Wo Hochschule drauf steht, ist nicht immer Universität drin

Redaktion

Nicht die Bildung, sondern die Ausbildung ist in Deutschland seit dem Bologna-Prozess großen Umwälzungen und Verwerfungen ausgesetzt. Damit einher geht auch eine bis dahin nicht gekannte Undurchsichtbarkeit, vor allem bei den Abschlüssen. Nun ist ein weiterer Bildungsweg auf der Strecke, diesen immer breiter auszutreten: Das „Studieren ohne Abitur“, es soll – laut einer Mitteilung aus dem Rathaus auch ab Herbst in Bamberg an einer neuen Wirtschaftshochschule möglich sein. Das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft möchte ab Herbst praxisnahe Bachelor-Studiengänge anbieten. Die Akkreditierung des Personals und die dort fälligen Studiengebühren sowie die Auswahl der späteren Absolventen darf gespannt beobachtet werden. Einer längerfristigen Beobachtung bedarf es der Akzeptanz der Absolventen im späteren Werdegang.

Der Präsident der hiesigen Otto-Friedrich-Universität, Prof. Dr. Dr. Godehard Ruppert, der sich auf unsere Nachfrage äußerte (siehe unten), beobachtet diese Entwicklung kritisch. Mit universitären Abschlüssen seien die dort vergebenen „Bachelor“ nicht zu vergleichen. Daher werde der Uni-Bachelor mit einem Zusatz verliehen, um die Unterschiede deutlich zu machen.

Bereits im vergangenen Sommer machte Thomas May, Generalsekretär des Wissenschaftsrates, des wichtigsten Beratungsgremiums der Politik in Hochschulfragen, deutlich, dass die Privatgründungen oft ein eingeschränktes Fächerangebot – eben wegen der Abhängigkeit vom Geldgeber – bereit halten würden (hier). Auch bei der Auswahl des Personals spiele dies eine herausragende Rolle.

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Studieren ohne Abi

Der dritte Bildungsweg heißt „Studieren ohne Abitur“. Ein Weg an die Hochschulen ist auch ohne den entsprechenden Schulabschluss möglich. In der Vergangenheit gab es in jedem Bundesland andere Regelungen. Seit Anfang März 2009 hat sich das Bildungschaos in Sachen „Studium ohne Abitur“ jedoch deutlich gelichtet.

Was für Voraussetzungen gibt es?

Formal war ein Studium ohne Abitur in allen Bundesländern möglich – auch Bayern hat schließlich seit 2001 Studierende ohne Abitur zugelassen. Wer eine abgeschlossene Berufsausbildung und mehrjährige Berufserfahrung – zwei bis fünf Jahre – vorweisen konnte, durfte sich Hoffnungen machen. Diese Voraussetzungen waren praktisch der kleinste gemeinsame Nenner, um ein Studium ohne Abitur aufnehmen zu können; die genaue Ausgestaltung der Aufnahmekriterien variierte jedoch von Ort zu Ort.

Doch trotz dieser Option war der Prozentsatz an Studierenden, die ein Studium ohne Hochschulzugangsberechtigung aufgenommen haben, in der Vergangenheit verschwindend gering. Mehr als ein bis zwei Prozent beruflich Qualifizierte waren an deutschen Hochschulen nicht zu finden. In der Zukunft soll sich das ändern.

Was hat sich in der letzten Zeit geändert?

Den Fachkräftemangel im Visier wurden im Jahr 2009 neue bundeseinheitliche Regelungen beschlossen; der Zugang zur Hochschule sollte gelockert und die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung deutlicher werden. Das Stichwort heißt Qualifizierungsinitiative Deutschland.

Stellungnahme von Prof. Dr. Dr. Godehard Ruppert, Präsident der
Otto-Friedrich-Universität Bamberg

„Die Gründung betrifft uns als Universität deutlich weniger als Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Die angestrebten Abschlüsse sind mit universitären nicht vergleichbar und stehen auch nicht in Konkurrenz zu unserem Studienangebot. Dass ein Bachelor-Grad vergeben wird, ist eine Konsequenz des Bologna-Prozesses, das haben wir hinzunehmen. Es gibt sogar Länder, in denen man den Bachelor-Titel in Bereichen und Institutionen erwerben kann, die mit Hochschulen so gut wie nichts zu tun haben. Deshalb genehmigen wir unseren Absolventen auch, den akademischen Grad mit einer Herkunftsbezeichnung zu führen. Außerdem stellen wir Diploma-Supplement und ein Transcript of Records aus, damit für Arbeitsgeber transparent wird, was sich hinter einem Titel bzw. Grad verbirgt.

Was wir insgesamt sehr kritisch beobachten, ist die Tendenz bei neugegründeten, privaten Hochschulen, dass manche mit extrem wenig qualifiziertem, hauptamtlichem Personal arbeiten. Da ist aber das Staatsministerium gefragt, um ein Qualitätsniveau sicherzustellen. Die staatliche Anerkennung darf nicht jeder bekommen, der an seine Geschäftsadresse ein Türschild „Hochschule“ anschraubt und Studierwillige anlockt.“