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Dem Landesentwicklungsprogramm (LEP) „fehle jegliche Vision“, so der Geschäftsführer des Gemeindetags, Jürgen Busse. Ministerpräsident Seehofer (CSU) und Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) haben den LEP zur Chefsache erklärt, wollten ihn entbürokratisieren, verschlanken und die Eigenverantwortung der Kommunen betonen. Der LEP ist der Masterplan der bayerischen Staatsregierung. Doch eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem demographischen Wandel und der Energiewende findet nicht statt. Die Energiewende werde in nur 3 Seiten des 78 Seiten starken Dokuments abgehandelt. Nun äußert sich Dr. Ulrich Maly, Nürnberger Oberbürgermeister und Vorsitzender des bayerischen Städtetags.
Der Bund Naturschutz zeigt sich enttäuscht über das neue Landesentwicklungsprogramm (LEP). Statt auf das Gemeinwohl, eine ökologische Verkehrs- und Energiewende und den Stopp des Flächenfraßes zu setzen, streicht das LEP die letzten Hürden für flächenfressende Bauprojekte.
Ziel: Die Erhaltung und Schaffung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen
Das Landesentwicklungsprogramm ist das querschnittsorientierte Zukunftskonzept der Bayerischen Staatsregierung, herausgegeben durch das bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie. Im LEP sind die für die räumliche Ordnung und Entwicklung Bayerns wichtigen Grundsätze und Ziele festgelegt. Das Landesentwicklungsprogramm wurde 1976 erstmals aufgestellt und bis 2006 insgesamt fünfmal fortgeschrieben. Das aktuelle LEP ist am 1. September 2006 in Kraft getreten, seitdem ist einzig das Kapitel Ziviler Luftverkehr (zum 1. Januar 2010) fortgeschrieben worden.
Seit über 30 Jahren ist das LEP Grundlage und Richtschnur für die räumliche Entwicklung des Freistaats. Es stellt ein wesentliches Instrument zur Verwirklichung des Leitziels bayerischer Landesentwicklungspolitik dar: Die Erhaltung und Schaffung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen. Es ist das wichtigste Instrument der Landesplanung.
Bayerischer Städtetag
„Der Entwurf des neuen Landesentwicklungsprogramms (LEP) hat manche Schwächen, aber lässt auch gute Ansätze erkennen. Einer der Vorzüge ist, dass es überhaupt ein Landesentwicklungsprogramm gibt, das ein Gesamtkonzept für die mittelfristige räumliche Entwicklung Bayerns entwirft. Damit bleibt die Landesentwicklung nicht dem Spiel der Märkte überlassen, ein ungezügelter Wildwuchs wird verhindert“, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly. An den Schwächen des LEP-Entwurfs kann nun im Zuge der Landtagsverhandlungen gearbeitet werden – auch wenn die Fristen zur Stellungnahme im Anhörungsverfahren viel zu knapp bemessen waren. Der Bayerische Städtetag hat in einer umfassenden Stellungnahme auf Schwächen hingewiesen und hat Lösungsansätze vorgeschlagen. An vielen Stellen fehlt eine gründliche Auseinandersetzung mit den aktuellen Problemen, wie dem demographischen Wandel, der Energiewende oder der Gleichwertigkeit der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Maly: „Diese Schwächen dürfen den LEP-Entwurf nicht als Ganzes in Frage stellen. Wir sollten die Chance nutzen, um das Landesentwicklungsprogramm zu konkretisieren und verbindlicher zu machen. Gute Ansätze sollten wir weiterentwickeln, Lücken müssen geschlossen werden und falsche Festlegungen müssen gestrichen werden.“
Maly: „Städte und Gemeinden sind keine Anhänger der Planwirtschaft, aber ganz ohne Planung kann Landesentwicklung nicht funktionieren. Bayern braucht in der Landesentwicklung die ordnende Hand des Staates. Städte und Gemeinden benötigen eine überfachliche und überörtliche Planung.“ Das Landesentwicklungsprogramm soll steuern, etwa bei der landesweiten Verteilung zentralörtlicher Einrichtungen nach dem Zentrale-Orte-System. Es soll Städte und Gemeinden schützen, etwa mit Hilfe des Anbindungsgebots oder den Festlegungen zum großflächigen Einzelhandel. Das Landesentwicklungsprogramm soll unterstützen, etwa durch die Festlegung von Vorranggebieten in den Regionalplänen.
Flächenverbrauch bremsen und Zersiedlung verhindern
Maly: „Das Anbindungsgebot ist das wichtigste Instrument der Landesplanung, um den Flächenverbrauch zu bremsen und eine Zersiedelung zu verhindern. Es ist effektiver als eine unbestimmte und schwache Absichtserklärung, dass der Verbrauch neuer Flächen zu verringern ist.“ Das Anbindungsgebot im Landesentwicklungsprogramm sichert die Kulturlandschaft des Freistaats, es erhält zusammenhängende Natur-Flächen, schützt den Lebensraum von Tieren und Pflanzen, sichert den Erholungsraum für Menschen. Maly: „Wir wollen das unverwechselbare Weichbild der bayerischen Landschaft erhalten. Eine kompakte Siedlungsstruktur ist das beste Mittel, um den Ansprüchen des demographischen Wandels mit einer älter werdenden Gesellschaft gerecht zu werden: Schwache Beine brauchen kurze Wege. Senioren brauchen nicht den Discounter am Ortsrand, sie brauchen den Laden in der Nachbarschaft, den sie für den täglichen Einkauf zu Fuß erreichen können. Und: Die Stadt der kurzen Wege reduziert den Straßenverkehr und hilft beim Klimaschutz.“ Eine kompakte Siedlungsstruktur wird dem Ziel des Klimawandels gerecht, sichert kurze Wege, erleichtert die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und ermöglicht eine wirtschaftliche Erfüllung der kommunalen Daseinsvorsorge.
Die wuchernden Industriegebiete Norditaliens als abschreckendes Beispiel
Maly: „Das Landesentwicklungsprogramm kann helfen, Fehlentwicklungen bei der hemmungslosen Ausweisung von Einkaufshallen auf der grünen Wiese zu verhindern. Es darf nicht dazu kommen, dass Bayern unter einer Lawine aus Discount-Architektur und Asphaltwüsten begraben wird. So manche wuchtige Shopping-Mall sieht aus wie ein notgelandetes Raumschiff, das wie ein Fremdkörper aus Beton und Stahl in der Landschaft steht. Wir müssen mehr auf organische Siedlungsstrukturen und eine überlegte Raumplanung nach dem Prinzip des Zentrale-Orte-Systems achten, damit es in Bayern einmal nicht so aussieht wie in den wuchernden Industriegebieten Norditaliens.“ Nach Auffassung des Städtetags schützen klare Regelungen zum großflächigen Einzelhandel die Vitalität der Innenstädte und sie sichern die verbrauchernahe Versorgung.
Maly: „Das Glück des ländlichen Raums liegt nicht in der ungezügelten Ansiedlung von Einkaufshallen oder Factory-Outlet-Centern auf der grünen Wiese – das hält Abwanderung oder demographischen Wandel nicht auf. Hier ist eine gute Infrastrukturpolitik gefragt – Straße, Schiene, Datenautobahn – und eine staatliche Regional- und Strukturpolitik, die attraktive „Ankerpunkte“ für die Menschen schafft, über Kultur oder Wissenschaft: Hochschulen und Außenstellen von Forschungseinrichtungen können Impulse für eine Region geben. Die beste Möglichkeit zur nachhaltigen Zukunftssicherung liegt in einer breit gefächerten Hochschullandschaft.“