Winnie Wenzel
Am Ende hieß es 103:70 für die Hausherren – ein deutliches Ergebnis, dem auch ein entsprechend gutes Spiel der Brose Baskets vorangegangen war: ein Spiel mit hohem Tempo, sehr guten Trefferquoten von praktisch allen Positionen aus, mit starkem Siegeswillen und viel Energie.
Von Anfang an machten die Domstädter klar, dass sie diese Serie anders starten wollten als die davor gegen Bonn. Man würde über diesen Auftakt hierzulande aber mehr jubeln können, wenn man nicht genau um die extreme Belastung der Artland Dragons durch ihre beiden letzten Begegnungen mit Bayern München wüsste. Ohne die Leistung der Bamberger schmälern zu wollen, wies auch Drachentrainer Koch in der Pressekonferenz auf diesen Umstand hin. Praktisch von Beginn an wirkten die Dragons ein bisschen langsamer als Bamberg, ein wenig angestrengter. Sie selbst gebrauchen in ihrem Spielbericht dafür sogar die Vokabel „ausgelaugt“. Zum Ende des ersten Viertels waren die Brose Baskets unter diesen Rahmenbedingungen, aber auch dank einer sehr guten Vorstellung von Tucker und Pleiß auf 24:13 davongezogen. Signifikant liest sich auch die Foulstatistik: während Bamberg in diesem Abschnitt fast unbelastet über die Runden kam, sammelten die Gäste eifrig Fouls, die sie freilich sehr geschickt auf ihr ganzes Team verteilten; lediglich Peavy hatte nach 10 Minuten schon zwei Fouls auf seinem Sündenkonto stehen.
Im zweiten Viertel verkürzte Quakenbrück durch einen kleinen Lauf auf 24:19, doch Bamberg stabilisierte sich früh und zog mit Treffern von Karsten Tadda und Julius Jenkins wieder bis auf 33:19 davon. Diese Entwicklung – kleines Aufbäumen der Gäste, Konter der Hausherren – wiederholte sich in diesem Spielabschnitt noch einmal, so dass man mit 55:37 in die Pause ging. Analysiert man den Spielverlauf bis zu diesem Punkt, fallen taktisch gesehen einige Dinge besonders auf: Bamberg hielt das Tempo extrem hoch, um die Dragons an ihrem wunden Punkt, der Belastung eben, zu treffen, wobei gerade Jacobson, der nicht sehr stark scorte, extrem viel Energie einsetzte. Chris Fleming hatte sich offenbar vorgenommen, die sogenannten „Läufe“ der gegnerischen Mannschaft (die es auch wieder gab) frühzeitiger als gegen Bonn durch Auszeiten zu stoppen und sein Team in gefährlichen Phasen, in denen der Schlendrian einzureißen drohte, mit aller Macht aufzurütteln. Quakenbrück traf schlecht von außen, wodurch es Bamberg möglich war, die Räume unter dem Korb extrem abzudichten und die Langen der Nordlichter häufig zu doppeln. Im Gegensatz dazu traf Bamberg – wie das Ergebnis zeigt – bis zum Ende hin ausgezeichnet. Das Verteidigungsverhalten Quakenbrücks war im Gegensatz zu dem der Bonner im Viertelfinale nicht sehr variabel. Ich würde mich nicht darauf verlassen wollen, dass das auch im nächsten Spiel der Serie so bleibt. Ein wenig drastisch formuliert, könnte man sagen, dass schon im zweiten Viertel erkennbar war, dass die Norddeutschen bereit waren, das Auftaktspiel der Serie vielleicht nicht gerade ,abzuschenken’, aber doch auch nicht auf Biegen und Brechen unter Einsatz aller verfügbaren taktischen Raffinessen zu führen – einfach um zu regenerieren.
Zu Beginn des dritten Viertels schien zunächst für die Hausherren alles plangemäß zu verlaufen, Slaughter erzielte seine Punkte fünf und sechs, Fenn fing sich nach 2:45 sein drittes Foul, Thomas bald darauf sogar sein viertes, Gavel punktete von nah und fern, Tucker gelangen Balleroberungen in Serie, dann aber riss – wieder einmal – der Faden, und zwar ordentlich. Ein technisches Foul, das sich Jacobson für Meckern abholen durfte, hatte schon ein Warnzeichen gesetzt. Dann lief Anthony King bei den Gästen zu großer Form auf. Nach knapp 4 Minuten stellte er als erster Quakenbrücker sein Punktekonto zweistellig und dann ging’s Schlag auf Schlag. Bamberg schlampte beim Angriffsaufbau, bei der Ballsicherung beim Abschluss. Beim Stand von 65:53 nahmen die Broses eine Auszeit, um den Spielfluss der Gäste zu stoppen, mussten danach aber gleich noch das 65:58 zulassen. Mit zwei versenkten Freiwürfen leitete Pleiß die Wende ein. Suput und Jacobson stellten kurz vor Ende des Viertels mit schönen Dreiern wieder einen angenehmeren Zwischenstand her (73:60). Ganz zum Schluss noch ein erfolgreicher Freiwurf von Gavel, und der Meister durfte mit 74:62 dem Schlussabschnitt entgegen gehen.
Der Aufreger des letzten Viertels war die Verletzung von Tibor Pleiß nach einer Reboundaktion, als noch keine 2 Minuten ausgespielt waren. Wie es mit dem Center der Broses weitergehen wird, muss eine Kernspinaufnahme klären. Gestern wurde er durch Marcus Slaughter ersetzt, der in dieser Spielphase Verantwortung übernahm, große Einsatzbereitschaft zeigte und auf diese Weise auch zu Korberfolgen kam. Am Ende hatte er 11 Punkte auf seinem Konto. Der markante Formanstieg dieses Spielers gegenüber der Bonner Serie dürfte Stefan Koch einige Sorgen bereiten. Während des letzten Spielabschnitts baute Bamberg seinen Vorsprung kontinuierlich aus, wobei auch Julius Jenkins glänzte. Ein Dreier von Suput knackte 2:03 Minuten vor dem Ende die magische Hundert. In der Schlussphase durften bei beiden Teams die Nachwuchskräfte Erfahrungen sammeln. Man of the Match wurde – völlig zu Recht – PJ. Tucker, gegen den Quakenbrück in Angriff wie Verteidigung nie ein Gegenmittel fand.
Die ,rote Wand’ stand in jeder Phase des Spiels wie eine Mauer, Quakenbrücker Fans waren leider kaum zu sehen, was zum einen Teil an deren geringer Zahl lag, zum anderen, sehr bedauerlichen Teil aber auch an der Tatsache, dass man sie in die sibirischen Regionen der Stechert-Arena verbannt hatte. Den traditionellen Gäste-Fanblock hinter der Nordtribünen-Korbanlage hatte man nach den Erfahrungen mit den hüpffreudigen Bonnern vorsichtshalber mit braven Bambergern besetzt. Man kann diese Maßnahme des Managements nachvollziehen, dennoch ist die Situation unbefriedigend. Wie ein Quakenbrücker zu Recht im Internet schreibt, ist es höchst ärgerlich, 20 € für einen Stehplatz unter dem Hallendach berappt zu haben. Witzig hingegen, wie zerknirscht sich ein Bonner Hüpfer („Hugo“) im Fanforum zeigt: „Wir haben es tatsächlich gewagt auf der Tribüne zu hüpfen. Ich schäme jetzt noch. Jetzt darf niemals mehr jemand auf die Tribüne, die den Korb zum Wackeln bringt. Wir sind schuld, ich bin schuld, ja auch ich bin gehüpft. Ich wusste nicht, was ich tat. Sorry an alle Fans, die jetzt immer unter das Hallendach gepfercht werden. Ich war’s. Bamberg kann nicht anders. Weil ich gehüpft bin. Verdammt. Haut mich, verflucht mich, ich wusste es doch nicht besser. Was hab ich bloß getan …“ Lieber Hugo, wir sehen Deine tief empfundene Reue und vergeben Dir! Buße muss allerdings sein: Deshalb darfst Du an diesem Restwochenende nur Kölsch trinken; der Zugang zu Bamberger Rauchbier sei Dir für 15 volle Stunden verwehrt!
Statistik:
Brose Baskets: Tucker (21), Gavel (12), Jenkins (12), Pleiß (11), Roberts (11), Slaughter (11), Suput (11), Jacobsen (6), Tadda (6), Schmidt (2), Neumann.
Artland Dragons: King (14), Holston (13), Bailey (11), Fenn (10), Hilliard (9), Thomas (7), Peavy (5), Hoffmann (1), Grünheid, Hartenstein, Hess, Strasser.
Bei einem Blick auf die Statistik, die den Spielverlauf ganz zutreffend charakterisiert (m.E. kommen dabei allenfalls Jacobson und Tadda zu schlecht weg), fragt man sich: Was war auf Quakenbrücker Seite mit Adam Hess los, mit Strasser, mit Grünheid. War die Bamberger Verteidigung unter dem Korb wirklich so gut?
Noch ein Nachtrag zur Schiedsrichterleistung, die ich keinesfalls so schlecht fand, wie sie in den Fanforen dargestellt wird: Außen gelb heißt nicht zwangsläufig ,Zitrone’! Was das Foul-Ungleichgewicht im gesamten Spiel, vor allem aber im ersten Viertel betrifft, so hat dieses primär mit dem Tempo-Spiel der Bamberger zu tun, dem Quakenbrück einfach permanent taktische Fouls entgegensetzte, um es zu unterbinden. Die gleichmäßige Verteilung dieser Fouls auf fast alle eingesetzten Spieler spricht da eine deutliche Sprache. Diese Marschroute hätte übrigens auch leicht funktionieren können, wenn Bamberg schlechter von der Freiwurflinie getroffen hätte. Oder sich hätte provozieren lassen und die Linie verloren hätte. Fazit: Hier geht’s um Taktik, nicht um schlechte Schiedsrichterleistungen. Vom Pressetisch aus konnte ich außerdem mehrfach direkt vor meinen Augen sehen, wie Verteidiger (beider Teams) Angreifern voll und absichtlich auf den Wurfarm klatschten, um nach erfolgtem Pfiff sofort das verzweifelte Unschuldslamm zu mimen. Emotionalisierte Fans sind in solchen Fällen praktisch immer ein dankbares Publikum für theatralische Leistungen der eigenen Matadore.
„Den traditionellen Gäste-Fanblock hinter der Nordtribünen-Korbanlage hatte man nach den Erfahrungen mit den hüpffreudigen Bonnern vorsichtshalber mit braven Bambergern besetzt. “
FALSCH!
Schon seit GSS Zeiten werden hinter dem Gästekorb Abteilungskarten verkauft. Hier sind dann Vereinsmitglieder aus dem Franken1st Konzept untergebracht. Diese braven Bamberger sind hier also schon immer…