Der Bamberger Verein Change e.V. hat einen „offenen Brief“ an die Stadt Bamberg gerichtet. Das zentrale Anliegen des offenen Briefes ist, dass die Stadt Bamberg – seit kurzem ja fair trade Stadt – aufgefordert werden soll nun Nachhaltigkeit beim öffentlichen Einkauf auch deutlich stärker zu berücksichtigen als bisher.
Offener Brief: Nachhaltige Beschaffung in Bamberg
An: Oberbürgermeister Andreas Starke, zweiter Bürgermeister Christian Lange, dritter Bürgermeister Wolfgang Metzner, die Referenten der Stadt Bamberg, die Stadträt*innen der Stadt Bamberg, Leiter*innen von Ämtern und Leiter*innen von öffentlichen Einrichtungen.
Zusammenfassung: Konsumentscheidungen haben weitreichende ökologische und soziale Auswirkungen. Die Stadt Bamberg einschließlich ihrer Einrichtungen trägt aufgrund ihrer enormen Kaufkraft und ihrer Vorbildfunktion eine besondere Verantwortung beim öffentlichen Einkauf. Als Vertreter*innen der Bamberger Zivilgesellschaft und als Bürger*innen der Stadt Bamberg fordern wir die Entscheidungsträger*innen in Politik und städtischen Einrichtungen dazu auf, öko-soziale Kriterien beim öffentlichen Einkauf stärker zu berücksichtigen.
Die Produktion von Gütern hat Konsequenzen sowohl für die Umwelt als auch für die Menschen, die an der Produktion beteiligt sind. Je nachdem, welche Güter und Dienstleistungen beim Einkauf ausgewählt werden, werden ökologisch und sozial vertretbare oder problematische Produktionsbedingungen gefördert. Aufgrund dieser weitreichenden Auswirkungen sind Konsument*innen in der Verantwortung, ihren Konsum so zu gestalten, dass er mit Menschenrechten und Umweltschutz zu vereinbaren ist. Dies gilt in besonderem Maße für den Einkauf durch Kommunen und öffentliche Einrichtungen, da diese über eine hohe Kaufkraft verfügen und außerdem eine Vorbildfunktion haben.
Die Stadt Bamberg hat in den letzten Jahren mehrfach die eigene Ausrichtung am Leitbild der Nachhaltigkeit bekundet. Neben der Bamberger Agenda 21 und der Veröffentlichung des Einkaufführers „Essen und Trinken aus der Region Bamberg“ ist hier insbesondere die kürzliche Zertifizierung als „Fairtrade-Town“ zu nennen. Auf inhaltlicher Ebene hat der Stadtrat bereits im April 2014 öko-soziale Kriterien als Grundlage für die öffentliche Beschaffung beschlossen. Wenngleich diese Schritte in Richtung Nachhaltigkeit zu würdigen sind, kann der aktuelle Zustand noch keinesfalls als befriedigend angesehen werden. Hinsichtlich des „Fairtrade-Town“-Zertifikats ist kritisch anzumerken, dass die erforderlichen Standards ausgesprochen niedrig sind. Die beschlossenen öko-sozialen Kriterien für die öffentliche Beschaffung sind ebenfalls ungenügend, da keine überzeugend hohen Standards gesetzt wurden und die Formulierung darüber hinaus unkonkret und unverbindlich ist. Es steht daher zu befürchten, dass die schon formal nicht ausreichenden Kriterien bisher nicht angemessen umgesetzt werden und folglich bei einem großen Teil der öffentlichen Beschaffung nach wie vor ökologisch und/oder sozial problematische Produkte ausgewählt werden.
Wir wenden uns als ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und Bürger*innen der Stadt Bamberg an die Entscheidungsträger*innen in Politik und öffentlichen Einrichtungen und fordern, dass öko-soziale Kriterien beim öffentlichen Einkauf zukünftig in wesentlichem Umfang berücksichtigt werden. Dies bedeutet insbesondere:
- Wir wünschen uns, dass die Stadt Bamberg neue Vergaberichtlinien beschließt, welche ausreichend hohe öko-soziale Standards umfassen und diese konkret und verbindlich festsetzen.
- Hinsichtlich der politischen Umsetzung kommt neben einem umfassenden Beschluss durch den Stadtrat auch eine Dienstanweisung des Oberbürgermeisters in Betracht (z.B. hat der Erlanger Oberbürgermeister per Dienstanweisung beschlossen, dass in den Ämtern der Stadt Erlangen ausschließlich Recycling-Papier verwendet wird).
- Ökologische Standards beziehen sich hierbei insbesondere auf das sparsame Verwenden von natürlichen Ressourcen (z.B. das Vermeiden von Luft- und Wasserverschmutzung, den Erhalt eines möglichst fruchtbaren Bodens und den Schutz der natürlichen Biodiversität).
- Soziale Standards verweisen auf die Achtung der Menschenrechte, den Abbau von Armut und sozialer Ungerechtigkeit, die Gewährleistung von angemessenen Arbeitsbedingungen (z.B. Arbeitssicherheit, Arbeitsrechte) sowie den Boykott von Ausbeutung.
- Vor diesem Hintergrund sind als wesentliche öko-soziale Kriterien Ressourcensparsamkeit, Müllvermeidung und Recycling, Schadstoffvermeidung, Regionalität, Saisonalität, biologische Landwirtschaft, fairer Handel und Verbot von Kinderarbeit zu nennen.
- Grundsätzlich sollte außerdem vor jeder Neu-Anschaffung die Notwendigkeit kritisch überprüft werden, da der Reduktion der Güter-Produktion eine zentrale Rolle beim sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen zukommt. Die Reparatur von vorhandenen, defekten Geräten anstelle von Neu-Anschaffungen ist hierbei ebenfalls relevant.
- Die genannten öko-sozialen Kriterien sollten sowohl bei freihändigen Vergaben, als auch bei beschränkten und öffentlichen Ausschreibungen in besonderem Maße gewichtet werden (z.B. in den Wertungsmatrizen). Hierbei sollten nach Möglichkeit unabhängige Zertifikate mit hohen Standards berücksichtigt werden.
Konsumbereiche, in denen die genannten öko-sozialen Kriterien zur Anwendung kommen sollten, sind unter anderem:
- Stromverbrauch (z.B. energiesparende Geräte, Strom aus erneuerbaren Energien)
- Wasserverbrauch (z.B. wassersparende Geräte)
- Heizenergie (z.B. Wärmedämmung, Heizenergie aus erneuerbaren Energien)
- Baumaterialien (z.B. Natursteine aus regionalen Steinbrüchen)
- Möbel (z.B. Holz aus regionaler Forstwirtschaft)
- Papier (z.B. Recycling-Papier, Papier beidseitig bedrucken)
- Ernährung (z.B. fair gehandelter Kaffee und Tee, regionales Obst und Gemüse)
- Kleidung und Textilien (z.B. Dienstkleidung aus fair gehandelten Stoffen)
- Geschenkartikel (z.B. regionale, fair gehandelte Blumen)
- Putzmittel (z.B. Reinigungsmittel mit natürlich abbaubaren Inhaltsstoffen)
- Verkehrsmittel (z.B. benzinsparende Dienstfahrzeuge und Einsatzwägen)
- Dienstreisen (z.B. Bevorzugung von Bahn, Vermeidung von Flügen)
- Postverkehr (z.B. Bevorzugung von ökologischen Angeboten)
Da der bloße formale Beschluss von neuen Vergaberichtlinien nicht unbedingt wesentliche Auswirkungen auf die tatsächlich erfolgenden Kaufentscheidungen hat, sollte die Stadt Bamberg darüber hinaus Maßnahmen ergreifen, um die praktische Verwirklichung von öko-sozialen Kriterien beim öffentlichen Einkauf sicherzustellen. Als sinnvolle Maßnahmen erscheinen unter anderem:
- die Einrichtung einer Steuerungsgruppe (bestehend aus Vertretern von Politik und Zivilgesellschaft), welche die Verwirklichung der öko-sozialen Beschaffung in Bamberg plant, koordiniert und kontrolliert,
- Weiterbildungen zu öko-sozialer Beschaffung für Entscheidungsträger*innen (selbst organisierte Veranstaltungen vor Ort und/oder existierende Angebote von z.B. BMZ, Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, Green ProcA),
- Informationsmaterialien (z.B. Leitfäden, Handreichungen) zu öko-sozialer Beschaffung für Entscheidungsträger*innen,
- eine regelmäßige Evaluation hinsichtlich der Berücksichtigung von öko-sozialen Kriterien (um bisherige Defizite aufzudecken und anschließend zu beheben).
Der organisatorische Aufwand für die Realisierung einer nachhaltigen Beschaffung und der teilweise höhere finanzielle Aufwand für Produkte, die öko-soziale Standards erfüllen, erscheinen im Verhältnis zu den weitreichenden Auswirkungen des öffentlichen Konsums auf Menschen und Umwelt insgesamt angemessen. Gerade angesichts aktueller Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit und Ressourcenmangel ist es wichtig, dass die Stadt Bamberg ihrer Vorbildfunktion gerecht wird und verstärkt auf öko-soziale Kriterien achtet. Lassen Sie uns diese Gelegenheit nutzen, unseren Beitrag zur Sicherung von Menschenrechten und zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten.
Hier kann der Brief unterzeichnet werden.