Jérôme Grad
Timo Boll hat sensationell seinen zehnten Einzeltitel bei den Deutschen Meisterschaften und damit den alleinigen Rekord verpasst. In einem packenden Spiel unterlag er dem Weltranglisten-157. Steffen Mengel (TTC matec Frickhausen) knapp mit 3:4. Bei den Damen besiegte Xioana Shan (FSV Kroppach) die topgesetzte Zhenqi Barthel (TTG Bingen/Münster-Sarmsheim) in sechs Sätzen.
Boll ungeschlagen – bis zum Finale
Boll, der seinen ersten DM-Titel vor 15 Jahren feierte, steuerte nach den Samstagsergebnissen direkt auf seinen zehnten Titel zu. Zu dominant hatte er am Samstag gewirkt und mit 12:0 Sätzen das Halbfinale erreicht. Auch dort konnte ihn Alexander Flemming (TV 1879 Hilpoltstein) nicht stoppen und verlor glatt in vier Sätzen. Bolls Kontrahent im Finale war Steffen Mengel, der sich gegen Zoltan Fejer-Konnerth einen packenden Kampf lieferte und erst nach sieben Sätzen ins Finale vorstoßen konnte.
Die kürzere Ruhepause für den Frickhausener ein Nachteil? Weit gefehlt. Gleich im ersten Satz versuchte Mengel mit aggressivem Spiel Timo Boll den Schneid abzukaufen, was ihm auch gelang. Er erspielte sich eine 10:1 Führung und konnte den ersten Satz mit 11:4 gewinnen. Bolls Siegesserie ohne Satzverlust war gerissen. In der mit 2600 Zuschauern gut besuchten Halle machte sich erste Verwunderung breit. Doch es sollte noch schlimmer kommen für den Weltranglisten-Fünften.
Timo Boll fand im zweiten Satz zwar besser ins Spiel und konnte diesen mit 11:8 für sich entscheiden. Nachdem Satz drei wiederum an den stark aufspielenden Mengel mit 11:9 ging, musste der 123-fache Nationalspieler jedoch eine Schippe drauflegen, was er erfolgreich tat. Nach dem fünften Satz lag Boll erstmals in dieser Partie mit 3:2 Sätzen in Führung.
Im sechsten Satz sah es dann nach der Entscheidung zugunsten des Düsseldorfers, der zuletzt vor vier Jahren gewann, beim Spielstand von 11:10 und 12:11 aus. Der 31-Jährige konnte jedoch beide Matchbälle nicht verwerten. Stattdessen gewann Mengel den Satz mit 14:12 – es ging in den entscheidenden siebten Satz.
Nun gelang dem Frickhausener beinahe alles – jeder Schlag saß und Boll musste reagieren. Tat er auch. Nach 0:4 Rückstand gelang ihm der 5:6 Anschluss. Der Wendepunkt in einer dramatischen Partie? Nein, Steffen Mengel pushte sich unter den Anfeuerungen der Zuschauer und ließ sich den Satz nicht mehr nehmen. 11:7 hieß es am Ende und 4:3 in der Endabrechnung für Mengel, der damit sensationell seinen ersten Meistertitel feiert.
Glücklich und erschöpft zugleich zeigte sich der 24-jährige im Anschluss der Partie. „Ich kann es noch gar nicht glauben, Deutscher Meister zu sein, und dann auch noch gegen Timo das Finale gewonnen zu haben“, sagte der 1,95 m Hühne. Vor dem Spiel hatte er sich noch zum Ziel gesetzt, wenigstens einen Satz zu gewinnen, hatte er beim letzten Aufeinandertreffen 2010 doch lediglich magere elf Punkte gegen Boll gemacht. Mit dem Finalsieg hatte wohl selbst er nicht gerechnet.
Barthel und Shan in den Finals zunächst mit-, dann gegeneinander
Bei den Damen bot sich für Zhenqi Barthel und Xiaona Shan die Möglichkeit zum zweifachen Titelgewinn in der Stechert-Arena. Nachdem sie im Doppel Seite an Seite bereits Tanja Krämer und Nadine Bollmeier mit 4:1 bezwangen, setzten sich Zhenqi Barthel (gegen Kristin Silbereisen) und Xiaona Shan (gegen Kathrin Mühlbach) in den Einzelhalbfinals jeweils klar mit 4:0 Sätzen durch.
Die Chance auf doppeltes Gold zerschlug sich jedoch bereits für beide im Doppelfinale, wo sie auf Sabine Winter und Petrissa Solja trafen.
Zunächst sah es für Barthel und Shan noch gut aus, sie führten mit 2:1 Sätzen. Doch dann drehte das bayerisch-österreichische Gespann auf und konnte den vierten Satz für sich entscheiden. Die Partie kippte. Während Shan und vor allem Barthel entnervt wirkten, spielten sich Winter und Solja unter dem frenetischen Beifall der Zuschauer in einen Rausch. Nach gewonnenem fünftem Satz verwandelte die 18-Jährige Solja gleich den ersten Matchball im sechsten Satz zum 11:3. Somit können sich Winter und Solja nach dem für sie eher enttäuschenden Einzelwettbewerb über dem Doppeltitel freuen.
Flemming und Schlichter siegen im Herren-Doppel
Im Herren Doppel siegten Publikumsliebling Alexander Flemming und Jörg Schlichter zum zweiten Mal nach 2009.
Im Endspiel bezwangen sie Flemmings Mannschaftskollegen vom TV 1879 Hilpoltstein Nico Christ und dessen Partner Lennart Wehking mit 4:1 Sätzen. Zuvor hatten sich die neuen Deutschen Meister im Halbfinale ein packendes Match gegen Zoltan Fejer-Konnerth und Philipp Floritz geliefert. Nach 0:3 Satzrückstand drehten sie die Partie noch und setzten sich noch mit 4:3 durch.
Shan überrascht Barthel
Nach der Finalniederlage im Doppel spielten Shan und Barthel im Einzel gegeneinander. Mit nur 2 (Barthel) bzw. 1 Satz (Shan) abgegeben Sätzen im gesamten Turnierverlauf standen sie verdient im Einzelfinale.
Shan begann forsch und setzte mit dem Gewinn der ersten beiden Sätze gleich ein Ausrufezeichen. Die Favoritin Zhenqi Barthel kam bis dorthin mit der Spielweise der Kroppacherin nicht zurecht und verlor folgerichtig beide Sätze deutlich mit jeweils 6:11. Im dritten Satz schien die Nummer eins eine passende Antwort auf die Bälle von Shan gefunden zu haben und kam wieder heran. Auch nach der Verkürzung auf 2:3 in Sätzen hatte Barthel noch Hoffnung.
Doch Xiaona Shan war an diesem Tag einfach besser. In einem hochklassigen Match vergab Barthel beim Stande von 6:6 den Big Point – der entscheidende Knacks im Spiel. Sie verlor den sechsten Satz mit 7:11 und das Spiel mit 2:4 Sätzen. Die sympathische Shan feierte somit fünf Monate nach ihrer Einbürgerung ihren ersten Meistertitel.
Veranstalter mit Zuschauerresonanz zufrieden
Die Absagenflut vieler Topspieler tat den Besucherzahlen keinen Abbruch, zeigte sich DTTB-Vizepräsidentin Heike Ahlert zufrieden. Mit insgesamt über 6.500 Besuchern von Freitag bis Sonntag wurde die Zielmarke von 6.000 übertroffen. Auch Horst Feulner, Geschäftsführer der BAB Bamberg Arena Betriebsgesellschaft mbH resümierte zufriedenstellend, dass das Angebot von Spitzensport in der Region angenommen wurde.
DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig bat um Verständnis für die verletzungsbedingte Absagenflut. Die Deutschen Meisterschaften seien nicht der Saisonhöhepunkt für die Topspieler. Vielmehr gilt das Augenmerk der WM in Paris vom 13. – 20. Mai. Kleinere Verletzungen würden demnach im Hinblick auf die WM und den Trainingsplan ernstgenommen und auf einen Start verzichtet. Dennoch hatten die Spiele hohe Qualität, so Schimmelpfennig. Die Absagen von Ovtcharov, Jiaduo und Co. boten die Chance für andere Spieler und Spielerinnen, sich in den Vordergrund zu kämpfen, wie beispielsweise Doppel-Meister und Einzel-Halbfinalist Alexander Fleming.