von Winnie Wenzel
Nachdem sich der 27jährige Marco Huck im Februar erfolglos im Schwergewicht versucht hatte, meldete er sich gestern Abend mit einem knappen Punktsieg (114:114, 115:113, 114:114) gegen den britischen Interims-Weltmeister der WBO Ola Afolabi in seinem alten Wirkungskreis zurück. Das Ergebnis, das so in Ordnung geht, aber auch Unentschieden hätte lauten dürfen, deutet an, dass der Kampf eine knappe Kiste war. Und nicht nur das. Marco Huck hat sich seit langem als Marke im Boxsport etabliert. Er erinnert seine Fans (und dafür lieben sie ihn!) regelmäßig daran, dass das Wort „to box“ ursprünglich ein Ausdruck für „prügeln“ war und Boxen historisch ein Teil des Ringens war, bevor es sich als vorgebliche „edle Kunst der Selbstverteidigung“ emanzipierte.
Auch ich freue mich in diesem Sinne auf Kämpfe von Marco Huck. Damit will ich nichts gegen die völlig anders gearteten Klitschko-Fights gesagt haben, Markenartikel des Sports auch diese, wenn auch in einem ganz anderen Sinne. Bei Boxkämpfen mit Beteiligung eines der Klitschkos kommt man endlich einmal dazu, Dinge in Haus und Garten zu erledigen, die man schon immer tun wollte, für die man aber nie Zeit gefunden hat: Geschirrberge wegspülen, Staub saugen, Knöpfe annähen, Qi Gong-Übungen machen, eine Doktorarbeit zu Ende schreiben. Hin und wieder schaut oder hört man in Richtung Fernseher, ob der jeweilige Klitschko den Kampf gegen sein jeweiliges Opfer schon beendet hat oder es noch ein Weilchen mit Jabs beschäftigt, um dem Publikum Zeit für die genannten wichtigen Dinge zu verschaffen.
Huck ist weniger Boxer als Fighter. Filigranes erwartet von ihm niemand, im Gegenteil! Als ehemaliger Kickboxer setzt er gerne seinen gesamten Körper ein, mit dem er in wilden Aktionen über seine Gegner herfällt. Kampfreporter gebrauchen in Huck-Kämpfen inflationär das Wort „Urgewalt“. Urgewalten entfesseln aus dem Bauch heraus enorme Kräfte, man denkt sofort an Vulkanismus, Tsunamis. Oder eben an Marco Huck. Zur Huck-Show gehört neben physischer Urgewalt aber auch die hohe Kunst der Rhetorik, in den Ringpausen rührend zelebriert (geraunt, gesäuselt, gefleht, gebellt) vom Trainer, Dompteur und väterlichen Freund Ulli Wegner, einer Art Yoda des deutschen Boxsports. Ola Afolabi wurde übrigens gestern ausgerechnet von Fritz Sdunek gecoacht, dem etwas weniger charismatischen Yoda der Promotionfirma K2, die den Klitschkos gehören soll.
Da Afolabi auch ein Urgewalten-Boxer ist, kam das Publikum auf seine Kosten. Ich könnte den Kampf mit seinen rhetorischen Zwischenspielen jetzt en detail schildern, will hier aber nur sagen: er wogte hin und her, tausende Schläge trafen (wo auch immer), hunderttausende verfehlten glücklicherweise das Ziel. Am Ende waren beide Kämpfer physisch k.o., wurden aber noch von reinem Willen auf den Beinen gehalten. Man hätte am Ende ihnen zu Ehren Max Schmelings Boxerlied spielen müssen http://www.youtube.com/watch?v=5N9gsWtUguw .