München
(Anfang März)
Nicht mehr fern
kann sein der Frühling.
Die in der Kurve
kreischende Tram
übertönen
die Amseln.
Gisbert Kranz
Von Chrysostomos
Bekannt ist Gisbert Kranz vor allem für seine akribischen Arbeiten zur Verbindung zwischen bildender Kunst und Literatur, genauer: zum Bildgedicht. Darüber sind Kranz‘ eigene Gedichte, die er zum Teil unter dem anagrammatischen Pseudonym Kris Tanzberg vorlegte, etwas in Vergessenheit geraten. Der 1921 in Essen Geborene war ein zutiefst christlich geprägter Lyriker. „Bilderstürmer vor Christusfigur“ heißt eines seiner Gedichte, „Anbetung der Hirten“ (nach Greco) ein anderes. „Seht da des Alten Testaments Propheten“ hebt „Vor dem Bamberger Fürstenportal“ an.
Kranz’ Lyrik geht aber über das Erleben Gottes in der Natur hinaus, sie klagt beispielsweise Umweltzerstörung an („Du bist tot, / du bist tot, du armer Wald.“) oder transportiert auf Reisen gewonnene Bilder: „Tausendundeine / Nacht: Kaufen, küssen, köpfen. / Danach riecht es hier.“ („Ort im Orient“). Oder sie feiert, anfangs März, den Gesang der Amseln. Ganz ähnlich, wie das Ulla Hahn auch macht, in „Fast“ („Abend im März. Glückselige Musik / von Amseln und alten Meistern.“), doch dazu ein anderes Mal mehr. Der Frühling jedenfalls kann so weit nicht mehr sein.
In Paderborn und Bonn studierte Kranz katholische Theologie, später, nach Jahren in britischer Kriegsgefangenschaft, schloß sich das Studium der Germanistik und Anglistik an, das er mit einer Promotion über Ernst Jünger beendete. Über Elisabeth von Thüringen, über Augustinus, über Gilbert Keith Chesterton schrieb Kranz Biographien, Christliches in der Weltliteratur (2007) gibt Leseempfehlungen zu großen Romanen und Erzählungen, ein im Bamberger C. C. Buchner Verlag erschienener Band stellt Gedichtinterpretationen vor. 2009 ist Kranz, der seit 1965 in Aachen zuhause war, in seiner Heimatstadt verstorben. Seine bedeutende Sammlung von Gedichten auf Bilder befindet sich in Wolfenbüttel, ein anderer Teil seiner Bibliothek in Eichstätt.
Eine Auswahl der Lyrik von Gisbert Kranz erschien 1984 unter dem Titel Niederwald und andere Gedichte in Lüdenscheid bei Michael Claren, darunter auch „Vor dem Bamberger Fürstenportal“.