„Arabella“ von Richard Strauss bei den Münchner Opernfestspielen
Von Monika Beer
Die Frage, was ein Regisseur sich bei seinem Konzept gedacht hat, wird heutzutage leider gerne im Programmheft beantwortet – und nicht auf der Bühne. Ein solcher Fall ist die neue Münchner „Arabella“, für die Filmregisseur Andreas Dresen im Nationaltheater auch bei der besuchten zweiten Vorstellung kein einziges Buh kassieren musste. Nur warum fand das Publikum die nichtssagende Neuinszenierung gut? Weil sie niemanden provozierte?
Um es vorweg zu nehmen: Musikalisch ist die Produktion hochkarätig. Zum einen, weil die Bayerische Staatsoper wiederum eine erstklassige Sängerriege um die herausragenden Hauptsolisten Anja Harteros (Arabella), Thomas J. Mayer (Mandryka) und Hanna-Elisabeth Müller (Zdenka) aufgestellt hat. Zum anderen, weil Dirigent Philippe Jordan diese Konversationsoper von Richard Strauss so sängerfreundlich, transparent und nur, wo nötig, auch klangmächtig auslotet, dass selbst Schwieriges plötzlich leicht und selbstverständlich erscheint.
Was im Graben mit dem Bayerischen Staatsorchester und in der Koordination mit den Solistenstimmen vorzüglich gelingt, findet in der Szene kein Pendant. Schon die Ausstattung ist eher eine Hypothek denn hilfreich. Weil Regisseur Andreas Dresen und sein Team die um 1860 in Wien spielende Oper in ihre Entstehungszeit verlegt haben, zitiert Mathias Fischer-Dieskau (der älteste Sohn des weltberühmten Sängers) in seinem drehbaren Treppenbühnenbild expressionistische Filmarchitektur.
Das wirkt höchstens auf den ersten Blick, schluckt zudem viel von den Stimmen weg und bleibt beliebig, was sich vor allem bei der offenen Verwandlung im Vorspiel zum 3. Akt offenbart: Sie ist mitnichten spektakulär, sondern nur nichtssagend, inhaltslos – viel Lärm um Nichts. Das Zuviel an Schwarz und etwas Weiß wollen die Kostüme von Frauke Meyer kompensieren, die zunehmend die Farbe Rot ins Spiel bringen – eine ästhetische Lösung, die leider genauso bemüht und leer ist wie das auffallend schlecht beleuchtete Bühnenbild.
Die gewollte Abstraktion der Ausstattung ist eigentlich ein Missverständnis, denn sie drückt der lyrischen Komödie, wie der Komponist seine „Arabella“ im Libretto von Hugo von Hofmannsthal zu Recht bezeichnet hat, ästhetisch eher einen tragödischen Stempel auf. Natürlich stehen die Figuren der Handlung alle mehr oder weniger am Abgrund und reagieren ständig, anstatt zu agieren. Aber das ändert nichts am musikalischen Grundcharakter der Oper, die sich Leichtigkeit, Esprit, Glamour, etwas Ironie und volkstümliche Farbtupfer auf die Fahnen geschrieben hat.
Zwar findet, vielfach an der Rampe, durchaus Personenregie statt. Aber es ist eher eine künstliche, gekünstelte Lebendigkeit, die die Figuren erfüllt. Wenn sich beim Fiakerball Statisten auf der Treppe entblößen und in Zeitlupe so tun, als würden sie kopulieren, fragt man sich staunend, was das soll. Noch merkwürdiger erscheinen ein paar Faschisten in Uniform, die wie die als Domina in schwarzem Leder mit Peitsche ausstaffierte Fiakermilli ein Filmzitat sind. Sollte das Kritik an der politischen Haltung von Strauss sein, wie sie das Programmheft dokumentiert?
Erst unmittelbar im Schluss leuchtet eine Regieidee auf, die durchaus Substanz hätte. Wenn die höhere Tochter Arabella nach all den Irrungen und Wirrungen den richtigen Mann gefunden hat – sowohl für die Rettung der verarmten Familie als auch für sich selbst –, kredenzt sie ihm nicht brav, wie es der Brauch beim Bräutigam will, ein Glas Donauwasser, sondern schüttet es ihm ins Gesicht.
Nur schade, dass dieser einleuchtende Gedanke erst ganz am Ende und szenisch unvorbereitet kommt. Denn die Titelfigur bleibt, auch wenn Anja Harteros ihr nicht nur stimmlich divenhaften Glanz gibt, den ganzen Abend lang eher einem rückständigen Frauenbild verhaftet. Fast möchte man Peter Theiler, Intendant am Staatstheater Nürnberg, beschwören, die „Arabella“-Inszenierung von Andreas Baesler aus dem Jahr 2014 wieder aufzunehmen. Die spielt auch in den Zwanziger Jahren, macht aber szenisch so viel Spaß und Sinn, ohne den Hintersinn auszublenden, dass man versteht, warum man dieses 1933 uraufgeführte Strauss’sche Spätwerk noch spielen sollte.
Premiere am 6. Juli, besuchte zweite Vorstellung am 11. Juli 2015, weitere Aufführungen während der Münchner Opernfestspiele am 17. Juli sowie im Januar 2016. Karten gibt es telefonisch unter 089/2185-1920 sowie online auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper unter www.staatsoper.de.