Vom Schwimmen, im Glück. Und dem Verlangen. Nach mehr. Einige Gedanken zu Christoph Wilhelm Aigner.

Nach dem Winter

Nichts hat sich ereignet
Hab Holz gehackt und das Holz
redete von Glut
zweiundzwanzig Briefe geschrieben zwei erhalten
dem Regen zugesehn
wie er vom Wind auf Händen
getragen wurde und doch fiel
Ein anderer bin ich jetzt

Christoph Wilhelm Aigner

Von Chrysostomos

Ein stilles Gedicht ist das, dieses „Nach dem Winter“, und spricht doch Bände. Nichts, gar nichts hat sich ereignet, und doch so vieles. Da ist, beispielsweise, denn winters ist es ja für gemeinhin kalt hierzulande (und auch in Oberösterreich; Aigner ist, 1954, in Wels geboren), da ist also Holz gehackt worden, und diese Scheite nahmen sich sogar heraus, von Glut zu reden. Zweiundzwanzig zu zwei steht es bei dem (brieflichen) Verkehr. That speaks, wie gesagt, volumes, was man, nebenbei, exakt so auch im Englischen benennen kann, genau wie „here comes my better half“. Wenn die Gute auch gar nicht gekommen ist, so hat sie doch – immerhin, würde sie sicherlich lautstark unterstreichen – ganze zweimal geschrieben.

Da wurde, was für ein schönes Bild, der Regen „vom Wind auf Händen / getragen“, und einer schaute zu. Ja ist das denn nichts? Es hat ihn verändert, dieses Schreiben, und dieses Nichtschreiben, von Briefen, dieses Hacken von Holz, dieser Augen-Blick auf den auf Händen getragenen Regen, der dann doch fiel, und diese Glut, die inniger wohl sprach als diese läppischen beiden erhaltenen – man darf vermuten, daß es kurze warten – Briefe. Vieles hat sich ereignet, in diesem Winter. Nämlich: „Ein anderer bin ich jetzt“.

Nach dem Studium der Germanistik, der Kommunikations- und der Sportwissenschaft – der begabte Fußballer spielte einige Zeit bei Austria Salzburg – arbeitete Christoph Wilhelm Aigner als Journalist, war beim Österreichischen Rundfunk und dann als Redakteur beim Salzburger Tagblatt. Seit Mitte der Achtziger ist er freier Schriftsteller (und Übersetzer), lebt zumeist in Italien, in einem abgelegenen Bergdorf der Toskana, wenn er nicht gerade in Rom ist; Giuseppe Ungaretti hat Aigner, wie seine Landsfrau Ingeborg Bachmann, ins Deutsche gebracht.

In Erich Fried hatte Aigner einen energischen Befürworter, in der auch als bildende Künstlerin wunderbaren Sarah Kirsch hat er noch immer eine entschiedene Förderin. Aigner, der 1985 mit Katzenspur debütierte, weilte mehrmals in Wiepersdorf, hielt Poetik-Vorlesungen an der Universität Innsbruck und war 2004, ein Jahr vor Silke Scheuermann, über die auch einmal zu schreiben sein wird, Dresdner Stadtschreiber.

Schon den Titeln seiner Gedicht- und Prosabände eignet eine nicht zu leugnende, eine einnehmende Poesie: Vom Schwimmen im Glück heißt eine Lyriksammlung von 2001, vier Jahre später folgt (gleichfalls Gedichte) eine Kurze Geschichte vom ersten Verliebtsein, Die schönen bitteren Wochen des Johann Nepomuk schließlich ist Aigners Roman von 2006 betitelt. Es geht darin, unter anderem, um Fußball.

Aigner, dem Gedichte die literarische Königsdisziplin sind, sagt von sich, daß er sich nicht als „Autor oder Schriftsteller“ verstehe. „Diese Bezeichnung ist mir fremd. Ich habe etwas geschrieben, und das ist publiziert worden, aber dieses umfassende Gefühl, dass ich Schriftsteller sei, fehlt mir. Wenn man schreibt, dann wird man eben so bezeichnet, doch es bedeutet wenig.“ Hut ab, diese Bescheidenheit und Zurückhaltung ist uns sehr lieb. Das Gespräch zwischen Aigner und Katharina Bendixen ist im übrigen nachzulesen im poet (Nr. 7, August 2009, erschienen im Leipziger Poetenladen). Die Bücher Aigners kommen in der Deutschen Verlagsanstalt heraus.

Weil sie so schön sind, Aigners Gedichte, in denen sich viel ereignet, auch wenn sich gar nichts tut, hier noch zwei Kostproben:

 

Was ich für dich gefunden habe

Bunter Herbststurm
dem das Meer applaudiert

und Bernsteintropfen
der untergehenden Sonne

*

Verlangen nach Meer

Nachts bei etwas Glück
und Wärme
das Wasser eine Wiege