Ein Buch aus Cadolzburg, eine Verkostung im Café Abseits
Barbara Braumann
„Solange die Existenz / und die Lage / des Paradieses / nicht erkundet sind / halte ich mich / an dich“, lautet ein titelloses Gedicht von Peter Turrini, den man eher als Dramatiker kennt und schätzt, während seine Lyrik bislang einigermaßen unbekannt geblieben ist (was zu ändern wäre). Nun, das Paradies, zumindest für Liebhaber des Gerstensaftes, findet sich, glaubt man Martin Droschke und Elmar Tannert, den Autoren des jetzt bei ars vivendi in Cadolzburg herausgekommenen Cicerone durch das „Bierland Pilsen“ (Brauereien und Sehenswürdigkeiten im Westen Böhmens), in Dobřany, wenige Kilometer südwestlich von Pilsen, der aktuellen Kulturhauptstadt Europas, gelegen.
Dort, in der Kleinbrauerei Modrá hvězsa, schenkt der Wirt Josef Kozler seine neun Sorten Bier aus (bisweilen sind es sogar deren zehn, wenn ein Spezialbräu für kurze Zeit hinzukommt, ein Kräuter- oder Gewürzbier). Zum einen sind da die traditionellen hellen und dunklen Lagerbiere, zum anderen aber die Starkbiere, mit einem Alkoholgehalt von mehr als zehn Prozent. Das nach dem heiligen Veit, dem Schutzpatron der Bierbrauer, Svatý Vít geheißene Getränk sei allein „mit der Kraft des Aromas“ dazu in der Lage, „Abstinenzler zu bekennenden Alkoholikern“ zu machen, ja sogar „Winzer davon zu überzeugen, ihre Rebstöcke auszureißen und auf Bier umzusatteln“, schreiben, auf Seite 87, Droschke und Tannert.
Und von Braumeister Petr Petružálek, einem „Genie am Sudkessel“, heißt es, nie noch habe ihn ein Gast ohne Bier in der Hand gesehen. Wer Kozler und Petružálek erleben möchte, ohne ins schöne Böhmen zu reisen (worauf das Buch Lust macht, das dreizehn Touren beschreibt und zudem eine kleine Einführung in die tschechische Sprache bietet), kann das an diesem Donnerstagabend im Bamberger Café Abseits (Pödeldorfer Straße 39) tun. Ausgeschenkt wird dann ein helles Lager, Dobřanská hvězda 12°, vom Fass. Erfrischend und süffig mundet es, ist bernsteinfarben und geprägt von feinen, ausgeprägten Bitternoten und den Aromen des Saazer Hopfens.
Gottfried „Big“ Benn, der passionierte Biertrinker und Lyriker, soll gesagt und geschrieben haben, er sei nichts Offizielles, sondern vielmehr ein kleines Helles. Darauf spielt Dirk von Petersdorff an in seinem „Bierlied mit Benn“, das in dem 2003 bei S. Fischer erschienenen Band „Die Teufel von Arezzo“ nachgelesen werden kann und das hier zum Ausklang in Gänze angeführt sei, nicht ohne nachdrücklich das „Bierland Pilsen“ zu empfehlen, so wie es Tannert und Droschke (ars vivendi, 2015, 14,90 Euro) auf 255 Seiten und mit einer Vielzahl von Kostproben und Verköstigungen kredenzen:
Bierlied mit Benn
„Ich bin nichts Offizielles,
ich bin ein kleines Helles“ –
ein Helles soll man zischen,
logisch, zum Erfrischen.
Wer hip ist, muss sich spreizen,
ich bin ein großes Weizen;
ein Weizen dient zum Kühlen
von schwierigen Gefühlen.
Die Szene lässt mich kalt,
ich bin ein herbes Alt;
ein Alt, das muss man merken,
im Herben hat es Stärken.
Why should l dance to rock?
Ich bin ein stilles Bock;
ein Bock muss langsam fließen,
um es zu genießen.
Die Wahrheit ist aus Filz,
ich bin ein echtes Pils;
das Pils will euch nichts sagen,
stellt auch keine Fragen,
zum Beispiel nach dem Sinn,
sondern schäumt dahin;
ich bin nichts Offizielles,
ich bin ein kleines Helles.
P.S.:
Komm lass dich nicht verheizen,
ich bin ein Hefe-Weizen
und immer noch im Kommen;
hat man mich vernommen?
Hoppla!?
Hat der Herr Dirk von Petersdorff in seinem Bierliedchen nicht eine sehr wichtige Strophe vergessen?
Du liebst mich oder du hasst mich!
Egal bin ich dir sicher nich‘ –
denn das eine merke dir:
ich bin ein feines Rauchbier!
Der unten zu Wort kommende Innsbrucker Lyriker dürfte zumindest einmal in der Domstadt gewesen sein. Und in Sachen Rauchbier war Günter Eich ja aktiv:
liebesbrief des einsamen biertrinkers
wie gärt es dir
wo lagerst du
du sonnenschein in meinem märzen
habe jedes bräuhaus schon nach dir durchstüberlt
brau doch vorbei
und malz mich fest
ich gerste gleich vor bock
dass ich es mit dir trübe
gar manche sagen dass du fremdgärst
was pilsen sich die leute ein
dass solchen sud sie zapfen
ich hopf du weizt
dass ich stehts lieb dich halbe
schnitt
dein urtyp
Ludwig Wolfgang Müller