… der neue Bamberger Stadtgestaltungsbeirat (SGB) kommt öffentlich auf den Punkt.
Wolfgang Neustadt
Ab Donnerstag 13.12.12. kann in Bamberg niemand mehr behaupten, es gäbe keinen architekturberatenden Stadtgestaltungsbeirat. Das war endlich seine echte Bewährungsprobe. Und nicht bereits 2002, wie in einem kürzlichen Papier der Stadt Bamberg behauptet (siehe unseren Artikel vom 11.12.12).
Der SGB machte seinen Job gut, im Rahmen seiner (bisherigen) Möglichkeiten, versteht sich. Das schließt weitere Wünsche und Fragen, nicht nur architektonischer Art, nicht aus. Bisher jedoch ein langes, vor allem intransparentes Fuhrwerk.
Bamberg kann auf öffentlich transparente Baupolitik hoffen
Für viele der jetzt Beteiligten ein sicher nicht einfacher sondern gewöhnungbedürftiger Prozeß. Zum einen für Baureferat und Planungsamt. Auch für die Stadträte. Vor allem freilich für die planenden Architekten, sich hier in einem „Architekturverhör“ bis auf ureigenste, detailliert technische und gestalterische Planungsfragen einzulassen, besser zu entblößen. Stadtbaureferent Baumgart aus Würzburg hatte ja schon mal vorgewarnt (vgl. seinen höchst erfreulichen Auftritt anläßlich der verdienstvollen Bamberger Vortragsrreihe „Neues Bauen in der alten Stadt“ im Herbst/Winter 2011–12). Nun, das bringen demokratische Prozesse neuerdings so mit sich! Endlich gehören Bahnhöfe, Autobahnen, Landebahnen genauso dazu wie Studiengebühren.
„Bewährte“ Altlasten?
Bei dieser ersten Sitzung war für alle etwas dabei. Zum Beispiel für Nachtragende, die es mit der bisherigen öffentlichen Stadt-und Architekturplanung in Bamberg gar nicht so sehr hatten. So stellten sich jetzt hier erstmals ganz automatisch unzählige neue Fragen zu den alten, vormals noch geheimen Vorgängen des bis dato angeblich schon „bewährten“ Gestaltungsgbeirats.
Diese Altlasten gilt es restlos aufzuarbeiten. Gelaufene Prozesse müssen verstanden werden, um unbelastet mit der interessierten Öffentlichkeit kommunizieren zu können.
Kritisch zusammengefasst hier nur soviel: wie kam es eigentlich insbesondere zu den aktuellen Arbeitsständen der nun hier am 13.12. wieder auf die Tagesordnung gesetzten TOPs 1–2? Zumal nun zum Beispiel TOP 2 total verrissen wurde. Wer war damals beratend schon dabei? Fragen über Fragen. Zu den bereits damals noch im Kämmerlein behandelten Dauerbrennern gehörten bereits die Zukunft des ERBA- und des Schaeffler-Geländes, aber auch die Sanierung der Unteren Mühlen oder z.B. nur die ehemalige Citypassage, jetzt: Quartier an der Stadtmauer. Auf die „endgültige“ Abarbeitung dieser Topthemen sowie u.a. auch dem geplantem Parkhaus am Michelsberg (Urthema Bergverbindung) oder nur dem ZOB etc. mit allgemeiner Verkehrsberuhigung darf man jetzt gespannt sein.
Die Themenliste macht klar, um welche gehörige Spannbreite es einem Stadtgestaltungsbeirat in Zukunft mindestens beurteilend, somit auch entwickelnd und letztlich mitentscheidend, auch gehen können muss: intelligente, aussagefähige, öffentlich mitgetragene Architektur, Stadtplanung und Verkehrsführung. Aber auch Tourismus und Denkmalpflege im UNESCO-Zusammenhang mit Berücksichtigung möglicher sozio-kultureller Entwicklungen, auch von Anwohnerinteressen.
Wenn schon das UNESCO-Zentrum Welterbe Bamberg (ZWB) nur beratend schwach gerüstet ist, vielleicht ergeben sich ja damit auch politisch wirklich wirksamere Synergien? (das ZWB/Laible ist wie der Baureferent/Ilk ständiges Mitglied des SGB nach Geschäftsordnung, jeweils ohne Stimmrecht).
Neue Meßlatte für Bambergs Architekturqualität
Das Fazit dieser Sitzung ist also positiv. Zu dem Schritt sind Planungsamt und Baureferat unumwunden zu beglückwünschen. Wenn es ferner auch total überfällig war, im Gegensatz eben zu den seit Jahren (!) öffentlichen Veranstaltungen vor allem in Würzburg und Regensburg (auch Nürnberg, ein Beirat in Coburg ist gerade im Aufbau befindlich). Da helfen rückblickend keine Bamberger Schönredereien mehr. Herr Ilk war ja nun ausdrücklich voll des überfälligen Lobes dieser guten SGB-Beispiele.
Die Beiräte machten ihrem Job alle Ehre! Sie beurteilten qualifiziert, kritisierten frei von der Architektenleber weg. Sie mäkelten, verrissen, verbesserten und wünschten kleinere Nacharbeiten, aber auch Neuvorlagen. Alles flott kompetent und sachlich, ergo urteilsssicher, ein leichter ex-cathedra-Unterton schwang noch mit. Dipl.-Ing. Ulrich Pfannschmidt war als Moderator souverän, ebenso seine jeweiligen Ressortkollegen (zu Besetzung und Ritual im einzelnen s.o. genannten BOZ Beitrag). Leider fehlte die Dame in der Runde, sie kommt aber noch. Ein/der Geschlechterproporz wird zwar damit nicht annähernd erreicht, aber eine weibliche Stimme in schon längst keiner reinen Männerdomäne mehr ist zu hoffen erfrischend. Ebenfalls der Anteil junger Architekten bleibt (noch?) suboptimal. Erfahrung und Wissen geht halt immer noch sehr vor Frische und uneingefahrenen Wegen.
Kritik an öffentlicher Bamberger Architekturqualität wird sich in Zukunft (hoffentlich) also schwerer tun. Endlich auch Planungen im UNESCO-Kontext werden es nicht mehr leichter haben (z.B. das architektonische Armutszeugnis Letzengasse 24a: wer war eigentlich dafür so alles wirklich verantwortlich?; oder nur die geschmeichelt „äußerst mißverständliche“ Architektur des sog. Bambados?).
Aber hier und heute ging es ja erstmal „nur“ ums Einüben. Die breitere öffentliche Meinung ahnt ja noch nicht, was entscheidungsgewaltig alles noch auf sie zukommen wird: Meinungsbildungen zu Wettbewerben und Jurybewertungen, Besuch von Entwurfsausstellungen etc. D.h. mitreden wollen / können / müssen … Alles sehr mühsam, aber demokratisch, auch unterliegen zu können … Im Bamberger Landkreis hatten schon mehrere Kommunen ähnlich streitbare Prozesse durchgemacht (so Litzendorf Bürgerzentrum, wir berichteten, auch aktuellst das Mahnmal in Zapfendorf oder Hallstadts zumindest demokratisch sehr beispielhafte neue Mitte). Stadtbaureferent Baumgart (Würzburg) hatte ja demokratisch mit zu entscheidende Bauprozesse schon mal körperlich an eigener Haut zu spüren bekommen (s.o). Mut, Herr Ilk: allein schon der Weg ist das Ziel!
Der Publikumszuspruch dieser ersten öffentlichen Sitzung (aktives Diskussionsrecht ausschließlich „im Hufeisen“) war durchwachsen. Nach TOP 1 (Erba s.u.) verließ ein gewichtig Teil Schaulustiger das Lokal. Waren es die potenziellen Käufer und Investoren oder einfach nur Gelangweilte? (besonders der recht hohe Anteil der Bayerischen Landesstiftung war verschwunden). Der öffentliche Zuspruch an TOP 2 (Schaefflergelände) reduzierte sich schlagartig auf ca. ein Restviertel. Ob sich damit ein geringeres Investoren-/Käuferinteresse am Objekt manifestierte, sei dahingestellt. Der SGB jedoch war jedoch weiter in voller Besetzung dabei.
TOP 1: Erba-Ausbau (Baufelder E und H2)
Damit stand also zum wiederholten Mal der Ausbau des Erba-Geländes zur Prüfung an (Planer Reinhart + Partner, München). Die „Verhandlung“ dauerte mehr als eine Stunde. Sie war intensiv, für Architekten- und Beiratsseite.
In Erinnerung zu rufen ist genau hier nochmal, dass dieses Projekt nicht nur das städtische Planungsamt und das Baureferat seit geraumer Zeit beschäftigt, sondern dass daran auch eben schon der/ein Bamberger Gestaltungsbeirat beteiligt war. Dazu gab es jetzt signifikante Informationsdefizite vonseiten des neuen Beirats zu hören. „Ausschreibung“ und „Wettbewerb“ wurden deutlich zu hinterfragen versucht, klar und konkret wurde fast nichts. Das wird sich zweifelsfrei jetzt ändern (müssen). Zur Befragung trat auffällig oft ein Vertreter der Bayerischen Landesstiftung erklärend helfend auf den Plan.
Beiratsnachfragen konzentrierten sich auf die städtebauliche Anbindung und die innere Verkehrsführung. Es folgten kleinere gestalterische Mäkeleien zu den vorgeschlagenen blicktransparenten, lianenartig dekorierten Balkonbrüstungen. Es gab aber auch deutliche Fragen zu einem formal-ästhetischen Bezug zur flußseitigen Bebauung, es würde ein Anklang an eine Horizontalbetonung fehlen. Architekt Reinhart wollte das bewusst gar nicht unmittelbar hergestellt wissen, nicht zu Unrecht. Baureferent Ilk stellte zudem erfrischend die Lage der zwei Tiefgaragenzufahrten infrage, die den zentralen Grünkomplex stören.
Der Gesamtentwurf der 5 Baukörper bleibt architektonisch-stilistisch im Rahmen des wohl aktuell Wünschbaren. Viel davon hatte das Büro bereits bei anderen Planungen umgesetzt. Stil halt, modern halt. Ähnlich dem erst kürzlich eingeweihten, ebenfalls modernen Unikomplex TB6 ganz in der Nähe (wir berichteten).
Der Entwurf für die Baukomplexe mit eingeschlossener Grünanlage (Auenlandschaft) ging aufseiten der Beiräte, Stadt- sowie -Ratsvertreter also grundsätzlich durch. Frau Sowa (GAL) lobte sogar überschwenglich und gratulierte, wünschte aber zusätzlich die Reflektion möglicher Dachbegrünungen und/oder Fotovoltaikanlagen. Letztere seien laut Vertreter der Bayerischen Landesstiftung jedoch aufgrund der eigentumsrechtlichen Verhältnisse nicht realistisch durchsetzbar. Punkt! Wirklich nicht ? Auch die durchgehende Barrierefreiheit und eine flexible Grundrißgestaltung wurden hinterfragt. Insgesamt blieb es also deutlich bei „positiven Eindrücken“. Man einigte sich so prohylaktisch auf leichte Änderungen und eine Schlussvorlage im Zuge der nächsten Sitzungen.
TOP 2: Schaeffler-Gelände
Die Katze war aus dem Sack. Die bisher gelaufene Planung wurde endlich einer neutralen Überprüfung unterzogen. Es blieb kein Auge richtig trocken. Architekt Uwe Mertens (Denkmalneu Planfabrik GmbH) erläuterte die anstehenden Planungsabschnitte mit dem Parkhaus an der Lichtenhaidestraße sowie dem Komplex Studentenwohnheim mit anschließendem Bürogebäude am Margaretendamm.
Auch hier stellte sich sofort die Frage, was bisher alles schon „so“ gelaufen war. Nichts wurde auch besonders hier rückblickend klar. Frau Sowa wusste dem zumindest hier und jetzt nichts entgegenzusetzen. Die GAL erhob aber ja auch schon im Sommer ihre Stimme gegen die, auch von ihr damals noch im Geheimen mitgehörten Planungen (vgl. GAL Pressemitteilung 4.7.2012: Städtebaulich katastrophal und Investorenwillkür?, zum Bebauungsplan für das Schaeffler-Gelände: nicht entscheidungsreif!).
Das einhellige Beiratsurteil jetzt war zusammenfassend, gelinde gesagt, ernüchternd: das Projekt wurde so ziemlich an allen Ecken und Kanten regelrecht ge-/zerpflückt. Herr Mertens hat wahrscheinlich die Welt nicht mehr verstanden, mitten im Regen und ganz allein. Eben gerade mit den Ecken hatte man es doch sehr: mit der Lärmschutzmembrane am Eck Lichtenhaidestraße zu Margaretendamm oder vom Studentenwohnheim zum zu selbstherrlichen Bürgebäude.
Der Beirat vermisste grundlegend eine städtebaulich akzeptable und damit der zukünftigen Wertigkeit der jetzigen Architekturbrache angemessene Aufplanung des Gesamtareals. Er wollte die städtebauliche Bedeutung des Schaefflerkomplexes bitte auf das Niveau der Erba gehoben sehen. Dafür reichte es mit dieser Vorlage bisher keinesfalls. Es fehlt vonseiten der Schaeffler-Planung ein städtebauliches Angebot an die Stadt (-Landschaft), eine Verwebung in den Stadtraum, eine neue Identität, es fehlen schlüssige Signale wie z.B. Eingangslösungen oder signifikante verkehrsmäßige Anbindungen. Trotzdem blieb es, hilfsbereit diplomatisch ausgedrückt, ein Schritt in die „richtige Richtung“. Aber auf Kosten eines neuen übergreifenden Gesamtansatzes dieses Planungsabschnitts.
Die hier betroffenen Bereiche unterliegen nicht dem Denkmalschutz. Gleichwohl war/ist zumindest die langgezogene, durchaus gegliederte Bestandsfassade der Lichtenhaidestraße zum Margaretendamm identitätsstiftend. Hier kommt also endlich der SGB genau richtig und zum richtigen Zeitpunkt: Denkmalpfleger sind nicht zuständig, Baureferat und Planungsamt sichtlichst überfordert (nur der Investor weiß richtig genau, was er will!). Um Details jedoch kümmerte sich das Gremium aber hiermit erst gar nicht, leider, es gab ja vorerst genug zu tun!
Man muss sich bitte nur mal vorstellen, wie wohl das Projekt Schaeffler gelaufen wäre, wenn es keinen SGB wie jetzt gegeben hätte? Nein danke. Es bleibt die sehr begründete Hoffnung: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Genau 1 vor 12, architektonisch, stadtplanerisch, aber auch sozio-ökonomisch!
Sozialverantwortetes Bauen und Wohnen in Bamberg?
Es fehlte bei diesen Verhandlungen, natürlich, leider, eine Auseinandersetzung mit der Gretchenfrage: nach „dem“ Investor (hier: J. A. Consulting) und den damit überfällig endlich mal wieder sozial-orientiert zu sehenden Bamberger Wohnzusammenhängen. Der Investor riskiert und erspart der öffentlichen Hand, er ist nicht nach Sozialverantwortung zu befragen. Eine SPD-Sozialpolitik aber sehr wohl. Ein heikles Thema im doch SPD betonten Bamberg. Nicht nur. Auch die Bundespartei tut sich freilich nicht weniger schwer angesichts anstehender Wahlkampfzeiten.
Wohin führt Bambergs städtischer Wohnungsbau schon seit Jahren wirklich!Investorenfreundlichkeit allenthalben, schon die Erba zeigte wie es geht (Unineubau), auch das Quartier lässt/ließ ja bisher gar nichts Gutes ahnen. Und die Bayerische Landesstiftung mischt fleißig mit. Die Weichen scheinen also seit langem gestellt. Selbstkritisch ist hier kommunalpoltisch gar nichts zu hören, auch nichts mehr zu erwarten? Nur ewig von einer deutlich Investoren-interessierten Seite der Bamberger Wohnbaupolitik. Die Schere geht seit langem auch in Bamberg auf. Der Umgang mit der Auflassung der US-Kasernen wirft lange lange Schatten voraus.
Die nächsten Sitzungstermine des Stadtgestaltungsbeirats (SGB) sind anberaumt immer donnerstags 14 Uhr im Rathaus, Maxplatz: 21. Februar 2013, 18. April, 11. Juli, 12. September und 21. November.
Danke für die wirklich interessante und hintergründige Darstellung dieser Sitzung. Eine öffentliche Sitzung dürfte auch für ein Vorankommen der Diskussionskultur wichtig sein. Das hat Architektur allemal verdient!
Ich bin sehr froh über die Online Zeitung und die fundierten Beiträge.