Bamberger Soziologin forscht über berufliche Lebensverläufe
„Das deutsche Ausbildungssystem ist im internationalen Vergleich ein Kassenschlager“, betont Soziologieprofessorin Dr. Sandra Buchholz von der Universität Bamberg. Dank dualer Struktur, einer Verknüpfung aus Theorie und Praxis, bringt es hochqualifiziertes Personal hervor. Aber: Die starke Jugendzentrierung ist eine von mehreren Schwachstellen.
Das deutsche Ausbildungssystem ist mit seiner dualen Struktur dem vieler anderer Länder überlegen, in denen eine ausschließlich theoretisch orientierte Ausbildung dominiert. Die enge Verzahnung von Theorie und Praxis bringt ein hervorragend qualifiziertes und breit aufgestelltes Personal hervor. Damit hat sich das deutsche System als beeindruckend krisenfest erwiesen. „In Südeuropa führte die Wirtschaftskrise zu einem immensen Anstieg der Arbeitslosigkeit, gerade bei jungen Leuten“, so Buchholz. Nicht so in Deutschland. Zum einen stelle die Lehre eine Art Schnupperphase dar. „Der Arbeitgeber sieht, ob der Auszubildende pünktlich, engagiert und zuverlässig ist. So entstehen ‚Klebeeffekte‘, es kommt zu Übernahmeverträgen.“ Zum anderen weise das deutsche Ausbildungssystem eine hohe Standardisierung und Zertifizierung auf.
Schwachstellen im System
„Das deutsche Ausbildungssystem hat allerdings auch seine Schwachstellen“, räumt Buchholz ein. Eine davon ist seine starke Jugendzentrierung: Klar, ein Lagerarbeiter könne noch einen Gabelstapler-Führerschein machen, eine Sekretärin sich innerbetrieblich weiterbilden, doch dass ein 40-Jähriger noch einen berufsbefähigenden Abschluss erlangt? Kaum denkbar.
Ein weiterer Kritikpunkt am deutschen Ausbildungssystem: „Ein gewisser Prozentsatz an Jugendlichen wird in Deutschland seit Jahren systematisch vom Ausbildungsmarkt ausgeschlossen.“ Von ihnen heißt es, ihre kognitiven Kompetenzen seien so gering, dass sie nicht erfolgreich in die Berufsausbildung integriert werden können. Und das, obwohl laut Arbeitgeberseite jedes Jahr Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. „Doch sind diese Jugendlichen wirklich nicht ausbildungsfähig?“, fasst Buchholz die zentrale Frage zusammen, die sie gemeinsam mit Prof. Dr. Hans-Peter Blossfeld und Schweizer Forschern in einer Längsschnittstudie zu beantworten versuchte. Die Antwort: Offenbar schon. In der Schweiz, wo ebenfalls ein duales Ausbildungsmodell herrscht, absolvieren auch sogenannte leistungsschwache Jugendliche erfolgreich eine Ausbildung.