Bund Naturschutz
Die Hinweise auf die Rückkehr der seltenen Wildkatze in die Wälder Bayerns mehren sich. Derzeit sind bayernweit mehr als 100 Wildkatzenfreunde den heimlichen Mäusejägern mit Lockstöcken und Genanalysen auf der Spur. „Für den deutschland- und europaweiten Lebensraumverbund nehmen die Wälder in Bayern eine zentrale Rolle ein“, so Dieter Lotter von der Bund Naturschutz Ortsgruppe Litzendorf.. „Wir machen vor Ort mit 10 Betreuern auf gut 25 Beprobungsflächen rund um Bamberg bei diesem Naturschutzprojekt mit. Denn es gibt konkrete Hinweise, dass die Wildkatze im östlichen Landkreis Bamberg unterwegs ist.“ Mithilfe von Duft-Lockstöcken werden nun Haarproben von Wildkatzen gesammelt. Hierzu werden raue Dachlatten an geeigneten Stellen im Wald eingeschlagen. Sie werden mit Baldrian besprüht, einem Duftstoff, den unsere wilden Katzen unwiderstehlich finden. Wenn sie sich am Lockstock reiben, verlieren sie Haare, die von den ehrenamtlichen Betreuern abgesammelt werden. Eine einfachere Methode zur Gewinnung von genetischem Material ist kaum vorstellbar. Allein in Bayern haben sich mehr als 100 Menschen gefunden, die in den nächsten Wochen in den Wäldern Lockstöcke betreuen werden. Dieter Lotter dazu: „Mit etwas Glück gelingt der Nachweis der Wildkatze in unserer Region.“
Die Wildkatze (Felis sylvestris) ist keine verwilderte Hauskatze, sondern eine eigene Katzenart. Sie ist eine scheue Waldbewohnerin, die große unzerschnittene Waldgebiete besiedelt. Dort nutzt sie gerne lichte Bestände oder Waldlichtungen, auf denen ihre Hauptnahrungsquelle, Waldmäuse, vorkommen. In Baum- oder Felshöhlen werden zwischen zwei und vier Jungtiere allein von der Mutter aufgezogen. Die Reviere sind bei den Männchen bis über 20 Quadratkilometer, bei den Weibchen bis 6 Quadratkilometer groß. Junge Katzen müssen sich neue Reviere suchen und das schaffen sie nur, wenn sie keine ausgeräumten Agrarwüsten und keine stark befahrenen Straßen überqueren müssen.
Die Wildkatze war bis vor etwa 250 Jahren noch in allen größeren bayerischen Wäldern verbreitet. Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert wurde sie ähnlich dem Luchs als vermeintlicher „Schädling der Wildbahn“ und „Raubzeug“ mit allen Mitteln verfolgt. Heute sind Verluste durch den Straßenverkehr Todesursache Nummer 1. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden meist nur noch einzelne durchwandernde Exemplare gesichtet. Um 1930 wurde die letzte bayerische Wildkatze erlegt. Heute leben in Bayern dank des Wiedereinbürgerungsprojektes des Bund Naturschutz immerhin wieder 100–200 Exemplare, wobei die Anzahl an Wildkatzenmeldungen auch aufgrund der Bemühungen des BN um den Erhalt von naturnahen Laubwäldern erfreulicherweise steigt. Aktuell liegen Nachweise aus dem Spessart, der Rhön, den Haßbergen und aus dem Fichtelgebirge vor.
Das Wildkatzen-Projekt des Bundes Naturschutz in Bayern e. V.
1984 begann der Bund Naturschutz (BN) mit Unterstützung des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums und verschiedener Forstämter mit einer Zucht- und Wiedereinbürgerungsaktion. Im Spessart wurden 18 Jahre lang Wildkatzen ausgewildert. Dazu wurden die Tiere in Gehegen gehalten, die im Wald unzugänglich lagen – die Katzen sollten sich so wenig wie möglich an Menschen gewöhnen. Die Jungtiere blieben zuerst beim Muttertier im Käfig, wurden dort gekennzeichnet und geimpft, dabei wurde auch eine Haarprobe für die DNA – Analyse entnommen. Anschließend wurden für sie die Käfigtüren geöffnet und sie konnten selbstständig die angrenzenden Wälder erobern. Die damals gewonnenen Genproben sind heute eine Basis der bundesweiten Wildkatzen – Gendatenbank. Insgesamt wurden in der Laufzeit des Wildkatzenprojekts bayernweit ungefähr 600 Tiere ausgewildert. Inzwischen hat die Wildkatze wieder Fuß in den Wäldern Unterfrankens fassen können. Im Spessart hat sich die Wildkatze so gut etabliert, dass das Zucht- und Auswilderungsprojekt 2011 erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Grenzüberschreitendes Projekt „Wildkatzensprung“
Trotz der Erfolge in Bayern: Die Wildkatze kann nur durch länderübergreifende Schutzmaßnahmen gerettet werden. Langfristiges Ziel ist ein Netzwerk verbundener Waldgebiete von 20.000 Kilometern Länge in Deutschland. Dieser Biotopverbund soll Wildkatzen und anderen Tierarten die Möglichkeit für Wanderungen in neue Lebensräume bieten. Der BUND hat deshalb das grenzüberschreitende Projekt „Wildkatzensprung“ gestartet, das u.a. aus dem Bundesprogramm „Biologische Vielfalt“ des Bundesamtes für Naturschutz gefördert wird. Ziel des Projekts ist die verbesserte Kenntnis zu Reviergrößen, Streifgebieten und den Schicksalen einzelner Katzen. In Zusammenarbeit mit dem Senckenberg-Institut in Frankfurt wird darüber hinaus eine bundesweite Gendatenbank aufgebaut. Sie ist die erste ihrer Art für ein Säugetier in Deutschland. Dabei helfen in Bayern über 100 ehrenamtlich aktive Wildkatzenfreunde, die die Lockstöcke betreuen und die Katzenhaare für die Genanalyse sammeln.