Energiewende und die Debatte

 Redaktion

Vor drei Tagen, am 15. Oktober wurde mitgeteilt, dass sich der Strompreis Anfang 2013 um einen Aufschlag von fast 50 Prozent verteuern wird. Während Philipp Rösler (FDP), der Bundesumweltminister für Wirtschaft und Technologie, die Förderung der erneuerbaren Energieträger als Hauptkostentreiber sieht, wird andernorts ganz anders argumentiert: Die Wahrheit ist, dass der Strom wohl noch zwei Jahre etwas teurer werden wird – vielleicht noch um ein weiteres Weizenbier im Monat – aber danach preiswerter, weil Sonne und Wind keine Rechnung schicken. Schon in wenigen Jahren wird fossil-atomare Strom teurer sein als der erneuerbare. Und über die heutige Aufregung werden wir nur noch lächeln, so der Journalist Franz Alt in einem Gastbeitrag „Die Kosten für zwei Weizenbier„.

Hinlänglich bekannt dürfte mittlerweile sein, dass es eine Liste von Firmen gibt, die keine Ökoumlage zahlen müssen. Darunter Brauereien und Tierfutterhersteller. Müssen diese mit subventionierten Strompreisen vor ausländischen Mitbewerbern geschützt werden? Die Bundesregierung glaubte das, bis neulich. Sie gewährte 734 Unternehmen Rabatte bis zu 100 Prozent auf die Ökostrom-Umlage. Darunter Firmen wie Bitburger und die Deutsche Tiernahrung Cremer. Der Staat erlässt begünstigten Firmen Stromkosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Bislang verbrauchen diese Firmen fast ein Fünftel des Stroms (Linktipp: Die taz hat die Firmen, die nicht zahlen müssen, auf einer Deutschlandkarte markiert).

Bezahlen müssen das Private und nichtbegünstigte Firmen. Nach Angaben der Bundesnetzagentur könnte die Ökostrom-Umlage von rund 3,6 auf 3 Cent pro Kilowattstunde sinken, falls die Rabatte für die Industrie wegfielen.

Preis = Erzeugung (35%) + Transport (20%) + Steuern (45%)

Wie schon an der EEG-Umlage klar wird, ist der Strompreis politisch beeinflusst. Um sich die Entwicklung zu verdeutlichen, muss man genauer betrachten, aus welchen Komponenten sich der Preis zusammensetzt: Zurzeit sind das Stromerzeugung (macht rund 35 Prozent des Strompreises aus), Stromtransport (rund 20 Prozent) sowie Steuern und Abgaben (rund 45 Prozent).

Das Umweltministerium begründet die Rabatte auf die Ökostrom-Umlage mit dem Ziel, „die internationale Wettbewerbsfähigkeit der begünstigten Unternehmen zu erhalten“. Tatsächlich müssen Industrieunternehmen jedoch nur nachweisen, wie hoch ihre Stromkosten im Vergleich zu ihrer Wertschöpfung sind. Der Großteil des begünstigten Stromverbrauchs entfällt zwar auf international tätige Branchen wie Metallherstellung, Papier und Chemie. Doch etwa 20 Prozent der Nachlässe erhalten Schienenbahnen, das Ernährungsgewerbe, Energieversorger und „Sonstige“. Darunter sind Straßenbahnbetriebe von Bremen bis Freiburg, Getränkehersteller wie Himmelsberger Mineralbrunnen, Deutschlands größte Molkerei Deutsches Milchkontor – und sogar ein Dutzend Unternehmen aus der Grünstrom-Branche.

Der Stromtransport, der immerhin 20% des Preises ausmacht, soll laut Financial Times ebenfalls kräftig anziehen – um bis zu 23%. Ein belastbarer Überblick über die künftigen Netzentgelte wird erst in diesen Tagen möglich sein. Auch hier ist eine deutliche Zunahme der Befreiungsanträge von Strom-Großkunden zu verzeichnen, nachdem die Bundesregierung im Zuge der Energiewende die Hürden gesenkt hatte.

Bundeskanzlerin Merkel hat beim Deutschen Arbeitgebertag am Montag dieser Woche angekündigt, diese Ausnahmeregelung prüfen zu wollen: „Auch diesen Teil müssen wir uns noch mal anschauen, ob es eigentlich richtig war, dass wir so viele Unternehmen rausgenommen haben“.

Ein Lesetipp aus der SZ: Steigende Kosten machen die Energiewende nicht per se falsch, ganz im Gegenteil. Wer ein komplettes Energiesystem umbauen will, um künftig günstigeren Strom zu haben, der muss eben investieren – übrigens eines der wenigen Beispiele in der Geschichte, in der eine Generation Lasten auf sich nimmt, damit die Enkelgeneration günstiger leben kann. Entscheidend aber wird, wie sich diese Kosten in Grenzen halten lassen.

Und noch einen Kommentar aus der SZ „Warum sich die Energiewende lohnt“ zum Durchhalten und steten Diskutieren für dieses Unterfangen.

Ein Gedanke zu „Energiewende und die Debatte

  1. Im Grunde ist es noch aberwitziger: Seit Jahren sinkt der Börsenpreis für Strom, nachdem sich der Großkundenpreis richtet. Dafür werden die EEG-Differnzkosten, also die Kosten, die sich aus der Differenz zur festen EEG-Vergütung für Windräder und PV-Anlagen ergeben, größer.
    Das heißt: Der Strom für beispielweise die Straßenbahn in Nürnberg (die sich im internationalen Wettbewerb befindet :-) ) bleibt nicht gleich teuer, sondern wird billiger. Daher wird die Differenz zwischen der Vergütung der Photovoltaikanlage und dem, was die Börse dafür zahlt größer, was dann der normale Endverbraucher über eine höhere EEG-Umlage ausgleichen muss.
    Nun wäre es bei öffentlichen Verkehrsmitteln ja noch nett, wenn sie dafür ihre Preise einmal nicht erhöhen würden (sie bekommen ja ein Sparprogramm frei Haus), das würde sogar noch mehr CO2 einsparen, weil der Bus und die Bahn gegenüber dem Auto ihre Position verbessern könnten, aber das wird kaum geschehen.

    Langsam sollte man sich freilich Gedanken machen, wie man Geringverdienern die Anschaffung sparsamer Elektrogeräte ermöglicht. Ein Kühlschrank der Effizienzklasse A+++ ist für einen Leiharbeiter oder eine Verkäuferin schlichtweg nicht finanzierbar, dies ist die tatsächliche soziale Dimension der Situation, nicht die EEG-Umlage. Hier wäre die Politik in der Verantwortung.

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