Der Satansaffe

Christoph Schindler

Objekt des Monats NOVEMBER 2018 im Naturkunde-Museum

Im Bamberger Naturkundemuseum wird bis zum Ende des Jahres die äußerst sehenswerte Sonderausstellung „Der Ritter und seine Affen“ gezeigt. Die Präsentation ist dem 1781 in Höchstadt/Aisch geborenen Johann Baptist von Spix gewidmet, der zwischen 1817 und 1820 mit dem Botaniker Carl Philipp von Martius „auf Befehl des bayerischen Königs“ (Maximilian I.) Brasilien bereiste und naturwissenschaftlich erforschte. Dabei sammelten die beiden Emissäre eine Vielzahl an „Naturalien“, deren zoologische Ausbeute den Grundstock der heutigen Zoologischen Sammlung des Bayerischen Staates bildet. Einige der Objekte, zum Beispiel einige Löwenäffchen, standen explizit auf der Wunschliste des Auftraggebers. So verwundert es nicht, daß von den 85 mitgebrachten Säugetierarten etwa 30 Arten von Neuweltaffen waren. Von den 350 gesammelten Vogelarten dürfte der blaue Spix-Ara die heute bekannteste Species sein. Auch paläontologisch war die Expedition ein Erfolg: mit der Entdeckung der Santana-Formation wurde eine kreidezeitliche Fossillagerstätte bekannt, die heute zum Weltnaturerbe zählt. Dort geborgene Flugsaurier und Insekten sind oftmals ausgesprochen detailreich erhalten.

Da die Präparate der Affen einige Typus-Exemplare enthalten, konnten die Münchner Originale nicht für die Bamberger Ausstellung verliehen werden; so werden in Bamberg „nur“ wissenschaftlich exakte, aber auch künstlerisch hervorragende Zeichnungen dieser Tiere gezeigt, die von Barbara Ruppel und einigen ihrer Schüler geschaffen wurden. Man kann hier genau studieren, wie die Präparatoren, die die Affen nie in freier Wildbahn gesehen hatten, versuchten, den Bälgen „Leben einzuhauchen“. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist dabei der Satansaffe, Chiropotes satanas Hoffmannsegg, 1807. Dieser wird etwa 40 cm lang, bewohnt das nördliche Brasilien und hält sich als Pflanzenfresser meist in den Baumkronen des Regenwaldes auf. Die markanten Eckzähne dienen zum Öffnen hartschaliger Früchte. Sein Bestand hat in den letzten dreißig Jahren um etwa 80 % abgenommen, so daß die Art heute als vom Aussterben bedroht gilt.

Neben den Zeichnungen können in Bamberg aber zusätzlich auch einige Präparate von Affen bewundert werden, die in etwa aus der Zeit Spix‘ stammen. Das Naturkundemuseum erwarb um 1830 einige Stopfpräparate von Neuweltaffen bei der Naturalienhandlung Dr. Kraus in Stuttgart, die später ebenfalls das Präparat des Quagga lieferte. Darunter befindet sich auch ein Statansaffe, das heutige Objekt des Monats. Neben bildlichen Darstellungen waren im neunzehnten Jahrhundert Präparate in Naturalienkabinetten die einzig Möglichkeit, sich einen Eindruck von exotischen Tieren zu verschaffen, entsprechend hoch war der Bedarf in Europa, wo in jenen Jahren zahlreiche naturhistorische Museen gegründet oder erweitert wurden und auch reiche Privatsammler Begehrlichkeiten anmeldeten. Es entstanden so einige große Import-Firmen, die teils auch Fachverlage betrieben oder Wandtafeln, Modelle und andere Lehrmittel für Schulen und Universitäten produzierten. Einigen von uns dürften noch die Firma Schlüter aus Winnenden oder der Kosmos Lehrmittelverlag aus der Schulzeit bekannt sein; in Österreich-Ungarn dominierte die Firma Pichlers Wittwe & Sohn den Markt. Zusätzlich machten „frei arbeitende“ Sammler in den Tropen Beute, wie der Engländer Alfred Russell Wallace, später ein Mitbegründer der Theorie von der Natürlichen Auslese. Einige geschäftstüchtige Reeder hielten ihre Kapitäne an, neben der Fracht des Kerngeschäftes auch vor Ort ethnographische oder zoologische Objekte zu erwerben. Hier ranken sich besonders um die Firma Johann Cesar Godeffroy in Hamburg zahlreiche, mitunter makabre Erzählungen. Der tschechische Autor Karel Čapek hat in seinem Roman „Der Krieg mit den Molchen“, einer wunderbaren Parabel auf die menschliche Hybris, 1936 dieses Thema noch einmal aufgegriffen.

Auch wenn die neue Sonderausstellung räumlich und thematisch auf den ersten Blick sehr eng begrenzt wirkt, erlaubt sie doch tiefe Einblicke in das Reich der Primaten, uns Menschen eingeschlossen.

Zur weiteren Lektüre (an der Museumskasse erhältlich):

  • Schönitzer, Klaus: Ein Leben für die Zoologie. Die Reisen und Forschungen des Baptist Ritter von Spix, München, 2011
  • Schönitzer, Klaus (Hrsg.): Zeichnungen zur Spix‘ Affensammlung, München, 2018