Ein Glück, dass es die Gärtner und Häcker gibt

Christiane Hartleitner

Ein kleiner Rückblick und ein kleiner Ausblick

Zwiebeltreter. Foto: Erich Weiß

Historische Verantwortung und Standesbewußtsein, Bürgergeist und Volksfrömmigkeit waren die Triebkräfte zur Errichtung des Gärtner- und Häckermuseums, das Stadt und Wissenschaft fördern. Als Spezial- und kleines Freilichtmuseum kann es Lebensformen einer Ackerbau treibenden Stadtbevölkerung dokumentieren, deren Sonderkulturen und Intensivlandwirtschaft veranschaulichen. Es läßt in der ursprünglichen Umgebung, in einem typischen Gärtneranwesen, Kenntnis gewinnen von Alltag und Arbeit, von Standesgeschichte und lebendigem Brauchtum. Die materiellen Zeugnisse geben Auskunft über ökonomische, geistige und religiöse Kultur, bieten so eine überschaubare Heimat- und Volkskunde, so beschrieb Professorin Elisabeth Roth 1986 vor über einem Vierteljahrhundert „ihr“ Museum. Zur Rettung des nahezu völlig verfallenen Hauses und der Einrichtung als Museum hat die Volkskundlerin der Universität Bamberg und spätere Stadtheimatpflegerin maßgeblich beigetragen. Und das Museum entspricht nach einer umfassenden, doch mit Umsicht, weil aus fundierter Kenntnis getragenen Neukonzeption noch eben genau diesen Grundsätzen. Mit wissenschaftlichem Forschergeist, Hingabe an die Sache und Akribie ist es Dr. Hubertus Habel vorzüglich gelungen, dieses Kleinod in die nächste Generation weiter zu tragen. Seiner Leidenschaft ist es sicher auch zu verdanken, dass der engagierte Gärtnerverein die Trägerschaft nach wie vor übernimmt – ein Glücksfall.

Wir haben Euch als unsere Vertreter und nicht als unsere Verkäufer gewählt!

Geplanter Durchbruch Mitte. Das grüne Rechteck zeigt die Lage des Gärtner- und Häckermuseums

Man mag sich Bamberg nicht ohne dieses Engagement vorstellen. Heute nennen wir es Engagement, in den 60er Jahren beschimpften Zeitgenossen sie als rückwärtsgewandt, sie würden sich der modernen Zeit verschließen, wären halt sture Bauern. Was war? Die städtische Verwaltung wollte Bamberg zu einer autogerechten Stadt umfunktionieren und plante 1966 hierfür den Durchbruch Mitte (Abb. Stadtplanungsamt Bamberg. Aus: Wiesemann/Beese: Bamberg im „kurzen 20. Jahrhundert. In: Gunzelmann, Thomas: Stadtdenkmal und Denkmallandschaft (= KDB Oberfranken), S. 688, im Druck). Vierspurig sollten sich die Autokorsos durch die Untere Gärtnerei jagen. Dort, wo nun das Gärtner- und Häckermuseum mit viel Aufwand und städtischem Schulterklopfen den Bambergern und Touristen präsentiert wird, wären – hätte man die Planungen durchgewunken – Beton

1967 in der Mittelstraße

und Blech. Statt Vitamine Abgase. Die Gärtner empfingen im Juli 1967 den Bamberger Stadtrat mit schwarzen Fahnen: „Hißt Trauerflor – der Stadtrat kommt“ (Abb. Emil Bauer, in: Habermehl: Diagonalen. In: Benät – Keesköhl – Stazinäri. Bamberg, seine Gärtner und Häcker. Arbeiterfotografie. 1993, S. 8), so titelte der Fränkische Tag, als die demokratisch gewählten Vertreter einen Ortstermin hierher unternahmen. Statt Blumen verkauften die Gärtner damals schwarze Meterware und trugen zur Diskussion bei: Wir haben Euch als unsere Vertreter und nicht als unsere Verkäufer gewählt!

Geplante Straße nach Südwest

Der Highway wurde nicht gebaut. Auch nicht das elfgeschossige neue Rathaus, rechts im Bild (Abb. Stadtplanungsamt Bamberg. Aus: Wiesemann/Beese: Bamberg im „kurzen 20. Jahrhundert. In: Gunzelmann, Thomas: Stadtdenkmal und Denkmallandschaft (= KDB Oberfranken), S. 689, im Druck).

Wären die Schädel weniger dick, sähe Bamberg heute anders aus, ganz anders. Ohne die Landwirtschaft betreibende Stadtbevölkerung und die Gärtnerstadt hätte Bamberg den Welterbetitel nicht erhalten. Jener Highway wurde zwar nicht gebaut, doch deshalb ist nicht alles gut. Offensichtlich muss jede Generation – egal ob Gärtner oder Flussschwimmer – mit Nachdruck um Einsicht kämpfen.

Eindrücklich belegen die Arbeiterfotografien aus den frühen 90er Jahren den Wandel und den bestehenden Druck durch Wohnbebauung, Gewerbe und Straßen. Derzeit sind diese am Domplatz im Historischen Museum zu sehen. Deren nach wie vor aktueller, sozial- und wirtschaftskritischer Ansatz könnte in den neu eingerichteten Multimedia-Stationen des Museums oder einer eigenen Präsentation eine wichtige Bereicherung sein. Neugierige Besucher sind stets dankbar für kluge Denkanstöße.

Diese kann das behutsam erneuerte Museum allenthalben bieten: die stete Anpassung an die klimatischen Veränderungen, an Lebensmittelknappheiten, an marktwirtschaftliche Vorteile durch frühzeitiges Ankeimen des Saatguts in der Wärmekammer im Kachelofen sowie die kluge Einsicht nach gemeinschaftlichem Zusammenhalt.

Einem Klostergarten nicht unähnlich ist die Oase – der Garten. Während im vorderen Bereich die Produkte der Gärtner, wie Gemüse und Gewürze angebaut werden, sind im hinteren Bereich typische Anpflanzungen der Häcker zu sehen, der Winzer, die wegen des klimatischen Wandels nach der Kleinen Eiszeit zu Pflegern von Streuobstwiesen wurden. Natürlich darf das Süßholz nicht fehlen, deren Wurzelernte Teil der Meisterprüfung des Gärtners war. Der Zweidlerplan von 1602 – wandgroß und farbig hinterlegt – ist didaktisch klug aufbereitet, wo Gärtner und wo Häcker lebten und ihrer Arbeit nachgingen. Letztere im Berggebiet und um den Laurenziplatz verortet. Dass das Süßholz ursprünglich im Bereich Weide seinen Standort zwischen den beiden Regnitzarmen hatte, wo den meterlangen Wurzeln aufgrund der topographischen Gegebenheiten Einhalt geboten war, lässt sich derart präsentiert, gut nachvollziehen.

Dieses Museum ist ein Schmuckstück, auch nach der Neukonzeption. Es könnte in weiser Vorausschau zum Vorbild für den Gärtner zukünftiger Generationen werden.

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