Neuen Bayern verloren haben, ohne gleichzeitig unterzugehen. Bamberg ist dafür ein herausragendes Beispiel. Derartig doppelte Identität ist im Bayern der letzten 200 Jahre zu einem besonderen Kennzeichen von Land und Leuten geworden.
Das bayerische Spannungsverhältnis von Zentralismus und Regionalismus ist naturgemäß ein ständiges Thema der öffentlichen Diskussion und der politischen Auseinandersetzung. Da es um Gewinn und Verlust, um Selbstwertgefühle, mentale Eigenheiten oder sozio-kulturelle Verankerung geht, wird die Diskussion oft emotionsgeladen und nicht immer mit rationalen Argumenten geführt.
Aber lässt sich dieser historisch gewachsenen Tatsache, diesem als bayerisches Charakteristikum anzusehenden Spannungsverhältnis nach den in zwei Jahrhunderten gemachten Erfahrungen nicht in erster Linie Positives abgewinnen? Ist es der Kulturpolitik und ihren Institutionen und Verwaltungen nicht letztlich immer wieder gelungen, das Spannungsverhältnis in einen sachgerechten und jeweils zeitgemäßen Ausgleich zu bringen?
Bayern glänzt mit München , einer Kunst- und Wissenschaftsstadt von Weltruhm, und Bayern glänzt gleichermaßen – neben vielen anderem – mit seinen sieben von der UNESCO prämierten Welterbe-Stätten, die alle weit außerhalb der Haupt- und Regierungsstadt liegen. So wie Bamberg München braucht, so braucht München Bamberg.
Da fehlt noch die Conclusio, die Einbindung des Einmaligen in das einmalig Vielfältige:
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
2013, das ist nicht nur ein Bamberger Jubiläumsjahr, sondern auch ein Jahr, in dem vor allem in Oberfranken nachdrücklich an Jean Paul erinnert wird. Vor 250 Jahren wurde er in Wunsiedel geboren. Auch Bamberg gedenkt dieses großen Dichters und Schriftstellers – und vielleicht hat Jean Paul an Bamberg gedacht, als er formulierte: „Die größten Städte und Genies sind unregelmäßig gebaut, voller Sackgassen und Paläste.“
Schauen Sie vom Turm des Schlosses Geyerswörth über das Alte Rathaus in der Regnitz und die Altstadt zum Domberg, werfen Sie einen Blick auf „Kieinvenedig“, schlendern Sie durch die Gassen und dann hinauf zum steinernen Platz des Domes, zur Alten Hofhaltung, zur Neuen Residenz, zum Kapitelhaus – und erinnern Sie sich an dieses Zitat von Jean Paul. „Die größten (und er meint natürlich „die bedeutendsten Städte“) und Genies sind unregelmäßig gebaut, voller Sackgassen und Paläste.“ Dann werden Sie mir sicher zustimmen, wenn ich abschließend feststelle: Jean Paul behält recht, Bamberg ist einfach genial.