Verraten wir unser Erbe?

Ein Beitrag von Dr. Jörg Händler, 1. Vorsitzender

Eine Mahnung von der Schutzgemeinschaft Alt-Bamberg zu den Plänen für ein „Quartier an der Stadtmauer“

Seit geraumer Zeit beschäftigt sich unser Verein, beschäftigt sich die Stadt Bamberg, beschäftigen sich die Bürger unserer Stadt mit den Plänen für eine neue Bebauung des Gebietes zwischen Lange Straße, Hellerstraße und Promenade. Was als „Citypassage“ begann – und scheiterte – heißt heute „Quartier an der Stadtmauer“. Kurz gefasst handelt es sich bei dem „neuen“ Vorhaben aber eigentlich nur um einen Aufguss alter Pläne mit einem neuen Namen, mit neuen Investoren und einem anderen Marketing. Die Pläne werden von unserem Verein nicht gut geheißen. Das Vorhaben wird in der Art und Weise keine Chance auf Realisierung haben.

Dass man sich mit einem solchen Projekt so lange, bis heute und überhaupt beschäftigen muss, ist ein Unding in einer Stadt wie Bamberg, in deren Zentrum, mitten im Weltkulturerbe. Sicherlich ist es sinnvoll, das betroffene Areal einer neuen Nutzung zuzuführen, aus einem brach liegenden Gebiet ein belebtes Innenstadt-Quartier zu entwickeln. Jedoch muss dabei im Vordergrund stehen und es gelingen, sämtliche Interessen unter einen Hut zu bringen und einem Kompromiss zuzuführen. Es geht um die Interessen der Stadt Bamberg, der Sparkasse Bamberg als Eigentümerin des Areals, des Investors und um die Interessen der Bürger Bambergs. Es geht aber auch, und nicht zuletzt, um denkmalpflegerische Belange, um Denkmalschutz. Es geht um eine Mikwe und Stadtmauern, es geht um mittelalterliche Keller, denkmalgeschützte Häuser und – darüber wurden viel zu wenige Worte verloren – um die Relikte aus vergangenen Zeiten, die noch in dem Gebiet im Untergrund verborgen sind und von deren Ausmaß und Bedeutung keiner weiß, aber ahnt.

Es ist kein Wunder, dass der Aufschrei nach der Vorstellung des Entwurfes eines Bebauungsplanes groß war. Es ist kein Wunder, dass sich Denkmalschützer, auch unser Verein, negativ zu dem Entwurf des Bebauungsplanes geäußert haben –  schließlich sollte mit Ausnahme zweier Gebäude alle denkmalgeschütze Substanz zerstört und der gesamte Boden bis in mehrere Meter Tiefe einfach „ausgeräumt“ werden. Das sollte auch für die Reste der Stadtmauern gelten – im „Quartier an der Stadtmauer“.

Es ist kein Wunder, dass auch jetzt nach dem Architektenwettbewerb die Kritik an dem Vorhaben nicht verstummt. War etwas anderes zu erwarten? Welches anderes Ergebnis soll zustande kommen, wenn die Architekten von einem Entwurf eines Bebauungsplanes ausgehen müssen, in dem von „nicht erhaltungswürdigen Denkmälern“ gesprochen wird, in welchem eine Mindestgröße an Verkaufsfläche vorgegeben ist, wenn der Investor auf einem dritten Ankermieter im Bereich Hellerstraße besteht?

Das Problem ist ein anderes: Die Planung wird bestimmt durch die Vorstellungen und Vorgaben des Investors. Diesen interessiert naturgemäß eher Rendite als Denkmalschutz. Dabei obliegt der Stadt Bamberg die Planungshoheit in ihrem Stadtgebiet. Sie müsste es sein, welche für Bereiche des Stadtgebietes Nutzungskonzepte, Bebauungsvorschläge und Bebauungspläne entwickelt. Die Stadt Bamberg müsste spätestens dann, wenn private Grundstückseigentümer oder private Investoren ein Gebiet bebauen wollen, auf den Status als Weltkulturerbe und die Tatsache hinweisen, dass sich eine Nutzung dem zu bebauenden Gebiet anpassen muss und nicht umgekehrt. Dies muss insbesondere in einer Stadt gelten, die sich als eine der schönsten Städte Deutschlands bezeichnet und von sich selbst als „tausendjähriges Gesamtkunstwerk“ spricht. Unausweichlich ist dies aber, wenn im Herzen der Stadt, der Inselstadt, in deren Grundriss nach wie vor die mittelalterliche Umfassung der Stadt zu erkennen ist und deren alte Straßenzüge weitgehend erhalten sind und den Mittelpunkt des städtischen Lebens darstellen, neu gebaut werden soll.

Bei den Planungen für das Quartier an der Stadtmauer vergisst die Stadt Bamberg aber augenscheinlich ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Werbebotschaften: Man lässt sich von einem privaten Investor ein Nutzungskonzept und Planungsvorschläge aufzwingen, man ist bereit, denkmalgeschützte Anwesen abzureisen und mittelalterliche Keller zu opfern.

Die Diskussionen um das „Quartier an der Stadtmauer“ sollten bei den Vertretern der Stadt und der Stadtverwaltung zum Anlass genommen werden,  umzudenken und die Planungshoheit wieder an sich zu reißen, tatsächlich wieder Stadtplanung aus eigener Hand zu machen. Das erfordert Qualität und Kontinuität – ein Wechsel an der Spitze des Baureferats alle paar Jahre trägt dazu sicherlich nicht bei. Und auf Qualität und einen angemessenen Umgang mit dem Erbe sollte eine Stadt wie Bamberg mindestens Wert legen.