„Die tote Stadt“ von Georges Rodenbach – inszeniert von Martin Neubauer im Brentano – Theater

Eine Besprechung von Kasch Snyder

Eigentlich weiß man es längst: Das kleine Brentano-Theater von Martin Neubauer gilt als Geheimtipp: Mit der Inszenierung „Die tote Stadt“ kann das einmal mehr bestätigt werden.

Das Schauspiel, 1892 einst ein Bestsellerroman des flämischen Schriftstellers Georges Rodenbach, wurde nur kurze Zeit später vom Komponisten Erich Wolfgang Korngold gemeinsam mit seinem Vater Paul Schott, der das Libretto dazu schrieb, zu der Oper «Die tote Stadt» arrangiert. Nun hat Neubauer diese morbide Geschichte zu einem Lese- und Szenenstück für das Brentano-Theater neu bearbeitet.

Zum Inhalt: Der Witwer Hughes zieht nach dem Tod seiner Frau nach Brügge, der einst florierenden Hafenstadt, die inzwischen zum Denkmal erstarrt ist, und in ihrer Tristesse, seinen Seelenzustand, widerspiegelt. Beides, der Tod und die Stadt, symbolisieren Vergangenheit. Hughes leidet unter dem Tod seiner Frau, sehnt sich nach Wiedervereinigung mit der Verstorbenen. Zu einem Suizid kann er sich aber nicht entscheiden – dazu fürchtet er – in seiner bigotten Frömmigkeit – zu sehr das Jüngste Gericht. Seine sorgsam zelebrierte Trauer: ein Reliquiar der Verstorbenen in seinem Zimmer, seine täglichen einsamen Spaziergänge am Abend – wird abrupt unterbrochen als er sie sieht: Jane, eine Theatertänzerin –das Ebenbild seiner Frau. Doch es ist nicht nur die vermeintliche Ähnlichkeit zu seiner verstorbenen Frau, sondern auch die entflammte sinnliche Lust, die ihn zu dieser Verbindung verführt. Während er einerseits die Verstorbene idealisiert, sich an die einstige Liebe zu seiner Frau über den Tod hinaus in ihrer Exklusivität gebunden fühlt, genießt er anderseits auch die irdische Lust. Jedoch nicht ohne Schuldgefühle. Um dieses Dilemma zu ertragen, rechtfertigt und beruhigt er sich selbst mit den äußerlichen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Frauen und versucht sie innerlich zu einer Person zu verschmelzen. Aber zu groß sind die tatsächlichen Unterschiede zwischen den Beiden.

Zum Eklat kommt es schließlich am Tag der Heiligblutprozession: Jane wehrt sich gegen die ständigen – im wahrsten Sinne des Wortes an den Haaren herbeigezogenen Vergleiche. Sie verlangt von Hughes, dass er ihre eigene Identität anerkennt und sie nicht nur als Double seiner Frau wahrnimmt. In der Auseinandersetzung benennt sie – in lasziver und provokativer Weise – banale äußere Unterschiede zwischen ihr und der Verstorbenen. Ohnmächtig, sich dem Konflikt zu stellen, ihn auszutragen, erdrosselt er im Affekt mit dem Haarteil, einem Relikt der Toten, seine irdische Geliebte.

Ein Hitchcock-reifer Abgang!

So stringent auch die äußere Handlung ist – die tiefenpsychologischen Deutungen sind umso vielfältiger: da wären beispielsweise die Assoziation der Verstorbenen mit der Stadt; die irrationale Huldigung der Toten; die katholisch verklemmte Frömmigkeit; gemischt mit Urängsten vor dem Jüngsten Gericht, die Furcht und deshalb die Anpassung an die Doppelmoral des frömmelnden Spießbürgertums; freilich auch die männliche unbewusste Projektion zwischen der Heiligen und der Hure und ach, noch so vieles mehr.

Große Psychologen wie Sigmund Freud, C.G. Jung oder Alfred Adler hätten ihre Freude an ihren Psychoanalysen – die heutigen Fachleute nicht minder.

Die Umsetzung des Schauspiels ist Neubauer grandios gelungen. Auf sein Theater zugeschnitten – ergeben Bühnenbild, Musik sowie der Wechsel zwischen Lesen und einzelnen Szenen ein vollkommenes Arrangement. Und dazu wird eindringlich und mit voller Körperlichkeit gespielt. Neubauer und seine Partnerin Nadine Panjas – die ihm ebenbürtig ist – zeigen beeindruckende schauspielerische Präsenz. Das würdigte auch das handverlesene Publikum bei der Premiere.

Nach kurzer Beklommenheit – die Schlussszene war sehr sehr publikumsnah – folgte minutenlanger Beifall!

Man sollte sich dieses Schauerstück auf keinen Fall entgegenlassen!!!

Weitere Termine:

  • So, 29.10. – 17 Uhr
  • Fr,. 10.11. – 20 Uhr
  • So, 12.11. – 20 Uhr

Brentano-Theater
Plätze unter 0951/54528

 

Ein Gedanke zu „„Die tote Stadt“ von Georges Rodenbach – inszeniert von Martin Neubauer im Brentano – Theater

  1. …bei so vielen streitbaren und vor allem auch SCHÖNEN Frauen ganz offensichtlich ein Bamberger Theater MUSS! YES WE CAM!!

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