Urbane Plaudereien – Frühstück bei der Fanny

Peter von Liebenau

Der urbane Mensch geht, wenigstens manchmal, zum Frühstück außer Haus. Manche erledigen dies „espresso“, sie trinken also schnell mal im Stehen „un caffè, per favore“, wie wir Italiener sagen, sie gehen ins Rondo am Schönleinsplatz und genehmigen sich dazu ein Gebäck sowie eine Anzahl neuester Tratsch-Geschichten aus der nahen Justiz mit etwas Politik.

Andere begeben sich in ein größeres Bar-Café-Restaurant am selben Platz, in dem man sich einen urbanen Eindruck holen könnte, wenn man in Richtung Süden schaut, auf die angrenzenden höheren Gebäude bzw. aufs Theater, weswegen auch die Landbevölkerung gerne hierher kommt, weil sie dann das Gefühl hat, einmal richtig „in der Stadt“ zu sein. Hier frühstückt man unter anderem mit Sekt, Lachs und allem, was dazugehört – wobei das freilich auch in der Fußgängerzone und den dort angrenzenden Straßen und Plätzen möglich ist. Eine der Bedienungen heißt sicher Fanny oder Franzi, oder man nennt sie einfach so, als urbaner Bamberger – Frühstück also immerhin bei der Fanny, wenn schon nicht bei Tiffany.

Ja, Bamberg ist in den letzten Jahren allein dadurch etwas urbaner geworden, als dass man in der Innenstadt eine ganze Reihe von Lokalitäten findet, in denen man mal kurz einen Espresso trinken kann, der frisch aus der „Macchina“ kommt und eine wunderbare, nicht-künstlich aufgeschäumte Crema aufweist. Und wenn man einer Bekannten begegnet oder eine Frau einen Mann trifft, kann sie jederzeit sagen: „Trink’ mer zusammen an Espresso?“ – speziell unter Uni-Angehörigen gilt das nicht als Anmache. Es ist urban, völlig unverbindlich, aber ausbaubar, bei Bedarf.

Der ältere Bamberger Ureinwohner allerdings setzt sich in sein Bäckerei-Café und bestellt, ohne Höflichkeitsformel: „An Kaffee und a Hörnla!“

Vorher muss allerdings selbst er eine Brücke überqueren, die so gebaut wurden, als sollte sie unbedingt urban aussehen – leider. Das Gegenteil wurde meist erreicht. „Gewollt“ ist eben nicht urban, und auch sonst nichts. Dabei gibt es den ganz einfachen Brückentest für gelungene und nicht-gelungene Brücken: Eine gelungene Brücke schaut man um ihrer selbst willen gern an und benutzt sie nicht nur, um ans andere Ufer zu gelangen, sondern hält sich auch auf ihr auf, wenn man Zeit dafür hat. Bei einer gelungenen Brücke stimmen beide Kriterien (anschauen, aufhalten) zugleich, wohlgemerkt.

Von den zahlreichen Bamberger Brücken erfüllen leider nur zwei diese Kriterien in einer Einheit: Die Obere Brücke am alten Rathaus und die Kettenbrücke. Auf der Oberen Brücke kann man sogar in der warmen Jahreszeit frühstücken, und es wäre gut, wenn die entsprechenden Lokale diese Möglichkeit beibehalten könnten. Die Kettenbrücke ist auch insofern urban, als dass sie der New Yorker Brooklyn Bridge indirekt als Vorbild gedient haben soll.

Auch auf der Unteren Brücke am Alten Rathaus halten sich in den warmen Sommernächten zwar Menschen auf, aber niemand schaut das flache Ding um seiner selbst willen an, die meisten Touristen stört es eher, wenn sie von der Oberen Brücke aus einen Blick auf Klein-Venedig werfen wollen. Über die Schönheit der restlichen Brücken kann man streiten, länger aufhalten mag sich auf ihnen jedenfalls niemand.

Derselbe Test wie der Brücken-Test ist übrigens in ähnlicher Weise auf die Architektur allgemein anwendbar: Architektonisch gelungene Gebäude schaut man gern um ihrer selbst willen an – auch wenn sie nicht benutzt werden, wenn also kein Mensch drin ist. Sie haben neben der pragmatischen eine kontemplative Dimension. Der Dom beispielsweise ist zweifellos ein grandios gelungenes Gebäude, man besichtigt ihn gern, er erlaubt sogar Inspiration, am besten, wenn er ganz oder fast völlig leer ist; die Touristenmassen stören hier, wenn sie als Masse auftreten, wie an keinem anderen Ort Bambergs und führen sich, wenn sie den Dom unbedingt besichtigen und vollstopfen wollen, damit selbst ad absurdum.

Im Gegensatz dazu besuche man einmal die Uni- oder Schulgebäude an der Feldkirchenstraße und Am Heidelsteig, in den Ferien, wenn niemand da ist. Aber Vorsicht! Die gähnend leeren Gänge können Depressionsanfälle auslösen. Tipp: Man suche schnellstmöglich das nächstgelegene Café auf und genieße ein gutes Frühstück.