Redaktion
Inspirationen mag es reichlich gegeben haben: Prince of Persia – ein Videospiel, das 2010 als US-amerikanisches Action-Abenteuer mit Fantasyelementen verfilmt wurde – dürfte eine davon sein für das von orientalisch-schwülstigen Phantasien vollgepackte Stück. Einem PC-Spieler gleich vollzieht Namarand als Rahmenhandlung eine Wandlung vom Anzugträger zum orientalischen (Anti-)helden und wieder zurück und betritt für die Dauer der Haupthandlung die Welt des Orients / der Leiterplatte. Der Säbel-Kampf des Actionhelden als eine willkommene Interpretation seines Einsatzes, umso spaßiger und folgerichtig mit grüner und pinkfarbener Katze, die mit Breakdance-Einlagen brillierten.
Ein interessanter Ansatz, wenn, ja wenn die Umsetzung des über 200 Jahre alten Stücks ins Heute stringent beibehalten worden wäre. Mittels der Videoprojektionen wäre viel möglich gewesen, ansatzweise erschloss sich hier eine Ebene der Darstellung, die für das 21. Jahrhundert hilfreich hätte werden können: doch Camel-Dromedare, Kriegsszenerien und einstürzende Wolkenkratzer sind es nicht. Die barbusigen (Laien)Darstellerinnen („coole-sportliche Damen und Jungs gesucht“) und die Einblicke in den „Serail“ mit Kitsch-Kissen und ein wenig Bauchtanz offenbarten linkisch ein bar jeglicher Erfahrung des Orients tradiertes Bild. Schade. Nein, eigentlich ist es nicht schade, denn hätte Regisseur Peter P. Pachl den ansatzweise vorhandenen politischen Aspekt in den Mittelpunkt seiner Inszenierung gestellt, was wäre wohl dabei herausgekommen? Man mag es nicht wissen: Sprengstoffgürtel-behaftete Bauchtänzerinnen, stammelnde Naturvölker und Burka-tragende Engel (die im Takt mit den Flügeln wackeln) waren bereits zu viel des Guten.
Schade trotzdem. Denn eigentlich ist die Frage nach der Sterblichkeit der Menschheit immanent. E.T.A. Hoffmanns romantische Oper „Trank der Unsterblichkeit“, nach einem Libretto des Theaterleiters Julius Reichsgraf von Soden nahm sich diesem Thema an. Ein metaphysisches Thema, an dem sich Generationen von Philosophen und Theologen versucht haben, ohne das Mysterium des Lebens eigentlich erklären zu können. Verständlicherweise verfolgt von Soden mit seinem Libretto einen pragmatischen Ansatz – alles nur geträumt.
Namarand, der Held, jedenfalls will unsterblich sein, dann wäre – so glaubt er – sein Glück von Dauer. Aber mit dem Tod stürbe auch sein Glück. So lehnt er das Angebot des Schachs von Persien ab, Wesir zu werden. Was wäre eine noch so hohe Beamtenstelle gegen die Unsterblichkeit! Macht – unendlich! Nur dem Unsterblichen bleibt auf ewig die Möglichkeit der Machtübernahme: Er kann warten. Es kommt, wie’s gerne kommt: Der Held bekommt seinen Wunsch erfüllt und begreift erst dann. Der Hoffmannsche Held hat Glück: Bevor die Tragik allzu groß wird, platzt die ganze Szenerie – alles nur geträumt!
Man hätte gerne von dem wunderbaren Tenor Uwe Stickert mehr gehört, doch die Sprechzeiten sind häufig und lang. Stickert erhielt Szenenapplaus und reichlich Bravos ebenso wie die beiden Sopranistinnen Julia Neumann und Marisca Mulder in den Rollen von Namarands Lieblingsfrauen Mandane und Mirza. Besondere Beachtung darf der Chor auf sich ziehen, ebenso wie Sebastian Pilgrim als Schach von Persien und Jörg Rathmann, der als Diener Hassem erquicklich agierte.
200 Jahre lag die Oper in der Schublade, vielleicht ist die Zeit noch nicht reif dafür, oder E.T.A. Hoffmann kein musikalisches Genie?
Falls sie bei der Wiederaufnahme in Bamberg anwesend waren & sich Ihre Kritik darauf bezieht, möchte ich nur eine Kleinigekeit anmerken: die Sopranistin Julia Neumann befand sich zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus, Lob für die „Mandane“ gebürt dafür der Choristin Nicole Enßle, die kurzfristig eingesprungen ist!