29.08.2012/11. Elul 5772
Dr. A.Y. Deusel
Liebe Angehörige, liebe Freunde von Heiner Olmer und seiner Familie,
fassungslos stehen wir hier, um Abschied zu nehmen von unserem Parnass, Heinrich Olmer – Chajim Mosche ben Joseph ha-Levi. Sie – Ihr, liebe Familienangehörige, ebenso wie wir, die Gemeinde, deren väterlicher Leiter er über so viele Jahre war, und auch seine Freunde und Weggefährten, die sich heute auf den schweren Weg hierher gemacht haben.
Gerade 63 Jahre ist es her, daß Heinrich Olmer in Bamberg geboren wurde; seine Eltern waren Überlebende der Schoa, des Todeslagers Auschwitz. In seiner Kindheit hatte er nur wenige jüdische Freunde und Schulkameraden um sich, und doch war, trotz der wenigen Kinder in der nach 1945 wieder neu gegründeten kleinen Bamberger jüdischen Gemeinde, das jüdische Bewußtsein sehr stark, und es war selbstverständlich, daß die Kinder auch alle Religionsunterricht bekamen – durch einen jüdischen Wanderlehrer und zeitweise auch durch den Militärrabbiner der amerikanischen Garnison. In den Familien, auch wenn nicht alle besonders fromm waren, wurden die jüdischen Traditionen gepflegt; so auch in der Familie Olmer. Das Judentum war ein selbstverständlicher Bestandteil des täglichen Lebens, und es wurde auch nicht verborgen, auch wenn die DP-Leute zunächst noch als staatenlos galten; erst später erhielten sie deutsche Pässe.
Auch Heiner Olmer war immer stolz auf sein Judentum und hat es mit großem Selbstbewußtsein – aber niemals überheblich – vertreten, bereits als Schüler am Dientzenhofer-Gymnasium, wo er in seiner Klasse der einzige jüdische Schüler und daher jedesmal entsprechend gefragt war, wenn es im Unterricht in irgendeiner Weise um das Judentum ging. Nach dem Abitur in Bamberg studierte Heiner in Erlangen, wurde Diplom-Kaufmann, anschließend Wirtschaftspädagoge. Lange Jahre war er Lehrer für Betriebswirtschaft an der Graf-Stauffenberg-Schule, bis er im Jahr 2000 als Studiendirektor in den Ruhestand trat.
Nun, „Ruhestand“ ist eigentlich ein höchst unpassendes Wort. Denn er setzte sich ja keineswegs zur Ruhe, sondern engagierte sich umso mehr für seine Gemeinde, die IKG Bamberg, der er seit 1989 als I. Vorsitzender vorstand, zuvor war er schon einige Jahre als Vorstandsmitglied tätig. Damals war die Gemeinde sehr klein, sie bestand aus weniger als 30 Personen. Heiner hat sich oft erinnert, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen, als er die Gemeindeleitung übernahm; er meinte, eine so überschaubare Gemeinschaft von meist älteren Herrschaften werde er wohl leiten können – und das tat er, nicht nur als Vorsitzender, sondern auch als Schaliach Zibur, d.h. als Vorbeter im G’ttesdienst. Wer konnte ahnen, daß schon wenig später die Zeit der Zuwanderung aus den ehemaligen GUS-Staaten beginnen würde – eines Tages waren aus den 25 Personen um die 900 geworden. Heiner half diesen Menschen, wo er konnte, im schwierigen Prozeß der Integration. Und er war derjenige, der es mit viel Engagement und großer Energie schaffte, aus einer kleinen Gemeinde mit Betsaal eine große Gemeinde mit funktionierender Infrastruktur zu schaffen – das Gemeindezentrum mit der neuen Synagoge und regelmäßigen G’ttesdiensten, dem Lehrhaus, der Bibliothek, der Mikwe, der koscheren Küche – und einem Rabbiner, resp. einer Rabbinerin – womit das seit 1939 vakante Bamberger Rabbinat wieder besetzt wurde.
Heiner war ein Visionär – und er sagte, die Zeit der gepackten Koffer sei vorbei: „Wer baut, will bleiben.“ Und er baute, auf dem verbrannten deutschen Boden baute er an der jüdischen Zukunft, wobei er sich auch im interreligiösen Bereich nachdrücklich engagierte.
Heiner war aber auch liebender Vater, der Vater von Silja, Stephan und Michael, und er war stolzer Großvater von vier Enkelsöhnen. Seine Familie bedeutete ihm alles, und er plante eigentlich, in der nächsten Zeit kürzer zu treten, um sich besonders seinen Kindern und Enkeln widmen zu können.
Dazu kam es nicht mehr. Am frühen Abend des 29. August 2012 verstarb Heiner Olmer, für uns alle völlig unerwartet. Er hatte noch so viel vorgehabt, und doch wurde er mitten aus diesem seinem so aktiven Leben gerissen. Und er hat eine Lücke hinterlassen, die kaum zu füllen sein wird.
„Wer baut, will bleiben.“ Heiner hat mir einmal erzählt, als er vor seiner Berufswahl stand, habe er geschwankt zwischen dem Kaufmannsberuf und einer juristischen Laufbahn. Er habe sich dann gegen Jura entschieden, mit dem Gedanken, wenn er einmal Deutschland verlassen müßte, könnte er mit dem deutschen Jurastudium anderswo nichts anfangen. Silja hat sich, als sie ihren Beruf wählte, für Jura entschieden. Das war für Heiner ein Symbol für eine Zukunft des Judentums in Deutschland. Die Koffer sind ausgepackt, sagte er, und er baute eine Synagoge, als Zeichen der Hoffnung für das jüdische Leben.
So möge uns der Name dieser Synagoge – Or Chajim, Licht des Lebens – ein Symbol sein für diese Hoffnung, und gleichzeitig eine stetige Erinnerung an das Licht, das Heiner – Chajim – Olmer für seine Gemeinde entzündet hat.
(Hesped = Trauerrede)
Eine schöne Idee, die Trauerrede zu bringen!
Und eine sehr angemessene und gelungene Hesped von Frau Deusel. Viele Bamberger trauern mit, wie wir.
Frau Deusel ist uns für ihr sehr beherztes öffentliches Auftreten nicht nur anläßlich eines zurückliegenden Tags der offenen Tür sehr beeindruckend in Erinnerung.
Wir wünschen uns gern von ihr und der gesamten Jüdischen Gemeinde in Bamberg noch mehr offensive Öffentlichkeit und Streitbarkeit.
Alles Gute und viel Erfolg dabei.