liegen, bei dir
ich liege bei dir. deine arme
halten mich. deine arme
halten mehr als ich bin.
deine arme halten, was ich bin
wenn ich bei dir liege und
deine arme mich halten.
Ernst Jandl
Von Chrysostomos
Schillern rührt keinesfalls von Schiller, jandln aber durchaus von Jandl. „ottos mops“? Aber ja doch! „vater komm erzähl vom krieg“, „schtzngrmm“, „lichtung“, „bibliothek“, „boogie-woogie“? So lautet eine Handvoll, ein halbes Dutzend Gedichte, mit denen sich Ernst Jandl, am schweizerischen Nationalfeiertag 1925 in Wien geboren und siebeneinhalb Dekaden später ebendort, in der zweiten Juniwoche, verstorben, in die Geschichte der deutschsprachigen Lyrik eingeschrieben hat, zumal der konkreten. Aber doch nicht nur.
Denn was es heißt, zu liegen und zu lieben, lieben und liegen, umarmen und halten zu dürfen, gehalten und umarmt zu werden, auch das hat er, Ernst Jandl, und zwar 1973, dingfest gemacht. Was es heißt, nicht mehr von ihm umarmt und gehalten werden zu können, macht noch immer, Tag für Tag und Blatt für Blatt, Friederike Mayröcker fest, die Lebenspartnerin. (Und heißt nicht Mayröckers jüngster Band, im März 2012 in der Insel Bücherei schön aufgemacht herausgekommen, mit Zeichnungen der Dichterin, Von den Umarmungen?)
In diesen knappen, gerade einmal sechs Versen liegt doch eine ganze Welt. Einem poco a poco Crescendo gleich wird hier deutlich, wie viel mehr das Zu-zweit-Sein sein kann, zumindest, bei entsprechender Fortune, sein sollte. Und immer wieder auch tatsächlich ist. Dazu ist mehr imgrunde nicht zu sagen. Außer vielleicht, daß sich „liegen, bei dir“ für gemeinhin sehr gut als Leiseflüsterichdirinslinkeknabberohr-Stück eignet, daß es von dem steirischen Jazzposaunisten Christian Muthspiel in Töne gefaßt worden ist, daß es in diversen Ausgaben (Luchterhand) zu haben, zu lesen und vorzulesen ist.