Viel Luft nach oben für stadtfreundliche Mobilität

VCD Bamberg

Zur Mobilitätsbefragung 2015 und der Vorstellung im Verkehrssenat

Im letzten Verkehrssenat wurde eine Befragung der Bamberger zu ihrem Mobilitätsverhalten vorgestellt. Den Satz „In der Regel benutze ich das Rad“ kreuzten, in Bezug auf den Binnenverkehr, 36 % an.

Selbstlob – aus der Luft gegriffen

Die Leiterin der Befragung machte daraus „Bamberg ist die Fahrradstadt Süddeutschlands“. Wo, bitte, bleibt der Vergleich mit den Bezugsgrößen? Mit Freiburg zum Beispiel, der traditionellen Fahrrad-Vorzeigestadt? Und wie steht es in Erlangen? Da nutzten 44 % das Rad im Binnenverkehr – schon im Jahr 2010.

Das Lob ist ein PR-Geschenk des ausführenden Büros und führt Öffentlichkeit und Politik in die Irre. Mancher setzte mit der Qualifizierung als „belegbar“ noch einen drauf. Doch die „verlässlichen Zahlen aus einer statistisch gesicherten und repräsentativen Befragung“, wie es schnell hieß, belegen manches, aber nicht diese Qualifizierung.

Lob ist für die Bürger

Im gedruckten Bericht wird Bamberg gelobt. Das schmeckt vielen Stadträten, und selbstzufrieden wurde der Bericht aufgenommen. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, bitteschön!“ war der Tenor. Wer ein bisschen genauer hinschaut, sieht, dass nicht Stadtrat und Stadtverwaltung gelobt werden, sondern die Bamberger. 36 % von uns greifen zum Rad – das ist ein respektabler Wert. Aber warum klopfen sich die Räte dafür auf die Schulter? Untersucht worden ist das tagtägliche Handeln der Bürger, nicht das verkehrspolitische Entscheiden des Stadtrats, und nicht die Wegweisung der Verwaltungsspitze. Die 36 % greifen zum Rad, weil es ihnen Rat, Verkehrsreferent und Oberbürgermeister so schmackhaft machen? So ein Unfug. Die Bamberger nutzen das Rad so häufig nicht wegen der Verkehrspolitik im Rathaus, sondern trotz dieser Verkehrspolitik.

Was man tun muss und tun kann, um den Radanteil zu steigern, das kann man zum Beispiel in Freiburg studieren oder in Erlangen. Und kann den Erfolg jahrzehntelanger zielgewisser Entscheidungen gleich mit in Augenschein nehmen: eine mit den Händen greifbare Steigerung der Stadtqualität.

50 %? Oder 63?

In dem Bericht wird Bamberg im gleichen Atemzug mit Münster genannt. Münster hatte bereits vor zehn Jahren einen Radanteil von 39 % und kann sich als Offensivinvestor in Sachen Radverkehrs-Infrastruktur vorzeigen lassen. Bamberg spielt in einer ganz anderen Liga und kann seine Infrastruktur als Sanierungsfall anbieten. Es gibt zwar eine ganze Menge produktiver Vorarbeiten; doch was in anderen Städten umgesetzt wird, wandert in unserer Stadt in die Schublade. Für die verkehrspolitische Entwicklung ist vor Jahren das Fahrradforum eingerichtet worden; es wird von den meisten Stadtratsfraktionen immer wieder gebremst und ausgebremst. Für die verkehrstechnische Entwicklung ist die AG Radverkehr eingerichtet worden; sie verhungert am ausgestreckten Arm der Verwaltungsspitzen.

Welche Potentiale einer stadtfreundlichen Mobilität in unserem tagtäglichen Verkehr stecken, zeigen Zahlen wie „50% der Wege zwischen 3 und 4 km werden fossil gefahren“ oder „25 % der Wege zur Arbeit sind weniger als 2 km“. Kopenhagen ist die globale Radhauptstadt und ist heute im Binnenverkehr bei 63 % Radanteil. Morten Kabell, der Kopenhagener Umweltbürgermeister, ist sich ganz sicher: „50 % sind überall möglich“. Sie sind ganz sicher auch in Bamberg möglich, und sie sind, zum Wohl unserer Stadt, auch der Zielsetzung wert.

Potentiale kann man heben – aber nur, wenn man sie heben will. Wollen Sie endlich, Frau Stadträtin, Herr Stadtrat! Wollen Sie endlich, Herr Oberbürgermeister!