Wolfgang Neustadt
Zumindest am Mittwoch war man sich recht einig. Das war ja keine Kunst, bei Sekt, Häppchen, Uni-Jazz und erfreulich locker moderierter Einweihungsfeier im großen Musiksaal des Universitätsneubaus auf der Erba. Viele strahlten: der Veranstalter und Bauträger die Klappan Gruppe (Gesellschaft für Projektentwicklung, Konzept und Realisierung von Gewerbeimmobilien), die Investoren, die Politiker aus Stadt und Land, nicht zuletzt auch Univertreter und Studenten.
Streng genommen gehört dieser Beitrag in das Wirtschafts- bzw. Finanzressort. Findet doch die „Bildungsmusik“ gewöhnungsbedürftig zunehmend in diesen Gefilden statt. So kam eine bestimmte Nomenklatur nicht zu kurz. Zum einen Zahlen und diverse Fachbegriffe aus der Immobilien- und Finanzwelt wie z.B. Risikokapital, schlaflose Nächte, Investitionssumme und Baukosten (45,5 Mill., ohne Altbau), Anteilszeichner (Einlagen ab 10.000 € + agio, Zahl der interessierten Investoren 2.500), Anmietung durch den Freistaat Bayern mit Mietpreis und -dauer (30 Mill. auf 15 Jahre gestreckt, optional verlängerbar für 2 x 5 Jahre, dann Entscheidung über Neuverhandlungen), Bauzeit (2 Jahre), Studentenzahlen (gesamt in Bamberg 12.500, erwartete Belegung im Neubau 5.000 Studenten und 260 Unimitarbeiter) und -wohnungen (ca. 30 im Neubaubereich + 400 im Altbau/Spinnerei etc., Bauträger denkmalneu.com), Quadratmeter im Neubau (18.000), Raumanzahl (500), Tiefgaragen-Stellplätze (470) …
Von der Architektur selbst war (fast) keine Rede. Der Architekt blieb sprachlos (Seemüller). Gerademal Bürgermeister Starke erinnerte an hier zur Schau gestellte Campus-Qualitäten wie Natur – Wohnen – und (/oder?) Studieren. Uni-Rektor Ruppert lobte das städtbauliche Konzept.
Die Neubauarchitektur ist schnell erzählt: ein nüchterner, 6-geschossiger durchlaufender Riegel bildet die nördliche Innenseite des Campus, gegenüber der alten Spinnereifassade. In der nördlichen Außenfassade wird der Riegel in 4 einzelne Pavillons aufgelöst. Alles nicht atemberaubend, modernistisch, auch geschäftsmäßig. Ähnlichkeiten mit Versicherungs-, z.B. auch modernen Bundeswehrverwaltungsbauten (!? ) lassen sich nicht leugnen, trotz wiederholt erschwerend genannter räumlicher Organisationsprobleme. Die Anforderungen des „Bestellers“, dem Freistaat Bayern (Uni Bamberg), lagen in der Raumanordnung von unterzubringender Kunst- und Musikpädagogik, Wirtschafts- und angewandter Informatik sowie Kommunikationswissenschaft. Daraus wurden 2 große Hörsäle, ein Musiksaal, Lehr- und Seminarräume, die Bibliothek TB 6, eine Cafeteria und Büros etc.
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege wollte insbesondere bei der allzu einleuchtenden Massenplanung mitreden und wünschte abweichend vom Urentwurf eine tiefere, an die Höhe des gegenüberliegenden Spinnereigebäudes angepasste Lösung des Neubaus. Ob es sich dabei auch in die formale Fassadengestaltung des Neubaus im Verhältnis zum Altbau einmischen wollte, ist nicht überliefert. Geht es doch in Bamberg, keineswegs zum ersten Mal, um die heikle Frage des/eines geglückten Zusammenspiels von Bestands- und Neubauarchitektur. „Kontrast“ wie hier, auch Komplementarität, muss ja nicht gleich „gelungen“ bedeuten.
Laut Aussage von Herrn Güntner (Öffentlichkeitsarbeiter von denkmalneu.com, Bauträger der anstehenden Altbausanierungen) waren alle gestalterischen Aspekte von Alt- und Neubau im Vorfeld gemeinsam und ausführlich abgesprochen worden.
Wir sind nun ganz entschiedene Gegner einer irgendgearteten „Vertuschung“ der Geschichte einer Altbaufassade nach durchgezogener Sanierung, die einen Neubau kaum noch von einem Altbau unterscheidbar macht (vgl. die unsäglichen Kommentare wie „in neuem Glanz“ oder „wie neu“ etc). Ob aber nun das/ein Zusammenspiel von Neu- und Altbaufassaden hier bis dato wirklich gelungen ist, darf skeptisch gesehen werden. Die gebotenen Oberflächen klaffen auseinander, die historische Ziegelfassade erscheint deutlich zu „rustikal“.
Der politische, d.h. der finanzielle Weg zum hiermit vorgestellten Endergebnis war steinig. So bemühte Melanie Huml gar Senecas „per aspera ad astra“. Die Bayerische Staatsregierung lehnte eine Erba-Bebauung übrigens auch schon mal kategorisch ab, bis schließlich 2009 der doppelte Abiturjahrgang dermaßen drohte, dass man endlich finanziell einzulenken gedachte. Auch mittels neuer eindrucksvoller Slogans wie „in Bildung investieren“ oder „Technologieallianz Oberfranken“. Einige hier anwesenden kürten sich zu Vätern des Projekts, von der Idee bis zur Vollendung (Lauer/ Starke, Ruppert, Huml). Die Uranfänge lagen um die Jahrtausendwende, darüber kursierten jedoch mehrere Varianten. Uni-Rektor Ruppert brachte es in Anspielung auf die Erba eloquent und erfrischend doppeldeutig auf den Punkt: das war schon damals „keine Spinnerei sondern Weberei“.
Sind nun endlich alle wenigstens ein bißchen zufrieden? Einer noch immer nicht ganz. Das gehört auch zu seinem Job: Rektor Ruppert. Er wurde nicht konkreter. Die Spatzen pfeifen’s aber doch seit Jahren von den Dächern: die bayerischen Studienbedingungen lassen formal und inhaltlich in der Tat weiterhin deutlich zu wünschen übrig (trotz politisch-gebetsmühlenartiger Wiederholungen des Gegenteils, z.B. andauernde universitäre Raum- und private Wohnungsnöte, Bologna Reform, Studiengebühren). Ruppert ist also zurecht (nur) ein bißchen zufrieden, der neue Erba-Campus ist für ihn „ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Zufrieden ist’s natürlich der Bayerische Staat, d.h. seine Regierung, klar. Wieso? Die Zauberformel heißt „Bestellbau“, ein vom Landtag beschlossenes Pilotprojekt. Ein Konstrukt ganz nach der Devise „Bildung bringt Zinsen“. Für wen so alles? Kernstück des Modells ist der Mietvertrag, den Bayern damit einging. D.h. man äußerte zusammen mit der Uni seine konkreten Bauwünsche und bestellte dementsprechend. Die europaweit ausgeschriebene Projektierung für die 2 bayerischen Bestellbauten Bamberg (Erba Campus) und Coburg (Design Campus) gewann die Bamberger Klappan Gruppe. Das war sogar nachhaltig: liegen doch Bamberg und Coburg genau richtig bzw. in der Nähe. Noch vor Fertigstellung verkaufte Klappan an den Emmissionär Paribus Capital GmbH/ Hamburg (Assetklassen Immobilien, Eisenbahn- und Schiffsfonds). Selbiges Haus legte den geschlossenen Immobilienfonds „Hochschulportfolio Bayern“ auf für bisher rundum zufriedene Anleger. „Ein Bestellbau ist für den Freistaat billiger und außerdem schneller zu realisieren“ (Aussage Pressebüro Klappan/V. Hegen). Und das Geld wäre natürlich in Bayern auch noch sicher angelegt. Hoffentlich.
Für die Klappan Gruppe wie für Paribus Capital GmbH war dies ein neues Betätigungsfeld. Selbst von Seite des bayerischen Staatsablegers Immobilien Freistaat GmbH wurde das Modell als ungewöhnlich bezeichnet (Aussage Ludwig Weichselbaumer, stv. Geschäftsführer). Die VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für das Bauwesen) reichte dafür nicht mehr aus und musste angepasst werden.
Wie wird das Investitionsmodell der Paribus branchentechnisch beurteilt? …“ Hochschulportfolio Bayern … ist offenbar das, was sich Vertriebspartner wünschen, zumal ein staatlicher Mieter für Einnahmen sorgt. Paribus berichtet, dass vor allem Banken hohe Kontingente reserviert haben. Ein Nutzer nach dem Geschmack typischer Fondszeichner. Das Land Bayern steht für 90 Prozent der Fondseinnahmen. Der Mietvertrag in Bamberg läuft 15 Jahre. Für rund 500 Quadratmeter Bürofläche hat der Verkäufer der Immobilie zwei Jahre lang eine Mietgarantie übernommen, die mit 12 Euro dem entspricht, was das Land Bayern zahlt …“ (Financial Times, 14.03.12)
Oder: „… Läuft alles wie geplant, bekommen Anleger Ausschüttungen von sechs Prozent, die auf 6,5 Prozent steigen. Der Verkauf soll weitere 105 Prozent bringen. Dabei rechnet der Initiator damit, dass er die Immobilien zum 13,6-fachen der Jahresmiete verkaufen kann; zwei Jahresmieten weniger als beim Einkauf. So zurückhaltend rechnet nicht jeder Initiator. Die Einnahmen halten mit der Inflation Schritt, bei der Paribus zwei Prozent jährlich annimmt. So steigt die Jahresmiete gemäß Prognose bis zur geplanten Auflösung des Fonds 2024 um 28 Prozent. Unterm Strich würden Zeichner so auf ein Plus von rund 69 Prozent vor Steuern kommen …“ (Zitat s.o. Financial Times; zu Risiko und Problematik geschlossener Immobilienfonds). Zu denken gibt folgender Passus: „… Die Einnahmen hier, aber auch in Coburg liegen über dem üblichen Satz für Büroflächen, gar über der Spitzenmiete. Die Immobilienpreise als Vervielfältiger der Miete sind daher nicht gerade günstig …“ (Zitat s.o. Financial Times).
Geht der Staat hier also sorgsam mit Steuergeldern um und wird sich das Modell für den Bayerischen Staat letztlich wirklich rechnen? Das bleibt zu beobachten, eben gar zu hoffen. Erinnert sei nur kurz an diverse Veräußerungen besonders landeshoheitlicher, auch kommunaler Leistungen und Besitzverhältnisse, sprich Privatisierungen, u.a. in Nordrhein-Westfalen, im wesentlichen zu Zeiten der Bankenkrise, die aufgrund eingetretener privater Finanzierungslücken rückgekauft wurden.
Erinnert werden darf zudem natürlich ebenso an das leidige, sehr sehr teure und höchst politische Spekulationsthema der Bayerischen Landesbank. Ob also das ganze wirklich zu einem „Schnäppchen?“ wird, ist entsprechend abzuwarten (schön hintergründige Frage der Moderatorin Karin Schubert).
Was haben nun das bayerische Bildungssystem und die Studenten vom Finanzierungsmodell? Direkt erstmal wenig. Wichtig ist, dass der Rektor das Hausrecht hat, bekam er ja schließlich als Hausherr den gigantisch überdimensionierten Schlüssel überreicht. Die Größe des Schlüssels wäre ganz Ausdruck der Bedeutung der Klappan Gruppe für Bamberg, so ließ überhaupt nicht unbescheiden Peter Klappan flapsig vernehmen. Wichtig ist natürlich, dass damit in der Tat zumindest eine Erleichterung der Bamberger Studienverhältnisse eingetreten ist.
Gesprochen wurde schon im Vorfeld viel von der „Campus“-Idee, die ja insbesondere hier auf der Erba ideal zu verwirklichen sei. Zu kurz kam in diesem Zusammenhang der Erba-Spinnereibau als südlicher Riegel. Die Sanierung durch den Forchheimer Sanierungsspezialisten und Bauträger denkmalneu.com kostete 45 Millionen. Insgesamt konnten damit 400 Studentenwohnungen geschaffen werden, das Angebot war schnell vergriffen.
Sowohl die universitär zu nutzenden Neubauten als auch die Altbausanierung sind nahezu abgeschlossen. Mehr als 5.000 (erhoffte?) Studienplätze wird es hier kaum geben. Ob diese Zahl technisch überhaupt wirklich erreichbar sein wird, sei ohnehin dahingestellt. Absehbar werden wir hoffentlich so schnell nicht wieder doppelte Abiturjahrgänge erleben müssen, oder?
Was bedeutet das alles für die Feldkirchenstraße und die universitär genutzte Innenstadt mit dem neuen Komplex an der Marcusstraße? Konkurrenz dazu besteht nicht (Huml).
Der Traum eines einzigen Campus in Bamberg wird also nicht in Erfüllung gehen können. Das hörte sich aber auch schon einmal anders an.
Bamberg hat jetzt drei „Campi“, und sieben Hügel, welche Stadt kann das schon von sich behaupten?
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