Christiane Hartleitner
Die Bürger fordern nicht nur die Bewahrung der Denkmäler, sie zeigen sogar Vorschläge auf. DAS dürfte die Quintessenz des Abends sein, der von mehreren Bürgervereinen und der Stadtheimatpflege veranstaltet worden war (hier). Diese Einsicht beinhaltet die nicht unausgesprochene Tatsache, dass die Stadt Bamberg hierin versagt hat, weil sie die Beplanung des Herzstücks des Welterbes erneut einem Investor überlassen hat, dessen Motivation sich einzig aus der Gewinnmaximierung speist. Und selbst keine Vorstellungen davon, ja nicht einmal Überlegungen dazu macht, wie der Umgang mit diesem Herzstück gelingen könnte. DAS wäre die eigentliche Aufgabe eines Stadt-Planungs-Amtes – doch das hat (nach Aussage von Herrn Lang) bislang keinen AUFTRAG erhalten. Oje.
Längst überfällige Desiderate der Stadtgeschichte einlösen und eine Aufwertung des Stadtzentrums erhalten
Nun, dieser zentralen Frage versuchten sich die Beiträge an jenem Abend zu nähern. Frau Eißing zeigte nicht nur einen Abriss der Geschichte des Quarties, sondern stellte auch die Erfurter Lösung vor. Einen Einblick finden Sie hier. Professor Hubel übernahm die Regensburger Variante, wo das „document Neupfarrplatz“ unter- und oberirdisch der jüdischen Geschichte gerecht wird. Beide Beispiele eignen sich sehr gut, um eine Vorbildfunktion für Bamberg übernehmen zu können: Sowohl in Erfurt als auch in Regensburg wurden längst überfällige Desiderate der Stadtgeschichte eingelöst und beide Male erfolgte im Stadtzentrum eine Aufwertung.
Das längst überfällige Desiderat der Stadtgeschichte einlösen und eine Aufwertung des Stadtzentrums erhalten: Diese beiden Ziele müssen im Quartier an der Stadtmauer angestrebt und erfüllt werden. Und diesen Weg kann nur die Stadt und ihre Vertreter einschlagen. Dass das Bamberger Gelände nicht in privater Hand ist (wie das in Erfurt zunächst war), erleichtert die Sache insofern, als dass beim derzeitigen Besitzer, der in öffentlicher Hand befindlichen Sparkasse, Einfluss genommen werden muss. Und wenn man will, auch kann – mittels des Aufsichtsrats und dessen Vorsitzenden, des Bamberger Oberbürgermeisters.
In diese Richtung wird wohl die Stellungnahme des Landesdenkmalrates tendieren (hier), denn die stellvertretende Vorsitzende und der Überraschungsgast des Abends, Frau Dr. Dengler-Schreiber, berichtete über die letzte, erst wenige Tage zurückliegende Sitzung desselben zum Thema: Baureferent Ilk habe sich sehr kritisch zum Wettbewerb und dessen Ergebnissen geäußert. Das erstaunt, denn bei den Anforderungen war nichts anderes zu erwarten. Dieser von Anfang an zum Scheitern verurteilte Wettbewerb war ein Anrennen gegen Tatsachen und ein Hoffen, die Phalanx der Gegner mürbe zu machen, und den Investor doch noch irgendwie – und wenn es über die Hintertür ist – hier zu platzieren. Nicht ein Architektenwettbewerb wäre vonnöten gewesen, sondern ein Ideenwettbewerb. Ein stadtplanerisches Konzept eben. An diese grundsätzliche Aufgabe wird die noch folgende Stellungnahme des Landesdenkmalrats die Stadt Bamberg erinnern.
„Es muss sich rechnen“
„Es muss sich rechnen“ – so wurde an diesem Abend der Bamberger Oberbürgermeister von offizieller Seite zitiert. Nimmt man in eine solche Berechnungsgrundlage mit auf, dass ein ganzes Quartier aufgewertet, dass die jüdische Geschichte endlich erfahrbar wird, dass scharenweise Liebhaber moderner gelungener Architektur nach Bamberg pilgern werden, dass das Ansehen Bambergs in der Welt aufgewertet und nicht das eines öffentlichen Kreditinstituts abgewertet wird, dass einseitiger Gewinn eines Investors nicht auf Kosten privater Hausbesitzer (der im Umgriff des Quartiers nämlich, deren Häuser zwangsläufig erheblich an den Ausschachtungsarbeiten und den Spundwänden über mehrere Meter zu leiden hätten) betrieben wird, dass die Sparkasse durch den erzwungenen Leerstand von Wohnungen Ausfälle von Mieteinnahmen hatte – nimmt man diese durchaus quantifizierbaren Bausteine ins Kalkül hinein, kann die Rechnung aufgehen. Nach diesem zweiten, nun wohl auch als gescheitert zu bezeichnenden Versuch, das Quartier an der Stadtmauer in eine Shoppingmal zu zwingen, sollte man Abstand von der einfachen Investitions- und Rendite-Rechnung nehmen und das Kalkül um die oben genannten Parameter erweitern.
Andere Städte haben diese Rechnung aufgemacht – Erfurt und Regensburg zeigen das. Dass auch am Quartier Möglichkeiten – unter Beibehaltung der ober- und unterirdischen Denkmäler – bestehen, davon erhielten die Anwesenden eine Anmutung: sowohl der Diplomarbeit der Architektin Rastawicki als auch der Denkmalpflege-Abschlussarbeit von Barth/Apostolos/Fischer-Kohnert ist es gelungen, adäquate Nutzungen zu präsentieren.
Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Wolfgang Neustadt: Quartier an der Stadtmauer: Totgeburt oder Quadratur des Kreises? Gibt es Auswege aus dem absoluten Planungsdilemma?
Zu ergänzen ist, dass es an Leerstand im Einzelhandel in Bamberg nicht gerade mangelt: Atrium, Theatergassen, das frühere Kaufhaus Honer.
Weitere 14.000 m² Einzelhandelsfläche in postmoderner Beliebigkeit dürften da allenfalls Mieter von den Nachbarstraßen weglocken und einen Leerstand bei H&M, C&A, Tschibo usw. verursachen.
Im Gegensatz dazu wäre das koschere Restaurant, dass die junge Architektin vorschlug, tatsächliche eine Ergänzung. Auch ein Tagungszentrum in dem Hotel des Planes von Barth u.a. wären tatsächlich eine Ergänzung statt höchstens eine Verlagerung des Bestehenden und zwangsläufigem weiterem Leerstand hier oder dort.